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AM DRITTEN TAG

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... in der zweiten Nacht, am ersten Sonntag: „Auferstanden von den Toten.“ Eine neue Reihe von Ordnungszahlen bestimmt die bleibende Ordnung des Heiles. Es ist gezählte Zeit, für die der „Tag“ das Maß ist. Zwar durfte „allein die Nacht wissen um Zeit und Stunde, da Christus von den Toten erstand“ (Exsultet der Osternacht), aber „Zeit und Stunde“ werden fortan dem Tag zugerechnet — bis zum „Tag des Herrn“. Nicht mehr die Nacht bestimmt und zählt, sondern der Tag. Und sein Name ist Sonntag, Tag des Herrn, Ostern: der dritte Tag.

Das ist Glaube an das Triduum sacrum, an das heilige Dreitagewerk, denn es erfolgt „gemäß den Schriften“. Die Auferstehung des Herrn ist tief im Heilsplan verankert. Wir kennen heute nur noch sehr dürftig die Zeugnisse, die in der urapostolischen Osterpredigt aus dem Alten Testament herangezogen wurden, aber das „gemäß den Schriften“ (1. Kor. 15, 4) erweist die Auferstehung des Herrn am dritten Tag als Krönung der Heilsgeschichte. Tatsache und Umstände der Auferstehung treffen so ein, wie sie vorgesehen sind im Plan Gottes. Der „dritte Tag“ ist kein Aufschub, keine Verspätung, sondern gehört zur „Pünktlichkeit“ Gottes. Er hat Tag und Stunde festgesetzt, da Er die Großtat der Erweckung wirken wollte. Gott ist sjch selbst getreu in Seinen Verfügungen, wahrhaftig in Seinen Worten. Die Auferstehung ist Erweis der Wahrheit Gottes. Auf den Tag und die Stunde genau trifft die Rettung ein. — So ist wohl jede Stunde eine Schickung Gottes, alles eher denn blind waltendes Schicksal oder Zufall. Die Auferstehung „am dritten Tag gemäß den Schriften“ hat es endgültig ans Licht gebracht — für solche, die im Glauben an das Triduum sacrum stehen.

Dem steht das Ärgernis am Triduum sacrum entgegen. Es rührt sich überall dort, wo die Tage und Nächte als Umwege gewertet, wenn nicht gar als zweifelhafter Ausweg aus einer Verlegenheit abgewertet werden. „Auferstehung — warum nicht gleich?“ Warum erst ein Ende vortäuschen, die Enttäuschung bis zum Defätismus steigern; es soweit „darauf ankommen lassen“? Warum nicht „Soforthilfe“, Selbstbezeugung in Macht und Herrlichkeit vor allen, die noch erstaunt, bestürzt, verwundert oder hohnlachend herumstehen? Rache nehmen an ihnen, den Mördern, den Lästerern, Besserwissern, oder wenn schon nicht Rache, so doch Abrechnung halten: „Seht, ihr Verächter, staunt und vergeht! Denn ich tue ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand nur erzählt“, so zitierte Paulus den Propheten Habakuk in einer seiner Osterpredigten (Apg. 13, 41).

Sind all diese Aufschübe in der Heilsgeschichte nicht eine Schwäche Gottes, ein unverständlicher, wunder Punkt in seinem geschichtlichen Konzept? Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten und so fort im Leben der Kirche ... ? Warum läßt sich Gott Zeit; warum läßt er sich überhaupt auf Zeit ein? (In dem Sechstagewerk der Schöpfung nimmt diese Zeit Gottes ihren Anfang, und damit das Ärgernis, das bis zum Ende der Tage alle wissenschaftlich aufgeklärten Köpfe beunruhigt.) Hat nicht das Urchristentum schon unter der „Verzögerung“ der Parusie gelitten? Erst wer das Ärgernis überwindet, kann in den Sinn der Zeit Gottes eindringen. Das Triduum sacrum zeigt, daß durch die Erlösung Zeit nicht aufgehoben und daher der zukünftige Äon nicht schon voll da ist; vielmehr ist Zeit verwandelt: Nicht mehr der Sabbat gilt, sondern der dritte Tag, der Sonntag; nicht mehr die Alte Zeit des Bundes, sondern die Neue Zeit der Kirche. Darum hat auch Kirche wesentlich mit Zeit zu tun. Sie lebt nicht geschichtslos, nicht ohne Zusammenhang mit der Welt, in der sie steht. Wann immer sich Kirche dieser zeitgeschichtlichen Situation bewußt wird, erlebt sie neu das Ostergeheimnis.

So auch in diesem Konzilsjahr 1962. Ostern und Konzil gehören zusammen. Im Glauben an das Triduum sacrum fühlen wir uns den neuen Zeiten verpflichtet. Es ist österlicher Optimismus, der uns dazu Mut macht. Denn das Konzil sind wir! Alle, die mit Christus auferstanden sind und sich zu Ihm, dem Herrn der einen Kirche, bekennen, bilden jene Gemeinschaft, die sich durch Papst, Bischöfe und andere Repräsentanten vertreten und geführt wissen darf. Zwar tritt für ungeübte Augen die Vertretung aller Stände in der Kirche noch zuwenig sichtbar in Erscheinung. Man wünschte sich eine deutlichere Repräsentanz der Laien, des Brüderlichen in der Kirche, das auch durch außerkatholische Gemeinschaften mitbestimmt wird. Denn Einheit ist nicht nur Resultat der Organisation, sondern eine organische Größe, die nicht verkürzt werden darf. Ist doch der ganze Christus auferstanden und ins Fortleben getreten. -Anderseits sind wir aber doch „in Christus“ auferstanden, das heißt in Ihm zusammengefaßt als dem Haupt. Wenn also unsere kirchlichen „Oberhäupter“ (der Ausdruck gehört vielleicht revidiert) uns zusammenfassend vertreten, dann hat das natürlich seinen übernatürlichen Sinn. Nur ist es eben nicht jedermanns Sache, dies zu sehen, und beim Stand der heutigen „Öffentlichkeit“ (die doch nicht nur Produkt ökonomischs-- Verhältnisse sein wird...) dürfte die Kirche auch eine letzte Offenheit nicht scheuen.

Wie dem immer sei, es gilt: Das Konzil sind wir — die Kirche. Vielleicht ist dieses Bewußtsein noch nie so stark gewesen wie vor diesem einundzwanzigsten Konzil, das im

Oktober dieses Jahres beginnen wird. Wir hoffen zuversichtlich, daß sich dieses Bewußtsein nicht mehr abschwächen wird. — Da wir es sind, die Kirche im ganzen, sind wir auch alle in die Verantwortung für die „österliche“ Begegnung mit unserer Zeit einbezogen. Also: an der Zeit und Welt nicht Ärgernis nehmen, sondern sie im Glauben übernehmen! Nicht am Stillstand verzweifeln, sondern auf den Fortgang sehen! Ostern bezeugen!

Tn dieser Sicht scheinen für die Kirche des Konzils zwei Aufgaben vordringlich zu sein: Ostern im Leben und Leben mit österlichen Menschen.

Ostern im Leben: Das ist Bekenntnis zum dritten Tag, zum Sonntag! Er ist immer ein kleines Osterfest (sofern hier „klein und groß“ überhaupt noch einen Sinn haben). Die Kirche wird nicht allein mit sozialen Programmen gemacht, sondern sie wird wunderbar erneuert durch die heiligen Mysterien. Am Sonntag zeigt sich die Gemeinschaft derer, die mit Christus auferstanden sind. Sie will das erste Triduum sacrum vergegenwärtigen, teilnehmen an den Großtaten Gottes durch Jesus Christus. Sie will! Wie weit kann sie das? Man möchte fast sagen: Wie weit wird es ihr technisch ermöglicht, mit Herz und Sinn dabei zu sein? Genügen hier Vorbeter, Dolmetscher, Funktionäre, die mit der Orgel und mit den Glocken spielen? Ist das Wort nicht selbst unter uns, das Wort, das Fleisch geworden ist? Darum nach wie vor (und trotz allem, was es dagegen schon zu sagen gibt): Reform der Liturgie! Ostern heute! Volkssprache oder nicht — es gibt auch noch andere wichtige Fragen. Wird hierüber von oben her entschieden, so kann unser Beitrag zur Erneuerung des Sonntags in dem gemeinsamen Mahl vom Altar bis zum Eßtisch daheim bestehen, in der gleichsam kultischen Sichtbarmachung der Kirche im kleinen, das ist der Familie. An alle ergeht die österliche Bitte, Ostern im leben yurückzugeben.

Die zweite Aufgabe: Leben in der Gemeinschaft mit öster-liehen Menschen. Nicht nur der Sonntag ist Ostern, sondern jedes Sakrament stellt die siegreiche Heilstat Gottes in die Welt. Wo immer es Menschen gibt, die Sakramente feiern — unter ihnen das grundlegende und einzigartig entscheidende^ die Taufe vor allem —, sind sie unsere Christenbrüder. Unfc verbinden nicht zuerst oder zuletzt Gesetze und Positionen, sondern Tatsachen. Die Tatsache der Auferstehung ist uns gemeinsam. „Oder wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Jesus Christus getauft wurden, auf Seinen Tod getauft sind? Wir wurden also mitbegraben mit Ihm durch die Taufe auf Seinen Tod, damit so, wie Christus auferweckt wurde von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln?“ (Rom. 6, 4. 5). Die Taufe wurde in der erneuerten Osterliturgie wieder eindeutig sichtbar gemacht. Lassen wir uns von diesem gemeinsamen Heilszeichen bewegen zur Gemeinschaft mit allen österlichen Menschen. Im Abendmahlssaal war gewiß die erste Hierarchie versammelt, als der Herr am Abend des Ostersonntags erschien, aber es gehörten nicht minder auch die anderen Jünger zur österlichen Gemeinde. Auch hier gibt es „Tag und Stunde“ für die Offenbarungin des erhöhten Herrn.

Us ist nicht immer Zeit für alles. Selbst die Kirche hat nicht immer Zeit für die Realisierung aller Möglichkeiten. Aus dem Triduum sacrum hat sie gelernt, mit Zeit zu rechnen wie mit einer kostbaren Gabe. - Beim ersten Vatikanischen Konzil war manches noch nicht reif, was inzwischen zeitig geworden ist. Das „Jahrhundert der Kirche“ aber war durch dieses Ereignis angekündigt worden. Ist, es nun soweit? Wir wissen es nicht; doch es deuten Zeichen darauf:hin, daß Christus, der Herr, aufersteht im Glauben der Christen. In diesen Osterglauben können wir die gegenwärtige Situation zusammenfassen. Der Auferstandene ist die Mitte der Brüder. Das zweite Vatikanische Konzil kann im Osterlicht erstrahlen.

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