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DIE PROVOKATION DER AUFERSTEHUNG

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Die Auferstehung ist keine Wahrheit, die leicht anzunehmen ist. Nicht umsonst hat die Offenbarung viele Jahrhunderte gebraucht, um ihre Verbreitung vorzubereiten und das traditionelle jüdische Mißtrauen (repräsentiert von den Sadduzäern) gegenüber allen Hypothesen abzubauen, die auf ein Leben nach dem Tod schließen lassen.

In der griechischen Welt ist die Schwierigkeit eine andere. Da gibt es eine Tendenz, an das Weiterleben des Geistes zu glauben, die ihren deutlichsten Ausdruck in der platonischen Lehre von der Unsterblichkeit der Seele findet. Aber es gibt auch eine starke Geringschätzung der Materie und alles Körperlichen, so daß es schwierig wird, sich vorzustellen, daß die vom Fleisch „befreite" Seele wieder in ihr Gefängnis zurückkehrt, und noch schwieriger, in dieser Rückkehr etwas zu sehen, was Herrlichkeit und Freude bedeutet.

Paulus wird die griechische Abneigung gegen dieses Element der Botschaft des Evangeliums bei seinem spektakulären Mißerfolg auf dem Areopag in Athen schmerzlich erfahren (Apg 17,32).

Die moderne Denkweise scheint das Mißtrauen der Sadduzäer und das der Griechen summiert zu haben. Der Mensch von heute ist ein „Laie" wie Sokrates, ohne jedoch seinen scharfen Sinn für die Realität des Geistes zu besitzen, und er ist ein Materialist wie die alten Juden, aber ohne ihr Vertrauen auf einen gerechten Gott und Herrn aller Dinge.

Daher stellt der christliche Glaube in diesem Punkt eine „Provokation" dar und kann nicht so einfach angenommen werden. Wenn wir auch jeden Sonntag so leichthin bekennen: „Ich erwarte die Auferstehung der Toten", so ist es doch notwendig, daß jeder die Echtheit dieser Überzeugung prüft und sich jedesmal wieder von neuem ihres bestürzenden Inhalts bewußt wird.

Der theologische Grund unserer Auferstehung ist unsere Verähnli-chung mit Jesus, dem Herrn. Gerade weil Christsein „in Christus" sein bedeutet - gemäß der einprägsamen Formel des heiligen Paulus - und daher voll und ganz teilzunehmen an seinem Schicksal als Sohn Gottes, der durch das Kreuz in die Herrlichkeit des Vaters zurückkehrt, ist die „christliche" Existenz selbst in ihren wesentlichen Komponenten die Ursache für die vollständige Wiederherstellung unserer Personalität.

Unsere Verähnlichung mit Christus beginnt mit dem Leben des Glaubens; deshalb heißt es: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt" (Joh 11,25). Und sie findet ihre höchste Bestätigung in der Teilnahme am eucharistischen Geheimnis; daher lehrt uns Jesus: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwek-ken am Letzten Tag" (Joh 6,54).

Wie man sieht, ist unsere Verherrlichung vom Grad der erreichten Gleichförmigkeit mit dem auferstandenen Christus abhängig, und sie läßt - was auf den ersten Blick erstaunlich sein mag - ein Mehr und ein Weniger zu. Ein Mensch wird sozusagen umso mehr auferstanden sein, je größer seine Gleichförmigkeit mit dem Erstgeborenen durch den Glauben, die Hoffnung, die Liebe und die Teilnahme an den göttlichen Geheimnissen gewesen ist.

,,Alle werden mit dem eigenen Leib, den sie hier tragen, auferstehen" -sagt das vierte Laterankonzil. Das ist eine kategorische Behauptung, aber im Grunde ist es nichts anderes als die Lehre der Heiligen Schrift: „Vom Himmel habe ich sie (diese Glieder) bekommen, und wegen seiner Gesetze achte ich nicht auf sie. Von ihm hoffe ich sie wiederzuerlangen", sagt der dritte der sieben Brüder vor seinem Martyrium in der Erzählung des zweiten Makkabäerbuches (7,11). Und Paulus: ,£)ieses Vergängliche muß sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit

Unsterblichkeit" (1 Kor 15,53).

Christus selbst - Archetyp der Menschen, die aus dem Tod wiedergeboren werden - nimmt aus dem Grab wieder denselben Leib mit, den er auf Kaivaria geopfert hat. Im übrigen offenbart die Hypothese einer Auferstehung mit einem anderen Leib eine Vorstellung vom Menschen, die wir nicht einmal auf der Ebene einer rein rationalen Anthropologie akzeptieren können.

Eine solche Hypothese setzt nämlich voraus, daß die Seele im Leib steckt wie ein Schwert in der Scheide und daß sie, wie das Schwert, ruhig das Futteral wechseln kann, ohne dadurch sich selbst zu verändern.

Nach christlicher Auffassung hingegen ist die Seele die „Wesensform" des Leibes; das bedeutet, daß Seele und Leib nicht zwei verschiedene und nebeneinander bestehende Wirklichkeiten sind, sondern zwei einander ergänzende Prinzipien, die in ihrer innigen Verbundenheit und Einheit den Menschen ausmachen. Mehr noch, wir glauben mit dem heiligen Thomas annehmen zu müssen, daß die Geistseele die einzige „Wesensform" des Menschen ist, so daß die aufgestellte Hypothese uns nicht nur theologisch falsch, sondern auch philosophisch absurd zu sein scheint: Wir werden nicht nur mit unserem eigenen Leib auferstehen, sondern wir können gar nicht mit einem anderen Leib auferstehen.

Wenn auch die Tatsache der Identität des Leibes außer Diskussion steht, so ist doch sehr umstritten, wie diese Identität zu verstehen ist. Die einfachste Lösung besteht wahrscheinlich darin, sich zu vergegenwärtigen, daß jenes geistige Prinzip, das den Menschen in seiner Gesamtheit beseelt, auch der wahre Grund für die Identität seines Leibes ist. Dasselbe geistige Prinzip, das aus jedem Menschen etwas Einzigartiges und Einmaliges im ganzen Universum macht, bestimmt auch die Tatsache, daß dieser Leib mein ist und daß er ganz allein nur für mich bestimmt ist.

Da die Seele die „Wesensform" des Menschen ist, erweckt sie, wenn sie sich mit einer Materie verbindet, stets denselben Leib zum Leben, so daß die Identität unseres Leibes unser ganzes Leben lang immer bewahrt bleibt, trotz des ständigen Wechsels der materiellen Elemente. So verstanden - und wahrscheinlich ist es gar nicht möglich, die Sache anders zu verstehen -löst die Lehre von der Identität des Leibes mit einem Schlag alle Schwierigkeiten, die sie auf den ersten Blick selbst aufzuwerfen scheint. Der Autor ist Erzbischof von Bologna. Auszug aus dem Buch: DIE FRAGE, DIE WIRKLICH ZÄHLT. Was kommt nach dem Tod? Von Kardinal Giacomo Biffi. Verlag Styria, Graz-Wien-Köln 1993, 128 Seiten, öS 148,-.

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