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Ostern ohne Illusionen

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Zwentendorf oder Hainburg als Hintergrund eines Bildes, auf dem Frauen das leere Grab entdecken oder der Auferstandene Jüngern unterwegs „in der Au” erscheint — das würde viele vermutlich befremden, wenn nicht sogar verletzen. Ein solches Osterbild entspräche aber ganz der Darstellungsweise, wie Maler des Mittelalters biblische Szenen in ihre Zeit hineinstellten. Was die Kirche zu Ostern verkündet, ist zwar eindeutig an eine bestimmte Stadt und Zeit gebunden; es übersteigt aber zugleich diese geschichtliche Einbindung. Allerdings ist das nur dem verständlich, der sich für die desillusionie-rende und zugleich befreiende Wahrheit der Osterbotschaft öffnet.

1. Nicht wenige lehnen heute die Auferstehung Jesu ab, weil sie sich darunter etwas vorstellen, was sie mit ihrer modernen Sicht der Welt nicht vereinbaren können, nämlich ein mirakulöses Herauskommen des Auferstandenen aus dem Grab und ein erneutes, irdisches Auftreten für 40 Tage in dieser Welt. In der Bibel fehlt jedoch jede Schilderung der Auferstehung, und die Oster-evangeliensindVersuche.letztlich Unvorstellbares in der Sprache von damals anschaulich zu vermitteln (vgl. z. B. die unterschiedlichen Angaben über Himmelfahrt am Osterabend, Lk 24,50—53, bzw. nach 40 Tagen, Apg 1,3 ff.). Die Einsicht in die geschichtlich bedingte Sprache der Bibel mag manche einer vertrauten Vorstellung berauben. Sie macht aber letztlich den Blick frei für die wahre Sicht der Auferstehung.

Die Apostel verkündeten nämlich Jesu Auferstehung nicht etwa als seine Rückkehr in diese Welt, sondern als die endgültige Uberwindung des Todes. Diese aber übersteigt die Grenzen unserer raum-zeitlichen Welt.

Diese Wahrheit der Osterbotschaft vermag nur der zu erfassen, der die Grenzen menschlichen Erkennens eingesteht und dem Zeugnis der Apostel Glauben schenkt. Das „Wissen” um die Auferstehung Jesu ist daher verschieden von dem „Wissen” mathematischer oder physikalischer Lehrsätze.

Jesu Auferweckung ist zudem die des Sohnes Gottes, der Stammvater einer neuen Menschheit wurde (vgl. 1 Kor 15,21f.). Durch seinen Tod, der über das biologische Lebensende hinaus den Abstieg in die tiefe Dimension des Todes (Gottesferne, Hölle) bedeutete, hat Christus die ganze Menschheit aus ihrer unheilvollen Verstrickung in die Sünde befreit. Das Mysterium von Jesu Kreuz und Auferstehung deckt daher zugleich unsere wahre Situation auf.

2. Die Osterbotschaft legt 1985 die Wurzel dessen bloß, was viele von uns angesichts der Aussichtslosigkeit in Politik, Wirtschaft, Kultur und Kirche bewegt. Sie sagt uns nämlich als erstes: Der Auferstandene ist derjenige, den wir Menschen ans Kreuz geschlagen haben! Von den Frauen heißt es im Evangelium, daß die Kunde von Jesu Auferstehung bei ihnen Schrecken auslöste und ihnen die Sprache verschlug (Mk 16,8). Dies weist uns darauf hin, daß Jesu Auferstehung zunächst alle erschrecken muß: Wie können wir vor ihm, den wir aus dem Weg räumen wollten, bestehen? Verbannen nicht auch wir den Sohn Gottes aus unserem Leben?

Die Steigerung unseres Wohlstandes und die Erweiterung der Bildungschancen waren und sind weithin die einzigen Ziele.

„An den Tod zu denken, das bringt doch nichts ein”, sagte mir noch dieser Tage ein katholischer Akademiker. Die Oberflächlichkeit, mit der viele in den Tag hineinleben, muß jeden nachdenklich stimmen, falls er sich nicht, wie viele Künstler, über Leben, Sterben und Religion einfach auf geschmacklose Weise lustig macht.

Der Aufstand vornehmlich der Jugend gegen Hainburg und Zwentendorf (ob zu Recht, sei dahingestellt) ist jedenfalls ein Symptom, das alle Fortschrittsgläubigen und Träumer von einem irdischen Paradies sehr hellhörig machen muß für den ernüchternden Hintergrund der Osterbotschaft: Wir sind Sünder!

Die leibliche Auferweckung Jesu lehrt aber zweitens: Gott überläßt selbst eine solche Menschheit nicht einfach ihrem Schicksal; er ist mächtiger als unser Zerstörungswille. Durch die Errettung seines Sohnes schafft er für alle, die sich bewußt oder unbewußt zu ihm bekennnen, die Möglichkeit eines neuen Anfangs ihrer leibhaftigen Existenz (und nicht bloß ihrer „Seele”). Wer ah den Auferstandenen glaubt, erhält sogar jetzt schon Anteil an seinem göttlichen Leben, mag diese Lebensgemeinschaft auch erst am Ende der Zeit ihre Vollendung finden.

Die Herrlichkeit dieser neuen Schöpfung hängt daher wesentlich mit davon ab, inwieweit unsere Welt — auch unser Leib — heute schon von der österlichen Wirklichkeit erfaßt wird. Alles Bemühen um ein Weiterbestehen, eine dem Willen Gottes gemäße Fortentwicklung dieser Erde und den Menschen ist daher niemals umsonst (vgl. 1 Kor 15,58).

Von der Auferstehung Jesu her wissen wir, daß unser irdischer Tod wie auch der sichere Untergang dieser Welt letztlich umfangen sind von der lebensschaffenden Macht und Liebe dessen, der Jesus auferweckt hat.

Der Autor ist Vorstand des Institutes für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Universität Wien.

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