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Kardinal König - ein Bischof, der alle Kirchenentwicklungen seit den dreißiger Jahren mitgeprägt hat, ohne irgendwo stehen zu bleiben. Ein Bischof, der von einer"Weltkirche" träumte, deren Teile selbständiger werden sollten. Ein wacher Geist, der selbst in hohem Alter noch brennendes Interesse an den Vorkommnissen in Kirche und Gesellschaft bewahrte.

Mit dem Tod von Kardinal König scheint eine Epoche zu Ende zu gehen. Er war in den letzten Jahren zu einer Autorität geworden, der niemand mehr widersprach. Die Äußerungen nach seinem Tod von Straßenpassanten über hohe Politiker bis zu den Beileidschreiben aus Rom bestätigten dies. Das ist erstaunlich, da er früher keineswegs ohne Kritik war und er zuletzt, mehr als früher, weitere Erneuerungen der Kirche einforderte und Vorgänge, die diese zu bremsen schienen, beklagte.

Wofür stand König wirklich?

Mit seinen 70 Priesterjahren und 51 Bischofsjahren spiegelt er die tief greifende Entwicklung der Kirche wider. 1933 im Ständestaat zum Priester geweiht, erlebte er die Kirche in Österreich als politisch dominante Kraft. Während des Krieges verkörperte er den mutigen Jugendkaplan im Widerstand. Nach dem Krieg begeisterte er als Religionsprofessor eine Jugend für eine Kirche, die zu den stärksten Kräften des Wiederaufbaus Europas gehörte. Eine Kirchenbegeisterung allenthalben brachte volle Kirchen und starke Gruppen. Es war die Zeit, in der ich selbst, nicht zuletzt aus diesem Erleben heraus, Priester wurde.

1956 wurde der damalige St. Pöltner Weihbischof und Koadjutor Franz König Erzbischof in Wien. Wenige Wochen nach seiner Ernennung wurde ich ihm als Zeremoniär zugeteilt. Er wurde in Wien nicht mit voller Freude aufgenommen, hatte man doch eher Erzbischof Jachym als Nachfolger Innitzers erwartet. Wie König später selbst sagte, kam er mit keinem fertigen Konzept, sondern stellte sich den Herausforderungen. Er suchte systematisch den Kontakt mit den Priestern und visitierte Pfarre für Pfarre. König war sich aber auch seiner Verantwortung der Öffentlichkeit gegenüber bewusst, begann das Gespräch mit Politikern und Repräsentanten von Wissenschaft und Kultur.

1958 wurde er von Johannes XXIII. zum Kardinal ernannt, obwohl die "römische Kurie" auf die Kirchenleitung in Österreich wegen der schleppenden Konkordatsverhandlungen böse war. König hat sich mit Johannes XXIII gut verstanden. Wenn auch nicht charakterlich, so waren beide in ihrer offenen Haltung zu anderen Kirchen und Religionen, zur Welt insgesamt sehr ähnlich.

Der Konzilsvater

In die Geschichte wird König vor allem als Konzilsvater eingehen. Er hatte sich Karl Rahner als theologischen Berater gewählt, obwohl dieser wegen mancher Aussagen von der Glaubenskongregation gemaßregelt worden war. Von Rahner unterstützt, brachte er viel ins Konzil ein, vor allem zur neuen theologischen Sicht der Kirche und ihrer Stellung in der Welt. Aufsehen erregte z. B. jene Aussage in Gaudium et Spes Nr.19, wo auch den Gläubigen eine erhebliche Schuld am Entstehen des Atheismus zugeschrieben wird, wegen "Vernachlässigung der Glaubenserziehung, durch missverständliche Darstellung der Lehre oder auch durch die Mängel ihres religiösen, sittlichen und gesellschaftlichen Lebens".

Ganz bedeutend war Königs Einfluss beim Entstehen des "Judenschemas" (das Teil der Konzilserklärung Nostra Aetate zu den nichtchristlichen Religionen wurde) gemeinsam mit Prälat Johannes Österreicher, der federführend war. Königs Engagement für den Dialog mit anderen Religionen kam schließlich aus jenem Gebiet, in dem er schon längst speziell gearbeitet hatte.

Vom Konzil zurückgekehrt, wollte er in maßvoller Weise seine Diözese im Geiste des Konzils erneuern. Für 1969 rief er die Wiener Diözesansynode ein. Die Präsidentschaft übertrug er Erzbischof Franz Jachym. König hat es immer wieder in seinem Priester- und Bischofsleben verstanden, für die Verwirklichung wichtiger Vorhaben Menschen zu finden, die ihm zuarbeiteten und denen er großen Freiraum ließ. Jachym hat klug und straff die Synode drei Jahre lang geführt. Was heute in den Pfarren an erneuerter Liturgie zu finden ist, an selbstbewusster Mitverantwortung der Laien, an Aufgeschlossenheit für die Ökumene, an Engagement für die Welt stammt aus dieser Zeit.

Königs eigener Leitungsstil

In den später wachsenden Auseinandersetzungen über Geist des Konzils und Grenzen der Erneuerung zeigte König den ihm eigenen Leitungsstil. Er stand gleichsam in der Mitte und blieb mit beiden "Parteien" im Gespräch. Er ließ viel zu, wusste davon und begleitete es auch. Ich gestehe, dass "wir" vom Ordinariat uns manchmal deutlichere Entscheidungen gewünscht hätten. Rückblickend aber finde ich, dass sein Stil die so schädliche Polarisierung, wie sie in anderen Diözesen aufkam, in Wien vermied und gleichzeitig auch "vorauseilende" Initiativen, die für kommende Entwicklungen wichtig sind, nicht behinderte.

Seit 1956 habe ich mit König eng zusammenarbeiten dürfen. Beim Rückblick auf dieses lange, reiche Leben bleibt mir folgendes Bild in Erinnerung: Ein Bischof, der alle Entwicklungen in der Kirche seit den dreißiger Jahren mitgemacht und mitgeprägt hat, ohne irgendwo stehen zu bleiben. Ein Bischof, der das Anliegen Johannes XXIII. voll verstand, dass sich die Kirche für das Gespräch mit der aufkommenden Moderne durch eigene Erneuerung rüsten müsse. Ein Bischof, der die Weichenstellungen des Konzils moderat durchführte und Priestern wie Laien Mut zur Eigenständigkeit gab. Ein frommer Mensch, der hohen Respekt vor der Suche des Menschen nach Gott auch in anderen Religionen hatte. Ein Mann mit wachem Geist, der sich selbst im hohen Alter noch ein brennendes Interesse an den Vorkommnissen in Kirche und Gesellschaft bewahrte, aber gerade auch deshalb mit Kritik, wo er sie für nötig erachtete, nicht sparte. Ein Bischof, der immer von einer "Weltkirche" träumte, deren Teile aber bei aller notwendigen Einheit selbständiger werden sollten. Der wohl, ähnlich wie damals bei der Atheismusdebatte, nicht alles Schlechte nur in der "Welt" suchte, sondern um die Verantwortung der Christen wusste, aber auch um ihr Versagen.

An seiner Bahre sollte man nicht nur einzelne Vorzüge loben, sondern erforschen: was hat er insgesamt gewollt, initiiert, noch vorgehabt? Was war es, das ihn so glaubwürdig weit über die Grenzen der Kirche machte? Königs Tod darf kein Ende einer Epoche sein, sondern ein Ansporn, in seinem Geist die Auf- und Umbrüche in Kirche und Gesellschaft mutig mitzugestalten.

Der Autor ist Weihbischof in der Erzdiözese Wien.

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