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Das Buch der Bücher

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Was ist die Bibel? Von Daniel-Rops. Aus dem Französischen übersetzt von Adolf Heine- Geldern. Verlag Herold, Wien-München. 188 Seiten mit zwei Zeittafeln. Preis 54 S.

Je mehr wir uns auf die wesentlichen Werte der Offenbarung konzentrieren müssen, um so dringender brauchen wir Werke, die uns den Zugang zu dieser Welt des Göttlichen ermöglichen. Im Zuge des erneuten Interesses für Bibel und Liturgie suchen wir an erster Stelle nach einet allgemeinen Bibeleinleitung, die uns jetzt in populär-wissenschaftlicher Weise von dem bekannten Publizisten Daniel-Rops geboten wird. Es ist erstaunlich, mit welch sicherem Griff der Verfasser, unter fast unmerkbarer Berücksichtigung der neuesten Literatur, auch hier wieder seine Materie beherrscht und sie in leicht faßbarer und doch niemals oberflächlicher Weise verständlich macht, indem er die Leser an das typische Klimat der Bibel gewöhnt. Wie in allen allgemeinen Einleitungswerken kommen nicht nur die üblichen Themen, wie Bibeltext, Kanon, Inspiration, das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Testament, Bibelerklärung usw., zur Sprache, sondern auch die biblische Umwelt, das biblische Geschichtsbild und die literarischen Gattungen. Dabei strahlen alle diese Erläuterungen wie in einem neuen Licht, weil der Verfasser als Literarhistoriker und als tiefgläubiger Mensch gerade für die menschlichen und ewigen Werte dieses meistgelesenen Buches ein offenes Auge hat. Die Abschnitte über die „Schönheit der Bibel”, über „Bibel und Theologie”, den „Sinn der Geschichte nach biblischer Ansicht”, die Bibel mit dem Herzen verstehen, mit der Bibel beten und die Bibel als Gebet der Kirche, wirken besonders in unserer Zeit erfrischend und anregend. Die Uebertragung ist nicht nur technisch-wissenschaftlich einwandfrei, sondern hat auch die fromme Gesinnung im Ton und Stil vorzüglich eingefangen.

Die apokryphen Evangelien des Neuen Testamentes. Herausgegeben von Henri Daniel-Rops. Deutsche Uebertragung von Oswald N o s t i z, in Zusammenarbeit mit H. H. J. Tyciak. Verlag der Arche, Zürich. 301 Seiten. Preis 12.80 DM.

Es ist sicher, daß diese Schriften, die nicht kanonisch sind, nichts zur Offenbarung beitragen. Darüber läßt der Herausgeber keinen Zweifel bestehen. Zum größten Teil sind es fromme Legenden, von denen man sogar noch Spuren in den liturgischen Texten entdeckt und die vor allem die religiöse Literatur und die bildende Kunst beeinflußt haben. In diesem Zusammenhang verdienen die „Taten des Paulus und Thekla”, die einen historischen Kern habet) dürften,, genauere Beachtung. Diese, Schrift Jiat nicht nur die christliche Literatur des Ostens (vergleiche Patrol, graeca, 145, 853: F. X. Pölzl: Der Weltapostel Paulus, 1905) und des Westens (C. Holzhey: Die Thekla-Akten, 1905: D. A. Stracke in: Ons Geestelijk, Erf 14, 1941, S. 332 ff.) befruchtet, sondern vor allem die bildende Kunst (E. Dobschütz: Der Apostel Paulus, II: Seine Stellung in der Kunst, 1908). Eine der schönsten Darstellungen ist das Bild von Holbein dem Aelteren (Galerie Augsburg), das die junge Thekla darstellt, wie sie einer Predigt des Paulus lauscht.

Die Uebersetzung ist korrekt und fließend, nur haben die Bearbeiter sich sowohl in den Erläuterungen wie in der Bibliographie zu einseitig an das französische Original geklammert. „Ludolphe le Chartreux”, der Verfasser des bekannten Leben Jesu, ist zum Beispiel niemand anderer als Ludolph von Sachsen. Uebrigens ist der Buchtitel nicht richtig, denn diese Ausgabe enthält nicht nur die apokryphen Evangelien, sondern auch eine ebenso große Auswahl aus den apokryphen Akten, Briefen und Apokalypsen sowie die Agrapha. Wenn der Verfasser, angesichts des geringen heutigen Interesses für diese Schriften, die er treffend „Jugendbücher des Christentums” nennt, fragt, ob unser Glaube „sein Feuer, seinen etwas kindlichen Charakter” verloren habe, möchte man antworten: Die neuzeitige, von der Liturgie und der Bibelbewegung genährte Spiritualität sucht vor allem das Wesentliche und Echte.

Geschichte des Alten Testaments. I. Band: Urgeschichte und Alter Orient. Textkritik und Sinndeutung. Von Claus Schedl. Mit 6 Karten und Textzeichnungen. Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien- München. 374 Seiten.

Die Bibelwissenschaft hat in den letzten Dezennien so ungeahnte Fortschritte gemacht, daß eine gründliche Umstellung notwendig geworden ist. Als der Tyrolia-Verlag im Jahre 1948 an den Verfasser herantrat, eine neue Ausgabe des bekannten Lehrbuches von Aemilian Schöpfer: „Geschichte des Alten Testaments” (6. Auflage, 1923) zu besorgen, nahm dieser das Angebot zwar an, aber die Bearbeitung zeigte sich derart grundverschieden, daß die Neufassung nicht mehr als Fortsetzung bzw. als 7. Auflage von Schöpfers Werk angesehen werden konnte. Wer diesen ersten Band aufmerksam studiert und ihn mit seinem Vorgänger vergleicht, bemerkt sofort, wieviel neues Material in den letzten Jahren hinzugekommen ist. Wir wissen nicht nur viel mehr über die bereits bekannten Völker, wie die Aegypter, Sumerer und Akkader, sondern auch bisher unbekannte Völker, Sprachen, Kulturen und Religionen wurden entdeckt, die sowohl das allgemeine Gesichtsfeld erweitern als auch das Verhältnis Israels zur Umwelt in ein neues Licht stellen und gleichzeitig eine gründliche Revision der Bibelerklärung erfordern. Auch die Bibelkommission hat ihre „Defensivstellung” vom Jahre 1909 teilweise aufgegeben und nach der Bibelenzyklika „Divino afflante spiritu” (1943) in ihrem Brief an Kardinal Suhard „der offenen Diskussion” freiere Bahn gelassen (1948). Die katholische Exegese mußte sowohl die früheren Konkordanztheorien als auch eine zu einseitig vergeistigte Interpretion aufgeben, weil sie zum Beispiel im Zuge eines besseren Verständnisses der altorientalischen Stilgesetze und der prophetischen Geschichtsschreibung in der Lage war, in ihren Texterklärungen dem Wortlaut wie dem göttlichen Inhalt (den Grundwahrheiten der Heilsgeschichte) gewissenhafter Rechnung zu tragen. Dazu kamen dann noch die positiven Wissenschaften, insbesondere die Atomphysik, deren Ergebnisse auch von der Exegese, zum Beispiel über den Kosmos als zeitlich begrenztes Komplex, über die Abstammung des Menschen und die älteste Chronologie (Karbonprobe) berücksichtigt werden mußten. All diese und sonstigen Fragen der Genesis, wie Paradies, Lebensbaum, Schlange, Sün denfall, Sündflut, Turmbau usw., finden in diesem Werk eine eingehende Behandlung. Die verschiedenen Erklärungsversuche werden objektiv dargestellt und einer sachlichen Kritik unterzogen, dann wird, unter Berücksichtigung gewisser Stileigentümlichkeiten und außerbiblischer Parallelen, der Wortlaut erklärt, worauf jeweils eine biblisch-theologische Zusammenfassung folgt, welch letztere vielleicht durch genauere Formulierung gewinnen könnte. Besondere Anerkennung verdient die Sorgfalt, die der Chronologie und der Zahlensystematik gewidmet ist, aus denen der Verfasser den richtigen Schluß zieht: „daß jeder apologetische Versuch, die Jahreszahlen der Bibel als chronologische Angaben zu fassen, notwendig scheitern muß”. Im zweiten Abschnitt behandelt er jeweils die Länder, Bewohner, Geschichte, Kultur, vor allem die Religion und, wenn nötig, die Schriften und die (teilweise erst kürzlich entdeckten bzw. entzifferten) Sprachen des alten Orients, unter denen die Schrift, Sprache und Literatur von Ugarit an erster Stelle stehen. Dabei stellt sich die erstaunliche Tatsache heraus, daß die Volkwerdung Israels im 2. Jahrtausend nicht in eine schriftlose Zeit fällt, weil im damaligen Palästina fünf Schriftsysteme nebeneinander im Gebrauch waren. Wir können in dieser allgemeinen Besprechung von kleineren Mängeln (Druck- und Transskriptionsfehlern) und von gewissen Ansichten des Verfassers Abstand nehrrfen, die eine nähere Ueberprüfung verdienen, zum Beispiel die Frage, ob es vielleicht doch zwei biblische Schöpfungsberichte gibt, welche Meinung in jüngster Zeit auch von katholischen Exe- geten, wie Messenger, teilweise Chaine und vor allem Lambert, vertreten wird. Nicht nur in diesem Zusammenhang, sondern auch im allgemeinen wird das Problem der Pentateuchquellen leider nur gelegentlich gestreift. Was uns jedoch am meisten beschäftigt, ist die Frage, für welchen Leserkreis das Werk eigentlich gedacht ist. Obwohl es eine sehr übersichtliche Einteilung aufweist und der theologischen Auswertung eine mehr als gewöhnliche Aufmerksamkeit widmet, verliert es durch seine breite Anlage — es ist im ganzen auf vier Bände berechnet —, durch die zahlreichen Anmerkungen, kleineren Exkursionen, auch über Nebenfragen, und die überaus reichen bibliographischen Angaben den Charakter eines landläufigen Lei..buchs, so daß man es nur mit gewissen Spezialkenntnissen richtig benützen kann. Anderseits ist es im allgemeinen so gut und anregend geschrieben, daß auch ein größerer Leserkreis sich gerne der Mühe des Einarbeitens unterziehen wird, um sich dann reichlich belohnt zu sehen. Vor allem unter dem Klerus, den Theologiestudenten und in Bibelkreisen wird es seine Interessenten finden.

Der bekannte Verfasser des wertvollen syrischlateinischen Wörterbuches zum Neuen Testament, Dr. Severin Grill, hat nun in seiner jüngsten Veröffentlichung: Das Neue Testament nach dem syrischen Text (Volksliturgisches Apostolat, Klosterneuburg-München 195 5, 120 Seiten) alle jene neutesta- mentlichen Stellen überprüft, die durch Heranziehung der syrischen Uebersetzung entweder textkritisch korrigiert oder exegetisch besser erklärt werden können. Den noch immer vielumstrittenen Text (Joh. 2, 4): „Quid mihi et tibi est mulier? nondum venit hora mea” übersetzt Grill auf Grund der Peschitto folgendermaßen: „Was für ein Unterschied besteht zwischen mir und dir? Ist nicht meine Stunde schon gekommen?” Exegeten, Theologen und auch Laien, die sich für das richtige Verstehen des neutestament- lichen Textes interessieren, werden diese Erläuterungen gerne benützen. Sie zeigen übrigens, daß Schlögels Schule noch nicht ausgestorben ist.

In seinem geistreichen Essav: Sankt Hieronymus, Schutzpatron der Uebersetzer, präsentiert Valėry L a r b a u d (Kösel-Verlag, München, 63 Seiten) den Vater der Vulgata nicht nur als Vorbild der Bibelübersetzer, sondern auch als Schutzpatron aller Uebersetzer schlechthin. Der Verfasser analysiert vor allem die Schrift des Hieronymus: „De optimo genere interpretandi”, die man zum Beispiel mit Luthers Darlegungen vom Dolmetscher vergleichen müßte. Obwohl Larbauds Aufsatz als erstes Kapitel eines umfangreichen Werkes bereits im Jahre 1946 erschienen ist, hat er auch, dank der vorzüglichen .deutschen Uebersetzung von Annette Kolb, nichts von seiner Frische und Eindringlichkeit eingebüßt.

Die Randbemerkungen zum Evangelium von Sören Kierkegaard (Kösel-Verlag, München, 122 Seiten) sind ein Muster jener „absoluten” Bibelerklärung, die gut bekannte Worte in ein völlig neues Licht rückt. Es spricht daraus eine „bewußte Einseitigkeit, die weit davon entfernt ist, billige Vereinfachung zu sein”, wie der Uebersetzer Fr. Hansen- Löve, der ebenfalls die Auswahl getroffen hat, richtig feststellt. Man erwarte hier keine landläufigen „Erklärungen”, sondern tatsächlich Randbemerkungen, die jedoch ebenso ernst zu nehmen sind, wie sie durchdacht und niedergeschrieben wurden.

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