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Der historische Jesus

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Viele Christen stellen hinsichtlich der Evangelien, des Hauptzeugnisses für Leben und Lehre Jesu, „die bange Frage: Wie sollen wir ein Buch verstehen, das rein äußerlich gesehen Geschichte referiert, dessen historischer Gehalt aber von den Fachleuten uns immer mehr fragwürdig gemacht wird?“ Genau hier will das vorliegende Buch einsetzen. Es will zeigen, daß zwischen Jesus und der ^ Jesusverkündigung in den Evangelien eine Kontinuität besteht, daß es nie jemand anderer als der geschichtliche Jesus selbst war, der durch die Evangelien in seiner Heilsbedeutung dargestellt wurde“ (S. 9). Seit R. Bultmann, der „aus der historischen Not eine theologische Tugend“ (W. Kasper) machte und die historische Frage bewußt alblehnte, ist die Frage nach dem historischen Jesus durch Bultmanhs Schüler neu erweckt worden. Zugleich tauchten düettantische Rekonstruktionen des historischen Jesus nach „eigenem Geschmack“ auf (Lehmann, Holl, Augstein).

Kurt Schubert, Inhaber des Lehrstuhles für Judaistik an der Universität Wien, will den irritierten Christen unserer Zeit aus seiner Wissenschaft eine Handreichung geben. Grundsätzlich erachtet er alle jene Traditionen für geschichtlich, die in den Evangelien milieugerecht referiert werden; so sieht er für die Polemik der judenchristlichen Gemeinde (des Mt) und des frühen Christentums das Fundamentum in re in der polemischen Auseinandersetzung, die schon Jesus selbst mit den Pharisäern geführt hat (S. 51). Die Überlegungen des A. kreisen um vier Themen: die Kindheitsgesehich-ten, Jesus und die jüdischen Religionsparteien seiner Zeit, Verhör und Prozeß Jesu, Auferstehung und leeres Grab. Viel diskutierte Themen, „heiße Eisen“!

„Die beiden Kindheitsgeschichten sind“ — nach dem V. — „eher Geschichtsdeutungen als geschichtliche Referate“ (37). Dazu wird bemerkt, daß die äußere Form der literarischen Darbietung noch nichts gegen seine eventuelle geschichtliche Tat-sächlichkeit besagt. Es wäre interessant, von der Judaistik zu erfahren, wie alt die Einwände des Talmuds gegen die Messianität Jesu (Jungfrauengeburt, Wundertätigkeit!) sind, ob sie nicht schon in den Kindheitserzählungen des Matthäusevangeliums eine Rolle spielen. Aus der umfangreichen, vielleicht zu weit ausholenden Abhandlung über das Verhältnis Jesu zu den Religionsparteien (41—137) werden wichtige Erkenntnisse über die Kontinuität des Selbstverständnisses Jesu und der nachösterlichen Christusverkün-digung und zwischen der Gemeinde des irdischen Jesus und der nachösterlichen Kirche gewonnen. Die christologischen Aussagen der Kirche über Jesus sind nicht ein mythologischer Überbau!

Als Ergebnis der religionsgeschichtlichen Betrachtung von Mk. 14, 55—64 (Verhör und Prozeß Jesu) wird in diesem Text „alte vormarka-nische Tradition“ gesehen, die die entscheidenden Elemente des Verhörs vor dem Synedrion in der richtigen Aufeinanderfolge aufbewahr und die Messiasfrage des Hohenpriesters, „wie wahrscheinlich gemacht werden konnte“, im originalen Wortlaut überliefert hat (162). Zur heutigen Diskussion über die Auferstehung Jesu wird festgestellt: „Nach allem, was dem anthropologischen Weltbild der Zeit und des Raumes, in dem die Botschaft von der Auferstehung Jesu entstand, erschlossen werden kann, wäre es nie zu einem Auferistehungskerygma gekommen, hätten die Auferstehungszeugen nicht die Überzeugung gehabt, daß sie ihre Begegnung mit dem Auferstandenen auch körperlich wahrgenommen hätten“ (178). Das viel bestrittene leere Grab ist historisch: denn unter Berücksichtigung der anthropologischen Vorstellungen des palästinensischen Judentums zur Zeit Jesu hätte sich die Botschaft von der Auferstehung Jesu in Jerusalem „keinen Tag lang halten können, wenn nicht tatsächlich ein leeres Grab gezeigt worden wäre“ (183).

Wenn man von einigen nicht erklärten Fachausdrücken absieht (z. B. Baraita), ist das Buch auch für Laien nicht schwer zu lesen. Der V. hat als langjähriger Referent im Rahmen der katholischen Erwachsenenbildung Erfahrungen gesammelt. Es ist zu wünschen, daß das Buch in viele Hände kommt

JESUS IM LICHTE DER RELIGIONSGESCHICHTE DES JUDENTUMS. Von Kurt Schubert. Verlag Herold, Wien-München. 200 Seiten, S 148.—.

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