Wasted-Lifes- - © Foto: Hermann Glettler

Lässt Gott leiden? Oder der Mensch?

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Die Gottverlassenheit am Kreuz Jesu führt auch zur Frage der Theodizee, warum ein guter Gott all das zulassen kann. In der Pandemie wird dies ebenfalls wie mit einem Brennglas sichtbar. Ein theologisches Gespräch mit Regina Polak, Wien, und Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg.

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Die Gottverlassenheit am Kreuz Jesu führt auch zur Frage der Theodizee, warum ein guter Gott all das zulassen kann. In der Pandemie wird dies ebenfalls wie mit einem Brennglas sichtbar. Ein theologisches Gespräch mit Regina Polak, Wien, und Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg.

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Den Tod Gottes haben Philosophen wie Friedrich Nietzsche konstatiert. Wie setzen sich Theolog(inn)en, also „Gotteswissenschafter(innen)“, damit auseinander? Ein Gespräch mit der Wiener praktischen Theologin Regina Polak und dem Salzburger interkulturellen Theologen Franz Gmainer-Pranzl.

DIE FURCHE: Die Karfreitagserfahrung, ungeschminkt auf den Punkt gebracht, lautet: Gott ist gestorben. Gott ist tot. Kennen auch Theologinnen und Theologen Derartiges?
Regina Polak:
Ich habe in meinem Studium Atheismus-Seminare besucht, zu Sigmund Freud, Albert Camus, Karl Marx, Ludwig Feuerbach … Das hat mich in eine existenzielle Krise gebracht, weil ich da mein damaliges Gottesbild verloren habe: Ich hatte das Gefühl, ich kann Gott nicht mehr so denken wie bisher. Ich bin deswegen zunächst in die Philosophie gewechselt. Nicht ohne Grund habe ich meine Diplomarbeit in Philosophie über Friedrich Nietzsche geschrieben, von dem ja der Ausspruch „Gott ist tot!“ stammt. Gleichzeitig bin ich durch unterschiedliche religiöse Lernprozesse zu dem Schluss gekommen, dass der liebe Gott für meine Denkprobleme nichts kann. Heute bin ich ein gläubiger Mensch. Auch wenn man die Existenz Gottes in einem naturwissenschaftlichen Sinn nicht beweisen kann, halte ich es doch für vernünftig und denkbar, an Gott zu glauben.

Franz Gmainer-Pranzl: Karfreitag heißt: Man hat Jesus umgebracht. Ich würde da nicht sagen: Gott ist tot. Aber ich verstehe diese Aussage als Metapher, dass der religiöse Glaube nicht zu allen Zeiten und in allen Gesellschaften selbstverständlich ist und gesagt wird: Eigentlich steckt hinter dieser Fassade nichts mehr. Das ist alles bloße Tradition und Institution. Also ein Bild für eine Zeit, die Religion nur mehr als Bestandteil eines kulturellen Jurassic Parks ansehen kann. Ich persönlich habe da keine existenzielle Krise erfahren. Aber ich kann es mit folgendem Bild beschreiben: Ich habe große Höhenangst. Wenn ich mir dann vorstelle, über Bretter zu gehen, wo man 100 Meter nach unten durchsieht, dann ist das beängstigend. Manchmal denke ich mir, im Glauben geht man über solche Bretter, und da gähnt der Abgrund darunter: Was ist, wenn das alles eine Täuschung ist? Oder wo ist ein Halt?

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DIE FURCHE: Vor zwei Jahren ahnte noch niemand die Herausforderungen der Pandemie. Werden diese Anfechtungen stärker? Schaut man aktuell mehr nach Gott? Oder ist das Gegenteil der Fall?
Polak: Für Österreich kenne ich erst eine Studie, die das empirisch zu beantworten versucht, und dort werden keine signifikanten Änderungen des religiösen Selbstverständnisses beobachtet. Aufgrund der Entwicklungen der letzten zehn Jahre vermute ich mehrere Phänomene: Bei sehr gläubigen Menschen kann es sein, dass der Glaube tiefer wird. Und dann gibt es andere, die in eine massive Krise geraten, da taucht die Theodizeefrage – warum Gott das zulassen kann – in voller Schärfe auf. Beides habe ich erlebt. Hierzulande sind tiefgläubige Menschen aber kein Mehrheitsphänomen mehr. Zwei Drittel der Österreicher glauben an die Naturwissenschaft, die Zahl der Menschen, die an Gott glauben, sinkt. Das merkt man auch an den öffentlichen Diskursen, da wird ja viel stärker die Wissenschaft bemüht, die uns aus dieser Krise holen kann, und nicht Gott. Insofern sind die großen Erschütterungen, wie wir sie aus den Atheismen der Philosophie kennen, oder auch die großen Glaubenskrisen, die meine Generation erlebt hat, ein Minderheitenphänomen. Religion ist für die meisten Menschen nicht mehr der wichtigste Lebensbereich.

Gmainer-Pranzl: Ich beobachte, dass Corona so etwas wie ein Beschleuniger ist, der Dinge vorantreibt, die sonst noch Jahre gebraucht hätten: Der Glaube ist für eine beträchtliche Anzahl von Menschen bedeutungslos geworden. Es gibt eine kleine Gruppe von Menschen, die beklagt haben, dass Gottesdienste nicht stattfinden konnten, aber einer großen Gruppe, die vorher die Gottesdienste besucht hat, gehen diese gar nicht so ab. In meiner Kindheit war es oft noch so, dass auch Menschen, die keinen Bezug zu Glaube und Kirche hatten, etwa bei einem Todesfall, den Antrieb verspürten, noch einmal nachzudenken, religiös zumindest nicht ein Schlusswort darüber zu sprechen, sondern die Zugänge der Religion ernst zu nehmen. Das gibt es jetzt nicht mehr. Die Erfahrung ist sehr selten geworden, dass jemand durch solch eine Erschütterung in seiner Religiosität wieder wach wird. Karl Rahner hat schon vor Jahrzehnten gesagt, dass der Glaube als Indoktrination und nicht als Erfahrung präsent war. Institution und Tradition – das ist Jahrzehnte so dahingegangen. Heute erschüttert auch die Krise da nichts mehr, die kirchliche Religiosität ist massiv zurückgegangen, aber sie fehlt eigentlich nicht.

Polak: Die wirkliche Erschütterung im Gottesglauben hat in der Generation des Zweiten Weltkriegs stattgefunden. Wir haben das schon 2010 bei den empirischen Daten festgestellt: Der eigentliche Einbruch findet bei der Generation der nach 1948 Geborenen statt. Meine These dazu ist: Der Krieg und die Schoa, das zerstörte Europa waren ein massiver Einschnitt – im Anschluss daran hat keine wirkliche Auseinandersetzung auf der Ebene von Familien und Gruppen stattgefunden. Das hinterlässt Spuren. Nach 1945 ist es nicht mehr so einfach, über Gott zu reden. Diese Auseinandersetzung hat in der deutschsprachigen Theologie stattgefunden, aber in der Pastoral in dieser Schärfe nie. Man hört oft, es seien der Konsum, der Wohlstand, die die Glaubenskrise verursachen: Das alles verstärkt die Dynamik, aber der eigentliche Kern ist die Erschütterung durchs 20. Jahrhundert.

Die wirkliche Erschütterung im Gottesglauben hat in der Generation des Zweiten Weltkriegs stattgefunden.

Regina Polak

DIE FURCHE: Corona verstärkt also das, was an Abbruchprozessen Gott gegenüber da ist.
Gmainer-Pranzl: Ein Teil der Bevölkerung – und ich will das gar nicht werten – geht aus Gewohnheit in den Gottesdienst. Jetzt war das eine Zeitlang nicht möglich, und die Erfahrung war dabei: Es fehlt mir eigentlich gar nichts. Für viele Jüngere ist diese religiöse Erfahrung generell nicht mehr relevant.

Polak: Der Freiburger Theologe Magnus Striet hat in einem Essay über die Theodizee in der Coronakrise festgestellt, dass es auch in der Kirchenleitung ein Schweigen über Gott gibt. Man findet da ein beschämtes, ratloses Schweigen – auch berechtigt: Denn wenn ich nicht an uns mit sicherem Job im Homeoffice, sondern an die Menschen denke, von denen mir Caritas-Mitarbeiter(innen) erzälen – Arbeitslose, Kranke, Familien, wo jemand gestorben ist, dann kann man dieses Leid nicht mit naiver Gottesrede zukleistern. Andererseits spielt aus einer theologischen Sicht Gott überall eine Rolle, man müsste also über Gott sprechen – und da ist man zurzeit relativ sprachlos.

Gmainer Pranzl - © Foto: Privat

Franz Gmainer-Pranzl

Franz Gmainer-Pranzl ist stv. Fachbereichsleiter, Leiter Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen an der Universität Salzburg.

Franz Gmainer-Pranzl ist stv. Fachbereichsleiter, Leiter Zentrum Theologie Interkulturell und Studium der Religionen an der Universität Salzburg.

DIE FURCHE: Aus bestimmten Ecken des Katholizismus hört man seit Langem, dass zu wenig über Gott geredet wird. Das war ja auch die große Sorge des Theologen und Papstes Benedikt XVI./Joseph Ratzinger. Bestätigen sich nicht diese Befürchtungen?
Polak:
Ich teile diese Diagnose. Die Frage ist aber, wie dann die Rede über Gott aussehen soll. Einfach nur viel über „Gott“ zu reden genügt nicht. Was fehlt, ist die Frage nach der Erfahrung, der Verbindung mit der Praxis. Dort, wo sich Gemeinden oder die Caritas im Corona-Kontext engagieren – in der Erzdiözese Wien ist ein Drittel der Gemeinden in der Pandemie unglaublich aktiv geworden! –, ist diese Praxis auch eine Rede von Gott: Solidarität, Beistand, Helfen. Das wird aber von vielen, die nur die Gottesrede einfordern – etwa im Sinne des emeritierten Papstes –, nicht als „genuin theologisch zu würdigende Gottesrede“ wahrgenommen. Diese Facetten wären zusammenzudenken.

Gmainer-Pranzl: Es gibt zu Recht eine Scheu davor zu sagen: Gott straft uns jetzt mit Corona. Deswegen war deutliches Schweigen. Es gab auch Wortmeldungen, die sich ganz strikt dagegen ausgesprochen haben, Wertungen in dieser Sicht anzustellen. Es geht ja nicht darum, die Vokabel „Gott“ ständig im Mund zu führen, sondern durch das Leben zu bezeugen. Es gibt Gedichte von Dorothee Sölle, wo sie darüber klagt, dass die religiöse Sprache so ausgelutscht ist, wo sie sich wünscht, dass da ein paar Löcher entstehen in dieser schallund wasserdichten Sprache. Von Gott reden heißt eben auch handeln. Gott muss ein Tätigkeitswort werden. Biblische Gottesrede ist ganz klar eine neue Lebenspraxis. Corona wäre die Chance, diese neue Lebenspraxis wieder sichtbar zu machen.

Polak: Magnus Striet meint in seinem Essay auch: Wenn man Gott liebt, muss man auch die Theodizeefrage stellen, denn wenn wir lernen, Gott ist allmächtig, wie kann er dann so etwas zulassen? Da sind wir Antworten schuldig. Das Handeln ist das eine, aber das entbindet uns nicht, auch über die Gottesbilder nachzudenken.

‚Allmacht Gottes‘ meint Widerstand gegen die selbstverständliche Akzeptanz von Leid und Unrecht. Und zwar in dem Sinn: Es wächst kein Gras über das Grab der Opfer.

Franz Gmainer-Pranzl

DIE FURCHE: Aber gerade die Theodizee hat die Religion bis heute nicht gelöst.
Gmainer-Pranzl: Es gibt eine Studie, die nachweist, dass die Rede von der Allmacht Gottes aus der Erfahrung des Leides entspringt – mit der Absicht zu sagen, das Leid hat nicht das letzte Wort. „Allmacht Gottes“ meint Widerstand gegen die selbstverständliche Akzeptanz von Leid und Unrecht. Aber nicht einen Widerstand, wie wir Menschen als aufgeblasene Mächtige es gerne hätten, sondern in dem Sinn: Es wächst kein Gras über das Grab der Opfer. Ja, es wird keine Antwort auf die Theodizee geben, aber der Vergleich, der sich mir aufdrängt, ist der: In menschlichen Beziehungen ist das Schlimmste die Gleichgültigkeit. Wenn es mir völlig egal ist, wie es dem anderen geht. Streit und Auseinandersetzung heißen ja: Es ist mir nicht egal. Ich würde sagen: Ein Mensch, der leidenschaftlich fragt, warum das in der Welt so ist, und Gott das auch vorhält, ist meines Erachtens auch jemand, der den Glauben leidenschaftlicher lebt als jemand, der achselzuckend auf gut Österreichisch sagt: Kann man halt nichts machen. Das birgt für mich die Einsicht: Wer die Theodizeefrage stellt, der stellt sich nicht abseits, sondern ist mitten im Glaubensprozess, weil es ihm nicht egal ist, wie es den Menschen geht. Er will, dass die Dinge nicht so bleiben, wie sie sind.

DIE FURCHE: Wenn es aber so ist, dass die Frage nicht beantwortet werden kann, muss man dann nicht doch von Gott Abschied nehmen?
Gmainer-Pranzl:
Wenn ich wahrnehme, wie Menschen mit dieser Frage umgehen, dann gibt es verschiedene Reaktionsmuster. Das eine ist zu sagen: Wir verabschieden uns von der Vorstellung Gottes. Das andere ist, diese Vorstellung wird radikalisiert, dass also eine Form religiöser Praxis gelebt wird, wo das Gottesbild gleichsam hochgeladen wird – ein aggressiver Gott oder einer, der auf meiner Seite steht und mit dem ich andere bekämpfe. Auch das findet man heute in der Religion: Die Frage nach dem Leid der Menschen kann existenziell auch vergiften und verbittern. Ich sitze jetzt gemütlich in meinem Bürosessel und erkläre: Diese Frage muss man aushalten. Das kann ich leicht sagen, wenn ich nicht selber betroffen bin. Am Beginn der Coronakrise habe ich im Radio eine jüngere Frau gehört, deren Mann Krankenpfleger war, der in der ersten Welle in Spanien gestorben ist. Sie weiß nicht mehr, wie sie die Miete bezahlen soll etc. Erschütternd. Da kann ich jetzt nicht sagen: Sie muss sich dieser Frage stellen – da braucht es eine ganz andere Kategorie. Da braucht es Sympathie im wahrsten Sinn des griechischen Worts. An so einer Frage kann man irrewerden.

Polak: Deshalb stelle ich ja lieber die Anthropodizee- vor der Theodizeefrage. So wie das Dorothee Sölle mit Blick auf Auschwitz gemacht hat …

Polak - © Foto: Joseph Krpelan

Regina Polak

Regina Polak ist Vorständing des Instituts für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Regina Polak ist Vorständing des Instituts für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

DIE FURCHE: … warum lässt der Mensch (und nicht: Gott!) uns leiden?
Polak:
Mit Blick auf die Schoa: Was sind wir eigentlich für Menschen, die zu so etwas fähig sind? In diesem Kontext kann die Theodizeefrage ja auch ein Ausweichmanöver sein: die Katastrophe Gott zu überantworten, ohne zuvor gründlich geprüft zu haben, worin denn die Verantwortung des Menschen dabei besteht. Ich halte es allerdings auch für unbarmherzig, alles dem Menschen aufzubürden. Wenn der Mensch zu dieser abgrundtiefen Bösartigkeit fähig ist, wieso sind wir dann so fehlkonstruiert? Und da kommt man dann doch wieder zur Gottesfrage. Wenn man die Verantwortlichkeit des Menschen benennt, dann muss man sich auch von einem individualistischen Menschenbild verabschieden. Bei dem Beispiel der Frau des spanischen Krankenpflegers muss man etwa fragen: Wo sind denn da die Mitmenschen? Wie entsteht das Leiden? Auch im Corona-Kontext: Das ist ja nicht nur eine Naturkatastrophe, die uns da widerfährt, sondern das Coronavirus hat menschengemachte Ursachen in unserem Umgang mit der Umwelt, mit der Mobilität, durch eine zerstörte Grenze zwischen Menschen und Tieren ... Und wenn hier dann Menschen besonders leiden, insbesondere die Ärmeren weltweit, dann macht das auch nur die Ungleichheit sichtbar, die vorher schon da war. Also vor der Fragen nach Gott bitte die Frage nach dem Beitrag des Menschen stellen.

Gmainer-Pranzl: Da sind wir beim Thema der Interkulturellen Theologie, weil sich da die Frage stellt, wie das global zu sehen ist. Wir erleben ja, ökologisch gesehen, wie der Mensch sich immer mehr der Natur bemächtigt. Da war zuletzt diese wichtigtuerische Inszenierung rund um den „Basar der Impfungen“ in der EU, aber die entscheidende Frage lautet: Wie ist das weltweit? Es gibt Länder, die erst in zwei, drei Jahren eine Impfung bekommen werden. Länder, die immer hinten drankommen – sie kriegen die volle Ladung der Klimakrise ab und sind bei der Impfung erst recht nicht dran!

Regina Polak und Franz Gmainer-Pranzl im FURCHE-Podcast

DIE FURCHE: Zurück zur Frage nach dem Tod Gottes. Sie haben zu Beginn Albert Camus erwähnt. Camus’ „Die Pest“ hat im Coronajahr wieder hohe Verkaufszahlen erlebt. Ist das nicht doch ein Hinweis darauf, dass die Menschen weg von Gott wollen?
Polak: Camus ist ein Atheist von Rang. Er bleibt aber nicht im Atheismus hängen, sondern entwickelt eine alternative Existenzform, und das ist seine Liebe zum Mediterranen, eine ganz tiefe Liebe zum Leben, die damit auskommt, dass die Frage nach Gott offen bleibt. Ich denke, das ist für viele Europäerinnen und Europäer bereits eine lebbare und gelebte Option. Die leiden nicht mehr daran, dass Gott nicht ist.

Gmainer-Pranzl: Was ich für gefährlich halte, ist – wie schon ausgeführt – eine Haltung der Gleichgültigkeit, aber ebenso ein naiver Religionsbetrieb, der einfach weitergeführt wird, ohne angefochten zu sein. Der Theologe Gerhard Ebeling hat gesagt, Glaube hat auch mit Angefochtensein zu tun. Man kann nicht einfach so dahinglauben, wie wenn nichts wäre, man muss sich umtreiben lassen von den Fragen, sich stören lassen. Das ist in unserer Zeit angesagt. Christlicher Glaube, der in der Welt von heute wirkt, wird mit dieser Anfechtung zu tun haben.

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