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Theolympia: Warum die Frage nach Vernunft und Glauben im Alltag relevant ist

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Vernunft und Glaube stellen keinen Widerspruch dar, sondern einen Kitt, eine Ausstattung, das Leben und die Welt in die Hand zu nehmen. Ein Essay - entstanden im Rahmen des Schüler(innen)-Essay-Wettbewerbs "Theolympia".

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Vernunft und Glaube stellen keinen Widerspruch dar, sondern einen Kitt, eine Ausstattung, das Leben und die Welt in die Hand zu nehmen. Ein Essay - entstanden im Rahmen des Schüler(innen)-Essay-Wettbewerbs "Theolympia".

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Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. (Galileo Galilei)

Als ich vor ein paar Wochen von meiner Religionslehrerin verständigt wurde, dass wir als Religionsgruppe an einem Wettbewerb mitmachen würden, an dem Essaywettbewerb der Theolympia, war ich nervös aber auch neugierig. Es klang irgendwie spannend, neu, so etwas hatte ich noch nie gemacht. Also entschloss ich mich, nach kurzem Überlegen, mitzumachen. Innerhalb einer weiteren Woche erfuhren wir, mit welchem Thema wir uns befassen sollten. Die Frage, um die unser Essay kreisen sollte, ist weithin bekannt. Sie ist fundamental für die „moderne Theologie“ und Wissenschaft. Man wird nicht nur einmal damit konfrontiert in seiner Karriere als Schüler, unabhängig davon, welchen Schultyp man besucht. Vor allem in höheren Klassen beginnt man in den Fächern Philosophie und Religion davon zu lernen. Dass sie von diversen Wissenschaften behandelt wird, seit Jahrhunderten, steht auch außer Frage. Denn sie ist wichtig, wichtig für unser Leben.

Dabei bin ich vor allem von einer dieser Fragen besonders fasziniert. Mich interessiert die Bedeutung die sie hat, für uns Menschen und besonders für uns junge Menschen. Von ihr wird mein Essay fundamental handeln. Meine genaue Fragestellung dabei ist folgende: „Ist das Thema auch von Bedeutung, ist es wichtig für mich und andere Leute. Hat es mit dem Alltagsleben zu tun und warum ist dem so?“

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Wenn ich heute beginne meinen Essay zu schreiben, dann möchte ich dies nicht tun mit dem Hintergrund einer philosophischen Ausbildung - denn über eine solche verfüge ich nicht -, weder über Studium noch akademisches Vorwissen, sondern mit dem Hintergrund „Schüler“ und junger Mensch zu sein. Als jemand, der sich weder Dogmen noch Strukturen, Denkweisen oder Ideologien unterwirft, sondern als junger Mensch, der sich einzig von Interesse und Neugier leiten lässt. Ich möchte mich auseinandersetzen mit der so fundamentalen Frage der Theologie, aber auch der Naturwissenschaften: „Was ist Glaube und was Vernunft, gehen diese beiden als Geschwister einher, oder schließen sie sich grundsätzlich aus?“.

Auf einer für mich als Schüler zugänglichen Ebene und einer, die es auch Menschen ganz ohne Vorwissen, gläubig oder nicht gläubig, ermöglicht, ein wenig zu verstehen, mit welcher Fragestellung sich die größten DenkerInnen seit Jahrhunderten auseinandersetzen. Welch gegensätzliche Meinungen, Gedanken und Schriften sich dabei entwickelt haben und schließlich eine Lösung, nur jeder für sich individuell zu finden scheint.

Es ist schwierig geworden einen Überblick über die zahlreichen Meinungen zu bekommen, noch schwieriger ist es, sich bei all dem komplexen Strudel, dabei selbst eine zu bilden. Dennoch finde ich, dass zumindest einmal im Leben eine Auseinandersetzung mit diesem Thema unumgänglich ist. Ich möchte die Leser(innen) dieses Textes also vor diesem Hintergrund auf eine Reise mitnehmen, hier, in Form dieses Essays, in der das scheinbar verspiegelte Glas - des Glaubens und der Vernunft - am Ende schon ein wenig klarer wird, für mich und für die Lesenden, und die Abstraktion dieser Thematik durchbrochen und ein Nachdenken, im besten Fall ein Verstehen, für uns Reisende möglich wird.

Weder die Existenz Gottes, die Realität einer jenseitigen Wirklichkeit, ist es zu beweisen möglich. Noch ist es der Wissenschaft gelungen, Gott und ein Jenseits zu widerlegen.

Ich stelle also Fragen. Besser gesagt eine Frage, bei der mir wichtig war, dass sie so einfach wie möglich gehalten ist, aber einen breiten Beantwortungsspielraum offenlässt. Sie lautet: „Gibt es für dich einen Widerspruch zwischen Glaube und Vernunft oder bist du der Meinung, dass das eine das andere nicht ausschließt?“ Das Sample hat mit Wissenschaft nichts zu tun. Es sind Menschen in meiner Umgebung, die ich zur Befragung herangezogen habe. Ich achte nur auf die unterschiedliche Altersstruktur, den Rest berücksichtige ich nicht. Als ersten befragte ich eine Person mittleren Alters, männlich, mit viel Lebenserfahrung.

  1. Für mich stellen Glaube und Vernunft einen Widerspruch dar. Denn Vernunft hat für mich etwas mit Fakten, Rationalität und Empirie zu tun, es kommt aus den Naturwissenschaften und ist immer logisch zu erklären. Glaube hingegen hat für mich immer etwas mit Gefühlen zu tun. „Mit unergründlichen Dingen, mit Emotionen wie zb. Liebe, aber auch Angst, mit Übersinnlichem, mit Dingen, die man eben nicht vernünftig erklären kann und auch nicht erklären muss."

    Ich finde es hierbei spannend, dass mein erster Befragter, auf den Aspekt hinweist, dass Zitat: „Glaube immer….etwas…mit Emotionen wie zb. Liebe, aber auch Angst“, zu tun hat. Denn in diesem Punkt teilen sich unsere Meinungen. Der Mensch stellt Fragen, wo komme ich her, wieso bin ich genau hier, was stellt der Sinn meines Daseins dar? Und diese Fragen kann einem die Wissenschaft nicht beantworten. Sie werden gestellt aus Sehnsucht, aus starken Emotionen, Liebe aber auch Angst. In denen wir uns im Glauben wiederfinden, und auch aufgehoben fühlen.
  2. Meine zweite Befragte hat eine, würde ich sagen, bezeichnend wissenschaftliche Meinung. Denn sie sagt nämlich, dass „wenn man vernünftig über Glauben nachzudenken beginnt, man aufhört zu glauben.“ Dies hört man oft vor allem aus Kreisen der Naturwissenschaften. Trotzdem, was ich wiederum für sehr interessant befinde, sie sagt auch: „Ich glaube, dass Glaube und Vernunft nicht viel miteinander zu tun haben, das eine schließt aber das andere nicht aus, nur weil man vernünftig ist, kann man trotzdem einen Glauben haben.“ Das heißt auch ein logisch denkender Mensch, ein Wissenschaftler, jemand, der sonst nur dem, das er auch empirisch erfassen kann, glaubt, kann einen Glauben an etwas Höheres haben.
  3. Für meine dritte Befragte stellen Glaube und Vernunft wiederum, keinesfalls einen Widerspruch dar. Sie ist der spannenden Ansicht, dass ohne dem einen, das andere gar nicht existieren würde. „Ohne den Glauben würde es die Vernunft nicht geben und ohne die Vernunft den Glauben nicht.“ Wobei Glaube für meine Interviewpartnerin: „auch nicht unbedingt etwas Religiöses, sondern einfach das Vertrauen, dass es einen Weg für jeden von uns gibt.“, darstellt. Ich finde diesen Gedanken drei besonders schön. Menschen finden sich in einer zusehends unberechenbaren Welt wieder, in einer, in der nichts mehr mit Sicherheit gesagt und vorhergesagt werden kann. Sie beginnen sich auf die Suche zu begeben, auf die Suche nach etwas, das ihnen Sicherheit geben kann. Für viele endet diese, mit der Rückbesinnung auf einen Glauben.
  4. In Zeiten, in denen es den Menschen gut geht, in denen alles eine rechte Ordnung zu haben scheint, wenden sich viele von der Kirche und dem Glauben ab. Wenn diese scheinbare Ordnung aber beginnt durcheinander zu kommen, beginnen die Menschen „öfter in die Kirche zu gehen, und den Glauben, ihren Glauben, wieder aufzugreifen. Es scheint ihnen Halt zu geben.“

    Meine vierte Interview-Partnerin spricht etwas ganz besonders Aktuelles an. Glaube gibt Halt, im Hintergrund von Krisen. Wenn einem plötzlich, sozusagen die Füße unter dem Boden weggezogen werden, man vielleicht seinen ausfindig gemachten Sinn verliert, sucht man wieder Halt im Glauben. Denn der Glaube kann einem, im Gegensatz zur Wissenschaft, Beistand leisten. Er kann Möglichkeiten aufzeigen, um meine vorherig befragte Dame zu zitieren, Glaube ist „das Vertrauen, dass es einen Weg für jeden von uns gibt.“
  5. Meine letzte Gesprächspartnerin ist gleichzeitig auch die jüngste, weiblich und im Alter von 12 Jahren. Für sie stellen Glaube und Vernunft einen Widerspruch dar. Denn beim Glauben führt man all seine Widerfahrnisse auf einen Gott zurück, wohingegen man „bei Vernunft alles auf ein Schicksal zurückführt.“ Jedoch eines, das mit Gott nichts zu tun hat. Spannenderweise wird hier gesagt, dass ein vernünftiger Mensch seine alltäglichen Widerfahrnisse auf ein Schicksal zurückführt. Diese Ansicht war für mich jedoch spannend, denn ich bin bis dato der Auffassung, dass ein Schicksal eher etwas ist, das man auf etwas nicht zu Fassendes, etwas Höheres, vielleicht sogar einen Gott zurückführt.

Resümierend kann man sagen, dass für vier von fünf Befragten Glaube und Vernunft sehr wohl einen Widerspruch darstellen. Das Interesse und die Bedeutung waren dennoch nicht nicht vorhanden, denn alle Befragten hatten sich mit der Fragestellung mindestens einmal in ihrem Leben beschäftigt. Es gab bei allen Befragten eine Trennung zwischen Glauben und Vernunft. Das Leben beinhaltet beides. Die Vernunft hat allerdings einen wesentlichen Stellenwert. Dass es für den „normalen“ Menschen also durchaus von Bedeutung ist, sich mit Glaube und Vernunft auseinanderzusetzen, habe ich somit geklärt. Dass es dabei zwei, sozusagen sich gegenüberstehende Lager gibt, auch.

Ich würde sagen, meine Befragung spiegelt die Gesellschaft, aber auch den Jahrhundertelangen Diskurs wieder. Es haben sich Lager herausgebildet, extreme Positionen und wenig Spielraum und Raum zur Diskussion. Nun möchte ich fortfahren, und mir selbst die Frage stellen. Mir als jungen Menschen, der noch wächst, intellektuell sowie körperlich. Jemanden der noch auf der Suche ist, ausprobiert, hinterfragt und sich Meinungen zurechtlegt. Ich möchte Ihnen meine Sichtweise darlegen, und auch ein wenig pars pro toto, für die Jugend sprechen.

Als junger Mensch, finde ich mich in einer vorbestimmten Welt wieder, ich habe nichts dazu beigetragen, es ist Zufall, wo ich geboren wurde, wer meine Eltern sind und wie ich aufwachse. In dieser Welt muss ich meinen Sinn finden. Aber einen Sinn zu finden, meinen Sinn ausfindig zu machen, setzt voraus sich mit der Frage, ohne die es mir unmöglich ist, meinen Weg zu finden, wie folgt, zu beschäftigen. „Kann man an die Existenz oder gar an die tätige Anwesenheit eines Gottes in einem Universum glauben, das sich nach Jahrhunderten naturwissenschaftlicher Forschung unserem Verstand erklärbar zu präsentieren begonnen hat?" ( „Wir sind nicht von dieser Welt“ von Hoimar v. Ditfuth 1981 S.9)

Denn über die Frage nach dem Sinn lässt sich nicht sinnvoll reden, wenn man nicht für sich persönlich entschieden hat: „ob man die Welt, unsere alltägliche Wirklichkeit, für in sich geschlossen, für aus sich selbst heraus erklärbar hält, oder nicht". Existiert in unserer Welt nur ein Diesseits oder gibt es auch eine jenseitige Wirklichkeit, wie es der Glaube und die vielen Weltreligionen von jeher behaupten? Die Thematik, die hinter dieser Frage steht, wird zwischen den so lange verfeindeten „Partein“, der Theologie und den Naturwissenschaften seit langem nicht mehr ernstlich diskutiert. Jedoch nicht, weil diese entschieden wäre, das ist sie definitiv nicht. ICH möchte sie an dieser Stelle noch einmal aufgreifen.

Der Theologe setzt das Jenseits voraus, für den Naturwissenschaftler ist dieses aber erst gar nicht von Belang, sondern ,,allenfalls ein psychologisches oder religionssoziologisches Phänomen". Dass es heute zwischen den beiden Lagern zu einem „äußerlichen" Frieden gekommen ist, liegt auch nur daran, dass man einen Kompromiss, eine gemeinsame Auffassung gefunden hat: ,,Man hat sich darauf verständigt, die Wahrheit für teilbar zu erklären". Denn weder die Existenz Gottes, die Realität einer jenseitigen Wirklichkeit, auf die sich die Theologie lange fokussiert hat, ist es zu beweisen möglich. Noch ist es der Wissenschaft gelungen, Gott und ein Jenseits zu widerlegen. Und auch der Versuch, dass Natur und Diesseits ohne die „Hypothese Gott" funktioniert, hat mit der Einsicht geendet, dass auch dies unmöglich ist.

Emotionen gehen tiefer als das Interpretieren von Daten.

Es kristallisiert sich die Anschauung heraus, dass weder das eine noch das andere vollständig beweisbar ist. Aber sich die beiden Dinge, Glaube und ,,Wissenschaftliche Vernunft" auch nicht gegenseitig ausschließen. Wie Albert Einstein schon 1952 formuliert hat: „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind." Ich bin seiner Meinung. Ein Glaube, der sich vor keiner Instanz zu erklären braucht, der sich nicht auch mit der Wissenschaft im Austausch befinden kann, läuft Gefahr kein Glaube mehr zu sein, sondern ein Extremismus. Von Vernunft kann dabei keine Rede mehr sein. Dennoch war auch er, Albert Einstein, einer der bedeutendsten Wissenschaftler der Moderne, gläubig. Er formulierte sehr prägnant, treffend, auf was ich in diesem Essay hinaus möchte, weshalb ich ihn noch ein letztes Mal zitieren möchte. „Welches ist der Sinn unseres Lebens, welches ist der Sinn des Lebens aller Lebewesen überhaupt? Eine Antwort auf diese Frage wissen, heißt religiös sein. Du fragst: Hat es denn überhaupt einen Sinn, diese Frage zu stellen? Ich antworte: Wer sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen als sinnlos empfindet, der ist nicht nur unglücklich, sondern auch kaum lebensfähig."

Denn gläubig zu sein bedeutet auch an eine Schöpfung zu denken, darin ist auch der Glaube impliziert, dass dieser Schöpfer uns durch seine Schöpfung etwas über den rechten Gebrauch dieses Werkes und über den wahren Sinn unseres Lebens zu sagen hat. Für mich sind Glaube und Vernunft kein Widerspruch. Ich denke, jeder von uns hat Instrumente bekommen, Instrumente, um das Leben meistern zu können. Gott hat uns mit Verstand und Vernunft versehen, er hat uns die Möglichkeit gegeben selbst zu entscheiden, wie wir diesen Verstand benützen. Er lässt uns sozusagen teilhaben an der Schöpfung. Entweder wir erhalten die Schöpfung oder wir zerstören sie.

Als junger Mensch finde ich diesen Gedanken besonders wichtig. Man sieht sich konfrontiert mit so vielen Krisen, momentan ist es das Coronavirus, aber vor allem die globale Erwärmung und der Klimawandel, stellt uns junge Leute vor große Gefahren. Aber genau in diesem Gedanken liegt für mich die Schönheit, Gott hat uns mit Vernunft und Verstand ausgestattet. Er hat uns die Möglichkeit gegeben an der Schöpfung teilzuhaben. Ich kann mich mit meinem Verstand entweder für gute, sinnvolle Dinge, die die Welt weiterbringen einsetzten oder geistlos, rücksichtslos, unvernünftig handeln und Schlechtes tun. Vernunft und Glaube stellen für mich also keinen Widerspruch dar, sondern einen Kitt, eine Ausstattung, das Leben und die Welt in die Hand zu nehmen. Im Glauben habe ich Halt, und er hilft mir auch dabei, vernünftig zu handeln. Richtig zu handeln. Ich habe also mein Leben in der Hand, ich kann mich für Gutes und für Schlechtes entscheiden. Ich kann dies frei tun. Entscheidungsfreiheit ist Verantwortung, aber auch Chance. Als junger Mensch also finde ich mich in einer vorbestimmten Welt wieder, ich habe nichts dazu beigetragen wie und wo ich sie vorfinde. Aber ich kann selbst entscheiden, wie ich sie mir einrichte und was ich aus ihr mache!

Was ist nun die Antwort auf die eingangs gestellte Frage. Sind Glaube und Vernunft Widersacher oder Geschwister? Und ist sie auch wichtig für uns, uns Junge, uns Menschen, oder nur noch für die Philosophie und Theologie, ist sie wichtig für unser tagtägliches Leben? Für mich also stellen sie keinen Gegensatz dar. Sie sind Geschwister. Auch Geschwister streiten. Geschwister sind sie aber nur zusammen. Vernunft ist wichtig für mich, auch wissenschaftliche Vernunft. Ich glaube der Wissenschaft, sie hat uns über die Evolutionsgeschichte zu dem gemacht, was wir jetzt sind, Menschen, denkende Wesen. Sie geht vor nach Logik, handelt nach Fakten, zeigt Widersprüche auf. Die Naturwissenschaften haben als Wahrheitskriterium die Empirie, die beobachtete Wirklichkeit.

Nun wird der Theologie oft vorgeworfen, dass sie ein solches, ihre Theorien wahrheitsnäher machendes Korrektiv, nicht habe. Sie wird abgetan als eine Art Transzendenzkunde. Gott als Gegenstand der Theologie sei „ein imaginiertes, also vorgestelltes Phänomen, dessen Existenz zwar nicht widerlegt, aber auch nicht einsichtig belegt werden kann.“ Die Wissenschaft formuliert hierzu eine klare Aussage: Wie soll auch der Wahrheitsbeweis für etwas objektiv Unprüfbares erbracht werden?

Ich möchte der Wissenschaft nun eine Gegenfrage stellen: Wenn ich mitten in der Nacht aufwache, gebeutelt von einem schrecklichen Albtraum, Angst habe, eine schwere Zeit durchlebe, keinen Anschluss zur Gesellschaft zu haben scheine, mir nicht klar ist, wieso und warum ich überhaupt noch da sein soll. Kann man mir diese Frage, anhand von Fakten, anhand von Beobachtungen empirisch beantworten? Nein, denke ich nicht. Denn es sind Emotionen, Ängste, existenzielle Ängste, Aussichtlosigkeit. Fragen nach Warum bin ich hier, wieso? Die Wissenschaft kann mir hier nicht weiterhelfen. Emotionen gehen tiefer als das Interpretieren von Daten.

Ich kann ein vernünftiger Mensch sein und trotzdem Fragen haben, auf die ich keine Antwort weiß. Fragen, deren Ursprung ich nicht kenne, trotzdem sind sie da. Wo komme ich her? Was ist mein Sinn hier? Fragen, die der Mensch stellt, die eine Sehnsucht ausdrücken. Glaube muss kein Anbeten eines Herren sein, sondern kann auch die Einsicht, dass es einen Weg für mich gibt, darstellen.

Die so oft vorgegebene Spaltung zwischen Glaube und Vernunft, ergab sich durch die Geschichte, nicht durch die wirkliche Gegensätzlichkeit. In den alten Religionen studierten die Priester Gestirne und Mathematik. Die Geschichten um Christi Geburt veranschaulichen das Zusammenspiel von Vernunft (Wissenschaft, Stern) und Glaube (Kind, Krippe). Im Mittelalter verknüpfte sich die Theologie mit dem wissenschaftlichen Weltbild der Zeit. Als sich dieses änderte (Kopernikus), kam es zum Konflikt, wobei es eigentlich um die Machtfrage ging: Wer verkündet die Wahrheit? Die Frage müsste lauten: „Was ist die Wahrheit? Die Wahrheit in diesem Fall muss man für sich selbst finden. Bei schwierigen Fragestellungen muss man zusammenarbeiten wie Geschwister in einer Familie.

Benjamin Puganigg (6. Klasse, GWIKU Haizingergasse, Wien) erreichte beim erstmals ausgetragenen Essay-Wettbewerb "Theolympia" des Interdiözesanen Amts für Unterricht und Erziehung (IDA) unter 118 Einreichungen den 3. Platz.

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