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Wir bitten Dich, o Herr, behüte stets huldvoll Deine Kirche, und weil ohne Dich der Mensch in seiner Schwäche zusammenbricht, so halte ihn mit Deiner Hilfe stets fern von dem, was schädlich ist, und führe ihn hin zu dem, was heilsam ist.

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Wir bitten Dich, o Herr, behüte stets huldvoll Deine Kirche, und weil ohne Dich der Mensch in seiner Schwäche zusammenbricht, so halte ihn mit Deiner Hilfe stets fern von dem, was schädlich ist, und führe ihn hin zu dem, was heilsam ist.

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(Kirchengebet vom 14. Sonntag nach Pfingsten)

In alter Zeit nannte man diesen Sonntag, des Bergpredigt-Evangeliums von der „ängstlichen Sorge” * wegen, den „Sonntag der Vorsehung”. Es ist nicht festzustellen, ob das Kirchengebet im Hinblick auf das Evangelium formuliert oder ausgewählt wurde: aber es läfjt sich mühelos als eine innere Vorbereitung auf die wahre Frohbotschaft der Herrenworte verstehen und betend nachvollziehen. Und niemand, der gerade in diesen Tagen um sich sieht, der auch nur etwas von der Zeitstimmung dieser unheilschwangeren Herbsfwochen in sich aufnimmt, wird behaupten können, daß dieser Text nicht von ergreifender Akualität wäre. Es ist die Rede von der huldvollen Erhaltung der Kirche, als der fortlebenden Gotteswirklichkeit in dieser Zeit. Der Herr hat vor Seiner Himmelfahrt diese Kirche den Menschen anvertraut. Er hat einem Menschen ihre Leitung übertragen, Er hat die Weitergabe Seiner Heilsworte menschlichen Aufzeichnungen, menschlichen Interpreten anvertraut. Ja, Er hat sogar die unmittelbare Heilswirklichkeit Seiner Sakramente der Verwaltung menschlicher Hände anver- trauf. Und Er hat es auch im irdischen Bereich zugelassen, daß die Kirche menschliche Hilfe und menschlichen Schutz annimmt, ja, sogar sucht. Und doch heißt es im gleichen Atemzuge, daß eben dieser Mensch ohne die Hilfe Gottes in seiner Schwäche zusammenbrechen müsse. Wie reimt sich das zusammen? Ist es wirklich so, wie uns eine überspitzte dialektische Theologie lehren will, daß die Aufgabe der

Klarheit legte er die Methoden des Kommunismus bei der Machtergreifung und Überwältigung der Freiheit bloß.

Kirche in der Ost-West-Spannung

Über „Strategie und Taktik des kommunistischen Kirchenkampfes” sprach Dr. Paul Roth, Königstein im Taunus, der mit Lenins Ausspruch von 1909 begann: „Wir müssen die Religion bekämpfen. Das ist das Abc des gesamten Materialismus und folglich auch des Marxismus.” Der Vortragende zeigte, wie verhängnisvoll es sich auswirkte, daß der Westen von der Strategie und Praxis des kommunistischen Kirchenkampfes kaum eine Vorstellung hatte. Die außerordentliche

Kirche das ständige Scheitern in dieser Welt sei, daß Verfolgung und Zusammenbruch das einzige ihrer und und ihres Meisters würdige Los sei? Ohne Zweifel wäre dies eine Verkehrung der Dinge, eine bei aller scheinbaren Demut menschlich-hochmütige Uminterpretation des göttlichen Auftrags. Die Verantwortung wird den schwachen Menschen nicht genommen, sie wurde auch dem immer wieder versagenden Petrus nicht wieder entzogen, als ihn der Herr dennoch zum Oberhirten bestellte. Aber das Selbstgefühl, das Selbstvertrauen, das sich unweigerlich bei dem einstellt, der als Verwalter hoher Dinge seine Verwalterfunktion vergißt, das kann vor Gott nicht bestehen. Auch die Botschaft des Evangeliums befreit uns nicht von der gerechten Sorge, der Vorsorge und Obsorge. Sie wendet sich nur gegen die Ängstlichkeit in der Sorge. Diese Angst aber ist immer die Frucht übersteigerter Selbstsicherheit. Der, der glaubt alles allein tun zu müssen und zu können, zittert insgeheim davor, daß er in einer Aufgabe versagt, die in Wahrheit gar nicht für ihn bestimmt war, die er sich überheblich angemaßt hat. Das Gebet der Vorsehungsfrömmigkeit an diesem Sonntag ist alles andere als ein Zeugnis solcher Schwäche, solcher tatenlos wimmernder Feigheit. Es gemahnt an die hochgemute Frömmigkeit vergangener mannhafter Zeiten, die nicht denkbar war ohne das Eingeständnis des Gotfesknechf-Seins, ohne das Zugeben, daß vor Gott „unsere Weisheit Einfalt ist”. Nur so bekommen wir für die uns verbleibende Aufgabe und Verantwortung das rechte Maß, können wir im einzelnen Klarheit über das gewinnen, was uns heute und hier zu tun bleibt. .., ohne daß wir die Last eines von uns nicht erkennbaren Morgen auf die Schultern laden.

Wandlungsfähigkeit im taktischen Bereich ließ den Kommunismus niemals das strategische Endziel aus dem Auge verlieren, nämlich die vollkommene Vernichtung jeder Religion.

Als die Bolschewik! in Rußland 1917 zur Macht gekommen waren, glaubten sie zunächst, daß allein die Änderung der Gesellschaftsordnung genüge, um jegliche Religion zum Aussterben zu bringen. Gemäß seinem revolutionären Charakter ging der Bolschewismus allerdings bald dazu über, Gewaltmaßnahmen anzuwenden: Kirchen wurden geschlossen, Priester verschleppt und ermordet, die Gläubigen eingeschüchtert. Als dies nicht zielführend war, kam es zur Gottlosenpropaganda. Trotz deren massiver Tätigkeit und des immer rücksichtsloseren antireligiösen Aufklärungsfeldzuges blieb die Religion in der Sowjetunion weiterhin das bestimmende Moment der geistigen Haltung vieler Menschen. Weil man deren bedurfte, gestattete man der orthodoxen Kirche innerhalb der Kirchenmauern eine begrenzte Ausübung religiösen Lebens. In Artikel 124 gestand die sowjetische Verfassung 1936 zwar Kultfreiheit zu, verankerte aber gleichzeitig die antireligiöse Propaganda. Nachdem Patriarch Tychon noch den Bannfluch gegen den Kommunismus geschleudert hatte, bequemte sich sein Nachfolger zu einer Loyalitätserklärung, konnte aber damit den Aushöhlungsprozeß gegen die Kirche nicht abwehren und nur begrenzte Duldung erreichen. Als der deutsche Vormarsch bedenkliche Formen annahm, lockerte Stalin den Kirchenkampf, aber alle Erleichterungen fielen sofort weg, als das Kriegsglück sich gewendet hatte. Der Terror gegen die orthodoxe Kirche verstärkte sich wieder. Auf die Methoden der Kirchenverfolgung in der Sowjetunion gestützt, setzte mit dem Vormarsch der Roten Armee der Kirchenk.impf in Polen, den baltischen Staaten, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn und der Tschechoslowakei und weiterhin in China und Mitteldeutschland ein. Das Schema des Kirchenkampfes ist überall einheitlich: Verdrängung der Kirche und Religion aus dem öffentlichen Leben und dessen Durchdringung mit atheistischem Gedankengut, Diskreditierung und Mißbrauch von Vertretern der Kirche für die kommunistische Propaganda. Die unierte katholische Kirche wurde zerschlagen, die katholische Kirche aufs schwerste bekämpft und soll vernichtet werden. Dennoch leisten Priester und Kirchenvolk überall Widerstand.

Der Vortragende warf die Frage auf, ob die Kirche in Osteuropa auf den Kirchenkampf vorbereitet war und ob auch wir gegebenenfalls auf eine solche Situation vorbereitet wären. Er zitierte dazu Äußerungen von Priestern, die aus kommunistischer Unterdrückung und Gefangenschaft frei wurden und die bittere Erkenntnis Bekanntgaben: Wir hatten die Macht des Kommunismus weitgehend unterschätzt, wir kannten die kommunistische Taktik nicht, wir waren nicht einig, die religiösen Kenntnisse der Gläubigen hatten oft nur das Niveau eines Schulkindes, wir haben die Nächstenliebe vernachlässigt

Als dritter Hauptreferent zeichnete Dr. Emil F r a n z e 1, München, ein Bild der „Tausend Jahre Ost-West- Spannung”. Einleitend deutete er die Funktion dieser Spannung auch schon in früheren Zeiten, zum Beispiel zwischen Griechen und Persern, zwischen West- und Ost-Rom und zwischen den Iren und dem Festland an, ehe er auf die verschiedenen Erscheinungen dieser Spannung in Europa einging, wie sie sich seit etwa dem 10. Jahrhundert abzeichnet. Deutlich wurde aus diesen Ausführungen offenbar, daß die heutige Ausprägung des Ost-West-Gegen- satzes nicht eine stetige und nicht die endgültige ist, daß es darin vielfachen Wandel gegeben hat. Vor allem ist cs nicht angängig, von einer durchgehenden deutsch-slawischen Spannung zu sprechen. Er wies auch darauf hin, daß man das Auftreten und die Rolle der Russen allzulange nicht hinreichend beachtet hat. Erst im 19. Jahrhundert begann die Auffassung zwischen Ost und West in grundlegender Weise uttetiichlagfen. per Redner, machte auch auf die Tatsache aufmerksam, düß hüte durch die Vernichtung der mitteleuropäischen Monarchien und deren Nachfolgestaaten das stets vorhandene ausgleichende Zwischenfeld zwischen dem russischen Osten und dem atlantischen Westen verlorengegangen ist. Damit fehlt das föderative Feld des Ausgleichs, vor dem Chruschtschow wirklich Angst hat.

Der Vortragende hob hervor, daß man immer behaupte, der Osten habe ein anziehungskräftiges Leitbild und der Westen keines. Und doch habe der Westen eins: das christliche Leitbild. Aber wie viele Christen bringen dafür Opfer, treten dafür ein, sind konsequent? Es darf im Westen keine opportunistische Haltung zum Heimatrecht geben. Über Grenzen kann man reden, aber eine sittliche Idee, einen Rechtsanspruch kann man nicht einfach abschreiben! Wir müssen den Fetischismus des Wirtschaftswunderbürgers überwinden, dem der Luxus letzte Überzeugung ist, und vordringen in jene Schicht, wo das Religiöse wurzelt.

Wir können aus der tausendjährigen Geschichte eine Lehre ziehen: Die Geschichte ist nicht nur erfüllt von Rationalem, sie ist voll von Wundern, Überraschungen, plötzlichen Wendungen. Welchen Anteil der Mensch daran hat, ist im Augenblick niemals genau festzustellen. Lernen wir aus der Geschichte, daß sie im letzten ein irrationaler Prozeß ist und daß nur der Aussichten hat, in der Geschichte Bleibendes zu leisten, der nicht nach dem augenblicklichen Sieg oder Erfolg fragt, sondern das Wahre und Richtige tut und bereit ist, Opfer zu bringen dafür. Entscheidend wird für die Zukunft, ob wir vor dem Herrn der Geschichte bestehen, vor Christus, wenn Er zum Gericht kommt, dessen Tag und Stunde keiner kennt.

Mit einem Bekenntnis für die Freiheit, deren Bedeutung und Wert er in überzeugender Weise darlegte, die heute allein von der westlichen- Welt gegen die Tyrannis des Ostens verteidigt wird und die unabdingbar ist für die Erhaltung der Menschenwürde und des Menschentums, schloß Abgeordneter Dr. von Gutenberg im Kaisersaal der Würzburger Residenz den Reigen der Vorträge.

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