Leiden Mensch Probleme Depression - © Foto: Pixabay

Was ist der Mensch?

19451960198020002020

Sich einmal mit der eigenen Person oder Individualität auseinandergesetzt, gewinnt man Einsicht in die eigene Kontingenz. Ich bin vergänglich, nicht unendlich. Könnte mein Leben so oder auch ganz anders verlaufen? Ein Essay - entstanden im Rahmen des Schüler(innen)-Essay-Wettbewerbs "Theolympia".

19451960198020002020

Sich einmal mit der eigenen Person oder Individualität auseinandergesetzt, gewinnt man Einsicht in die eigene Kontingenz. Ich bin vergänglich, nicht unendlich. Könnte mein Leben so oder auch ganz anders verlaufen? Ein Essay - entstanden im Rahmen des Schüler(innen)-Essay-Wettbewerbs "Theolympia".

Werbung
Werbung
Werbung

Ecce Homo – seht den menschgewordenen Gott, das unergründliche Geheimnis der Liebe Gottes zur Welt. Gott liebt den Menschen. Nicht einen Ideal-Menschen, sondern den Menschen wie er ist. […] Gott wird Mensch, wirklicher Mensch. Während wir uns bemühen, über unser Menschsein hinauszuwachsen, den Menschen hinter uns zu lassen, wird Gott Mensch und wir müssen erkennen, dass Gott will, dass auch wir Menschen – wirkliche Menschen seien.“ (Dietrich Bonhoeffer, Ethik)

Wir sehen in den Spiegel und sehen uns. Mehrmals am Tag blicken wir prüfend auf glänzende Oberflächen. Um zu sehen, ob die Frisur noch sitzt, ob die Kleidung in Ordnung ist, ob die Haltung stimmt… Der Spiegel dient als Instrument der eigenen „Oberflächenkontrolle“ und signalisiert dadurch, ob das Bild, das wir von uns entworfen haben, stimmig ist oder korrigiert werden muss. Manchmal kann der Spiegel aber auch etwas ganz anderes sein. Wer einmal intensiv in den Spiegel geschaut hat, fragt sich: „Sehen mich andere so, wie ich mich sehe? Kann ich mich sehen, wie ich wirklich bin? Oder täuscht mir mein Auge nur das vor, was ich sehen will und verschließt mir, was wirklich ist?“ Der Spiegel, in dessen silbernem Schimmer wir uns vertraut sind, ist immer auch ein Ort der Erfahrung, wie fremd wir uns selbst und anderen bleiben.

Navigator

Liebe Leserin, lieber Leser,

Die FURCHE stellt den Theolympia-Gewinner(inne)n diese Plattform und Ihnen den Text kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Die FURCHE stellt den Theolympia-Gewinner(inne)n diese Plattform und Ihnen den Text kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Vor allem die westliche Welt bietet den Menschen heute eine Vielzahl an Idealen, Lebensstilen und Leitbildern, die jede und jeder von uns nachzueifern versucht. Die plurale Gesellschaft zeigt unzählige Deutungen des Menschseins auf. Der Mensch muss sich selbst Tag für Tag neu erfinden und erfährt dabei die Ambivalenz der Gestaltungsoptionen eigener Existenz als Abenteuer von Macht und Ohnmacht, freiem Willen und Bestimmung. Die eigene Biografie wird zur Lebensaufgabe gemacht. Niemand kann die Frage „Wer bin ich?“ für sich allein beantworten. Der Mensch erlebt sich als Individuum und Person durch die Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen. Nur durch zwischenmenschliche Kommunikation und Kontakte können wichtige Voraussetzungen für Selbsterkenntnis und Selbstfindung geschaffen werden.

Vor allem die westliche Welt bietet den Menschen heute eine Vielzahl an Idealen, Lebensstilen und Leitbildern, die jede und jeder von uns nachzueifern versucht. Die plurale Gesellschaft zeigt unzählige Deutungen des Menschseins auf.

Antonia Hoffmann

Sich einmal mit der eigenen Person oder Individualität auseinandergesetzt, gewinnt man Einsicht in die eigene Kontingenz. Ich bin vergänglich, nicht unendlich. Könnte mein Leben so oder auch ganz anders verlaufen? Welchen Sinn sehe ich, wenn ich dem Tod nicht ausweichen kann? Während die Frage nach der eigenen Identität ein typisches Phänomen der Neuzeit ist, ist die grundlegendere Frage „Was ist der Mensch?“ viel älter. Mit dieser Frage beschäftigten sich nicht nur Theologen und Wissenschaftler, auch Künstler, Schriftsteller und Psychologen versuchen seit Jahrtausenden das Menschsein zu deuten. Diese Deutung verändert sich ständig im Laufe der Zeit und das Bild des Menschen wandelt sich. So ein Bild, das wandlungsfähig und veränderlich ist, ist allerdings auch immer anfällig dafür, als Zweck einer Ideologie gestellt zu werden. Zu allen Zeiten hat sich das Bild vom Menschen im Missbrauch durch die Macht daher auch gegen den Menschen selbst gewendet.

Die christlichen Antworten auf die Fragen menschlicher Existenz fußen letztendlich auf der biblischen Botschaft. Denn die Erzählungen der Bibel entfalten Theologie nicht im luftleeren Raum, sondern erzählen von Gott im Leben der Menschen. Genesis 1 berichtet über die Erschaffung der Welt, die nicht als eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine religiöse Aussage über Gott und über die Welt, die er geschaffen hat, verstanden wird. Besonders der Mensch, sein Verhältnis zu Gott und die Vollkommenheit des göttlichen Werkes werden feierlich widergespiegelt. Deutlich wird die Erschaffung des Menschen hervorgehoben. Mit Weisheit und Liebe hat Gott ihn nach seinem Bild geschaffen und ihm die Schöpfung unterworfen. Sie soll dem Menschen gehorchen, er aber soll sie in der Ordnung Gottes verwalten. Als Geschöpf und Abbild Gottes hat jedes Individuum einen Wert und Würde, die unantastbar sind durch andere. Der Aspekt, dass Gott die Menschen als Mann und Frau erschuf, ergänzt und vervollständigt das Bild vom Menschen als Geschöpf Gottes. Die Gleichheit aller Menschen vor Gott lässt sich hieraus unmittelbar ableiten.

Die biblischen Schriften machen deutlich, dass Gott keine Untertanen wünscht, sondern freie Menschen, die aus der Erfahrung leben, dass im Vertrauen auf ihn Knechtschaft und Feindschaft zwischen Menschen und Völkern überwunden werden können. Doch das gelingt nicht immer. Manchmal laden sie Schuld auf sich, indem sie die Würde, die Autonomie und Freiheit anderer missachten. Die Bibel bezeichnet dieses Verhalten mit dem Wort Sünde. Dem entgegen hält Gott seinen unbedingten Vergebungswillen. Gott lässt keinen Menschen fallen und gibt auch darin ein Vorbild für den zwischenmenschlichen Umgang mit Schuld und Vergebung.

Gott schafft jeden Menschen nach seinem Bild. Einzigartig und unverwechselbar. Wir sind viel mehr als das, was uns unser Spiegelbild zeigt, mehr als das, wie wir uns sehen und wie andere uns sehen wollen. Es macht Mut, die Bilder, die wir und andere von uns haben, abzustreifen und so zu leben, wie Gott uns gedacht hat – wie sein Abbild.

Antonia Hoffmann hat mit diesem Essay - ex aequo mit Hanna Sonleithner - den ersten Platz beim zweiten "Theolympia"-Essaywettbewerb erreicht. Die 17-Jährige besucht das Gymnasium Sacre Coeur Wien.

Navigator

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 175.000 Artikel aus 40 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf über 175.000 Artikel aus 40 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung