Jesus vor Hohem Rat - © Foto: picturedesk.com / akg-images

Judenfeindliche Evangelien? Seit Luther falsch übersetzt

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Dass die Evangelien „judenfeindlich“ seien, gilt in exegetischen Diskussionen als Common Sense. Was aber, wenn markante judenfeindliche Aussagen im Neuen Testament schlicht falsch übersetzt wurden und werden?

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Dass die Evangelien „judenfeindlich“ seien, gilt in exegetischen Diskussionen als Common Sense. Was aber, wenn markante judenfeindliche Aussagen im Neuen Testament schlicht falsch übersetzt wurden und werden?

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Das Osterfest gedenkt des Todes und der Auferstehung Jesu. Während es für die Christen ein Heilsereignis ist, hat sich die theologische Deutung des Todes als vorsätzliche Tötung des Messias durch „die Juden“ beziehungsweise Vertreter des Judentums als Unheilsgeschichte für das Judentum erwiesen. Es scheint, dass man den biblischen Autoren hier eine Mitschuld geben kann.

Sehr früh im Markusevangelium wird von der Mordabsicht der Pharisäer berichtet (Mk 3,6): „Da gingen die Pharisäer hinaus und fassten zusammen mit den Anhängern des Herodes den Beschluss, Jesus umzubringen.“ Angesichts dieser frühen Erwähnung eines Tötungsvorsatzes ist dann zwar etwas erstaunlich, dass die Pharisäer und andere Vertreter des Judentums noch viele Kapitel des Markusevangeliums hindurch mit Jesus diskutieren, die Tötungsabsicht scheint aber von Anfang an festzustehen.

„Umbringen“ oder „loswerden“?

Die revidierte Einheitsübersetzung, die hier zitiert wird, mag zwar in dieser Frage mit anderen Bibelübersetzungen übereinstimmen. Philologisch ist das jedoch schlicht falsch. Das griechische Wort, das hier Verwendung findet, begegnet uns auch in der Parabel vom Verlorenen Schaf. Dem Hirten kommt das Schaf abhanden, wer würde hier auf die Idee kommen, dass der Hirte sein Schaf tötet? Natürlich kann man darauf hinweisen, dass das lateinische Wort, das zur Übersetzung verwendet wird (perdere), in Wörterbüchern des Lateinischen auch die Bedeutung „töten“ haben kann. Das ist allerdings bei weitem nicht die einzige Bedeutung.

Damit allein wäre gezeigt, dass die Entscheidung, hier mit „umbringen“ zu übersetzen, die Entscheidung der Übersetzer ist. Über den Sinn des griechischen Textes sagt das erst einmal wenig. Natürlich kann man auch anführen, dass die theologischen Standardwörterbücher für diese Stelle „töten“ als Wortbedeutung vorschlagen. Damit zeigen diese Wörterbücher jedoch nur, wie der Lexikograf den entsprechenden fremdsprachigen Begriff verstanden hat. Ob der Begriff richtig gefasst wurde, steht keinesfalls fest. Dass hier theologische Wörterbücher offensichtlich unfehlbarer als der Papst sind, ist ein Ärgernis und steht im Gegensatz zu einem wissenschaftlichen Umgang mit dem Neuen Testament.

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