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Nachricht vom Menschen

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GOTTES WORT IN UNSERE ZEIT. Weihnachtsseelsorgertagung 28. bis 30. Dezember 1966. Im Auftrag des österreichischen Seelsorgeinstitutes herausgegeben von Msgr. Erwin Hesse und Dr. Helmut Erharter. Verlag Herder, Wien. 144 Selten, S 70.—. — GOTTES STIMME IM KIRCHENJAHR. Liturgisch Meditationen. Von Josef B o m m e r. Rex-Verlag, Luzern-Mttnchen, 1967. DM 22.60.

Von zwei Punkten her suchte das II. Vaükanum den Ansatz zur Erneuerung der Kirche: vom ursprünglichen Zeugnis des Glaubens und der Verkündigung der Heiligen Schrift und von der Wirklichkeit das Menschen und der Welt heute her. Diese beiden Pole bestimmten auch das Thema der Weih-nachtseelsorgertagung 1966, das der Predigt gewidmet war: Gottes Wort än unsere Zeit. Im gleichnamigen Sammelband wurden nun die Referate dieser Tagung samt Auszügen aus der Diskussion veröffentlicht.

Die ersten drei Beiträge von M. Zerwick, N. Lohfink — beides Professoren am päpstlichen Bibel-institut in Rom — und W. Beilner, Professor für neutestanientdiche Exegese an der Universität Salzburg, beschäftigen sich mit dem ersten Pol, der Heiligen Schrift. M. Zerwick gibt einleitend einen Überblick über die Fragestellungen und Voraussetzungen heutiger Schriftauslegung. Dabei macht er mit aller wünschenswerter Deutlichkeit klar, daß die Schrift Sammlung der jeweils sich ändernden Verkündigung der Frohbotschaft bis ungefähr zum Ende des ersten christlichen Jahrhunderts ist. Diese Verkündigung geschah in drei Hauptphasen: durch Jesus von Naza-reth, durch die Predigt der Apostel und schließlich durch unsere Evangelien, die nicht Beschreibung, Biographie des Lebens Jesu sind, sondern „gedeutetes Jesuswont und gedeutete Jesustat“, gedeutet im licht der Auferstehung und verständlich gemacht für einen Hörerkreis, für den das Jesusgeschehen schon zwei Generationen zurücklag.

Ist das Werden des Neuen Testaments schon ein geschichtlicher Vorgang, so erst recht die Enitstehung des Alten Testaments. Dem geht N. Lohdärak in seinem Referat „Werden und Botschaft des Alten Testaments“ nach. Er sieht die „Botschaft“ nicht losgelöst vom „Werden“, sondern stellt heraus, daß die Botschaft in jenem immer neuen Zeugnis liegt, das Israel im Läufe der Geschichte vom Handeln Gottes gibt. Eine grundlegende Rolle spielen die Heilstat der Heraiisführung aus Ägypten und der Sinaibund zwischen Jahwe und Israel. Von diesen beiden Heilstaten der Vergangenheit lebt Israel, bis es, bedingt durch die politische Katastrophe der babylonischen Gefangenschaft, seinen Blick in die Zukunft wandte. In dieser Zukunftserwartung wurde der Horizont für das Christusgeschehen errichtet. In sehr klarer Sprache gibt Lohfink auf diesem geschichtlichen Weg einen Zugang zum Alten Testament, der natürlich bei manchem Leser traditionelle Vorsteäil-un-gen zerstören mag. Deutlich wird, wie schon bei Zerwick, daß die Schriften des Alten und Neuen Testaments nicht Tatsachenberichte sein wollen, sondern immer neue und aktuelle Verkündigung der Heilsbotschaft.

„Die Osterbotschaft als Mitte des Neuen Testaments“ behandelt schließlich W. Beilner. Es geht ihm darum, von der Auferstehung her eine Theologie des Neuen Testaments

in nuce zu entwerfen. Dieser Versuch ist bedenkenswert und insofern auch richtig, als alle Verkündigung im Neuen Testament von der Begegnung mit dem Auferstandenen her geschieht. Dabei ist aber nicht zu übersehen, daß Beilner die Frage nach der Auferstehung selbst, ihrer Wirklichkeit und Bedeutung, wie sie heute sehr radikal in der evangelischen Theologie gestellt wird, schnell beiseite läßt und von der „realen Begebenheit der Auferstehung“ oder der „tatsächlichen Auferweckung“ spricht. Die Sprache der Schrift wird so nur selten auf den heutigen Hörer und seine Verstehenskatego-rien hin überschritten'. Das mag auch an der durch die Fülle des Themas notwendigen Kürze der einzelnen Punkte liegen.

Den anderen eingangs genannten Pol umreißt A. Görres, Professor für klinische Psychologie an der Universität München: „Der Hörer des Wortes und seine Situation.“ Ausgehend von der Tatsache großer Effektlosigkeit der Glaubensverkündigung nennt er mögliche Gründe — auf seilen der Botschaft, ihrer Vermittler und ihrer Hörer — für dieses Faktum. Die Diagnose, die Görres gibt, ist sicher auf den ersten Blick nicht ermutigend. Aber schon die wenigen Ansatzpunkte zu einer „Therapie“ zeigen, daß die Aufgabe des Predigers, die Situation des Menschen heute zu treffen, nicht unlösbar ist.

B. Dreher, Professor für Religionspädagogik und Homiletik an der Universität Bonn, faßt schließlich das Gesagte speziell für die Erfordernisse des Predigers zusammen. Er stellt heraus, daß die Predigt heute biblisch-exegetisch, kirchlich und existentiell-menschilich sein muß. Auf den letzten Punkt legt er besonderen Wert. Dreher nennt daher verschiedene Möglichkeiten für den Prediger, „Nachricht vom Menschen“ zu erhalten: moderne Dichtung, Psychologie, Soziologie, Anthropologie, wobei er Erstgenanntem besondere Bedeutung beimißt und dies an einigen Beispielen illustriert.

Die letzten beiden Beiträge von A. Stöger, Rektor der „Anima“ in Rom, und A. Höfer, Direktor des Religionspädagogischen Instituts in Graz, sind ganz der Predigtpraxis gewidmet und zeigen exemplarisch die Erarbeitung eines Bibeltextes (Stöger) und die Entstehung einer Homilie (Höfer).

Wie wichtig gerade die von A. Görres und B. Dreher betonte „Menschennähe“ des Predigers und des Predigens ist, zeigt die Sammlung liturgischer Meditationen von J. Bammer, „Gottes Stimme im Kirchenjahr“. Allein der Titel unterscheidet sich charakteristisch von dem der Seelsorgertagunig.

Ausgehend von den liturgischen Texten der Sonntage und Hauptfeste des Kirchenjahres (meist Evangelium oder Epistel) werden hier die entweder der Predigtvorbereitung, oder auch der privaten Lesung dienenden drei- bis vierseitigen „Meditationen“ dieser Texte vorgelegt. Zumeist gehen die meditativen Erwägungen von einer exegetisch

richtigen, auch gegenüber der heutigen evangelischen Exegese aufgeschlossenen Texterarbeitung aus. Weithin bleiben sie aber — und darin liegt ihre Schwäche — terminologisch und sachlich im „innerbiblischen Jargon“ stehen.

Die Meditation sollte den Brük-kenschlag von der exegetisch erarbeiteten historischen Aussageabsicht eines Textes zum Sitz der Botschaft im Leben des heutigen Menschen

leisten. Das gelingt Bornimer nur ansatzweise. Sicherlich ist aber die Texterklärung und die thematische Zusammenstellung von Schriiftstellen uniter dem Leitgedanken der Sonnoder Festtagsperikope als Grundlage der eigenen, aktualisierenden Meditation wertvoll. Letztere muß aber vom Prediger, der sich dieses Werkes bedient, unbedingt noch geleistet werden, da er sonst Gefahr läuft rettungslos am Hörer vorbeizureden. Und in dieser Hinsicht haben wir in der alltäglichen Predigtpraxis schon Beispiele in genügender Zahl.

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