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Signal der Hoffnung

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Das Dogma, das Papst Pius XII. vor fast 30 Jahren feierlich formuliert hat, erscheint dem Christen von heute seltsam lebensfern und widerständlich zu sein. Das beginnt bereits bei der Sprache: Hat die Rede von „Leib und Seele“ nicht einen anthropologischen Dualismus im Gefolge? Setzt .Aufnahme in den Himmel“ nicht ein Weltbild voraus, das längst überholt ist?

Bedeutsamer aber scheint der Umstand zu sein, daß der Christ von heute andere Probleme, andere Fragestellungen hat. Da erscheint es als belangloser Traditionalismus, wenn die römische Glaubenskongregation noch vor wenigen Jahren in einem vom Papst ausdrücklich gebilligten Dokument gerade diesen Satz bekräftigt; zumal nicht gesagt wird, worin seine Bedeutung für heute besteht.

Die Problematik, die sich geltend macht, betrifft freilich nicht diesen Glaubenssatz allein. In einer Zeit des geistigen Umbruchs sind alle Artikulationen unseres Glaubens davon betroffen. Wie auch in der Vergangenheit muß er in die neuen Denkformen übersetzt werden. Das ist ein ebenso schwieriges wie notwendiges Geschäft, von dem weder die Kirche als Ganze noch der einzelne gläubige dispensiert werden kann.

Ehe wir versuchen, Perspektiven zu finden, die eine neue Sicht auf jenes Dogma ermöglichen, sollten wir uns in Erinnerung rufen, daß Glauben zu keiner Zeit einfach und „windschlüpfrig“ gewesen ist. Stets wird der ganze Einsatz des Menschen erfordert. Das war zu Zeiten der Apostel nicht anders als heute.

Wir finden am leichtesten einen Zugang zu diesem geheimnisvollen Dogma, wenn wir vom letzten Satz unseres Glaubensbekenntnisses ausgehen. Dort bekennen wir, daß wir ein „ewiges Leben“ erwarten. Damit meinen wir genau das gleiche wie Pius XII., wenn er vom Himmel spricht.

Ewiges Leben - das ist Gemeinschaft mit Gott, das ist bleibende Existenz im Leben des Dreieinen. Dieser Satz steht im dritten Artikel des Credo. Er handelt vom Heiligen Geist und seiner Wirkmächtigkeit.

Leben bei Gott ist-also ein geistiges, ein pneumatisches Geschehen. Von da verbietet sich jede Spekulation über das Wie der jenseitigen Existenz. Wir wissen nur, daß der ganze Mensch bei Gott ist. Eben dies wird in traditioneller Sprache mit dem Begriff „Leib und Seele“ ausgesagt.

Der dritte Artikel ist nicht denkbar ohne den zweiten, der das Christusgeschehen zum Inhalt hat. Denn der Geist ist der Geist Jesu Christi, der von dem nimmt, was der Sohn ihm gibt. Ewiges Leben hängt also ab vom Maße der Gemeinschaft, die einer mit Christus hat. Leben ist Leben mit Christus, durch ihn und in ihm.

Es ist unbestrittene Tradition nicht nur der römisch-katholischen und der orthodoxen Christenheit, sondern in zunehmendem Maße auch

Erkenntnis im reformatorischen Raum, daß die Mutter des Herrn in einer einzigartigen Nähe zu ihrem Sohn gestanden ist. Sie beruht nicht in erster Linie auf ihrer biologischen Rolle, sondern auf dem Glauben und der Liebe, die sie Gott gegenüber an den Tag legte.

Dieser Glaube zeigt sich in der deutlichsten Weise im Ereignis der Verkündigung; die Liebe kommt in ihrer ganzen Restlosigkeit unter dem Kreuz auf Golgata zum Ausdruck. Auf Grund dieser Tatsache hat die klassische Theologie Maria als Vor-und Urbild der Kirche erkannt. Sie erinnert sich dabei an die paulinisti-sche Definition des Christseins, wonach derjenige zu Christus gehört, der „mit ihm ist“. Niemand hat das so tief getan wie die Mutter.

Bedenkt man dies, so verschwindet die Widerständlichkeit des Dogmas. Es erscheint von einer inneren Theo-Logik. Auch wenn kein Wort davon in der Heiligen Schrift steht, folgt es doch ihrem inneren Duktus. Wenn ewiges Leben von der Gemeinschaft mit Christus abhängt, dann kommt es keinem Menschen so zu wie Maria. Sie ist in der Tat bei Gott.

Unsere Reflexion zeigt aber auch den Lebenswert des Geheimnisses. Mariae Himmelfahrt - das ist die Ansage davon, daß Gottes Verheißungen keine Utopie, sondern Realität sind.

Vielleicht verstehen wir, daß gerade der barocke Mensch das hier angedeutete Geschehen immer wieder dargestellt hat. Er lebt in einer seltsamen Gebrochenheit des Lebensgefühls. Sein himmelhochjauchzender Jubel schlug nur zu gern um in schieren Pessimismus. Daß in Gott Leben für uns ist, ließ ihn seine Situation aushalten.

Sind wir nicht heute in mancher Hinsicht vom gleichen Schicksal betroffen? Der naive Optimismus des gewohnten Fortschrittsglaubens ist uns gründlich vergangen. An seine Stelle ist eine erschreckende Rich-tungslosigkeit getreten. Die Frage nach dem Sinn des Lebens kristallisiert sich - nicht nur bei jungen Menschen - immer deutlicher als entscheidende Frage dieses endenden Jahrhunderts heraus.

Gegen diese Resignation ist der Satz von der Verherrlichung Mariens ein Signal der Hoffnung. Wider die Verzweiflung wird uns ein Ankerplatz für unsere Hoffnung gegeben.

Die Orientierung, die das Evangelium uns anbietet, ist kein ideologisches Programm, das neben so vielen anderen auf dem Markt der Möglichkeiten feilgeboten wird. Es weist eine Richtung, die wahrhaft zum Ziel führt. So wie das Leben der Mutter Christi in seinen Höhen und Tiefen eingeborgen wurde in die bleibende Treue Gottes, so wird auch das unsere mit seiner Not und seiner Freude, seiner Unsicherheit und seiner schmalen Hoffnung aufgenommen in die Ewigkeit. Gott hebt uns in allem und trotz allem, was wir sind.

Wir dürfen also auch heute in den verhaltenen Jubel einstimmen, der aus den Texten der Liturgie des Festes vom 15. August spricht. Maria ist „das große Zeichen“. Es weist darauf, daß Gottes Gnade siegreich bleibt -noch über unsere Vergänglichkeit hinaus.

(Der Autor ist Ordinarius für Systematische Theologie und Dogmengeschichte an der Universität Regensburg)

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