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Eine Mission des Friedens

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Aus dieser Liebe zu den Menschen und zur Kirche ist seine brüderliche Sorge zu verstehen, durch die er Wege der Wiedervereinigung für die getrennten christlichen Kirchen suchte. Aus der brüderlichen Sorge um alle Menschen kommen seine unermüdlichen Aufrufe zur Bewahrung, Sicherung und Festigung des Friedens.

Ich erinnere an die noch in aller Munde befindlichen Enzykliken „Mater et Magistra“ und „Pacem in terris“. Wie sehr diese Rundschreiben von ihm selber als Instrument einer geistlichen und weltweiten Mission aufgefaßt wurden, bestätigte mir von einigen Tagen einer seiner engsten Mitarbeiter. Im lateinischen Text des Rundschreibens „Pacem in terris“ steht am Rande einer nochmals gänzlich umgearbeiteten Seite die Bemerkung des Papstes, daß er zwischen 2 und 3 Uhr nachts daran gearbeitet habe. Ich weiß, daß der Inhalt des letzten Rundschreibens ihn bereits seit Dezember intensiv beschäftigt hat. Er hat diese Dokumente mit den Kräften seiner Gesundheit, mit seinem Herzblut in jene Form gebracht, die ihm vor Augen schwebte. Es war der Ton seiner Menschlichkeit und Bescheidenheit, der die Herzen der Menschen und Staatslenker rührte, aber auch für den Inhalt seiner Botschaft öffnete. Ohne der Lehre der Kirche, der Offenbarung und dem Worte Gottes auch nuT im geringsten Abbruch zu tun, sind seine Rundschreiben in das Licht einer so echten Liebenswürdigkeit und christlichen Bruderliebe getaucht, daß sie unmittelbar bewegen und ein kaum vorstellbares weltweites Echo auslösen.

Seine größte Tat aber wird in der Geschichte der Kirche die Einberufung des 2. Vatikanischen Konzils sein. Er hat dem bisherigen Verlauf seinen Geist eingehaucht und sein Antlitz aufgeprägt. Durch das Konzil sollte, so war es die ausgesprochene Absicht des Papstes, das Bild der Kirche wieder reiner und liebens-

werter jenen Menschen erscheinen, die sie nicht kennen oder nicht mehr an sie glauben.

Ich bin soeben von den Vorbereitungsarbeiten für die nächste Sitzungsperiode des Konzils zurückgekehrt und ich kann bezeugen, daß die Arbeit wieder ein gutes Stück vorwärts gebracht werden konnte. Durch den Tod

des Papstes wird ein Konzil unterbrochen. Es liegt beim Nachfolger, über den weiteren Gang des Konzils zu befinden. Aber soviel dürfte wohl heute schon sicher sein, daß alles, was durch die erste Sitzungperiode in Bewegung geraten ist, was an Maßnahmen eingeleitet wurde, was als neues Klima in der Kirche angesprochen wird — daß alle diese Dinge nicht mehr zurückgenommen werden können, sondern auch vom Nachfolger in der einen oder anderen Form weitergeführt werden müssen.

Daß am Konzil Beobachter der getrennten christlichen Kirchen teilgenommen haben, daß die Teilnahme von Bischöfen aus den kommunistischen Länder möglich wurde — das sind die besonders segensreichen johanneischen Züge des Konzils.

Wie glücklich wären wir, wenn das Konzil durch Johannes XXIII. noch hätte zu Ende geführt werden können. Daß es anders gekommen ist, wollen wir mit den Worten begründen, die der Heilige Vater selber in den letzten Tagen oft gebraucht hat: Es geschehe der Wille Gottes. Das Warum werden wir vielleicht später einmal begreifen. Wir müssen daher heute Abschied nehmen von seiner Person und seinem Werke. Vier Jahre und sieben Monate hat Johannes XXIII. die Kirche Christi regiert. Als der 77jährige am 28. Oktober 1958 durch die Stimmen der Kardinäle zum Papst erkoren wurde, haben viele den Kopf geschüttelt und gemeint: das könne wohl nur ein Übergangspapst sein. Ich will ehrlich gestehen, daß ich selber dieser Meinung war. Aus dem Übergangspapst wurde eine der ganz großen Gestalten der neueren Papstgeschichte. Sein bischöflicher Eifer drängte ihn — unbekümmert um alte Gepflogenheiten und Protokolle vieles zu tun, was sich viele nicht erwartet hatten. Als Bischof von Rom drängte es ihn zu den Mensehen hinaus, eilte er ans Krankenbett, besuchte er Spitäler und Gefängnisse und tauchte in Vorstadtpfarreien-auf. Zu Fuß hat'er an den Bußprozessiönen der Fastenzeit teilgenommen und wußte dabei immer neue Gelegenheiten ausfindig zu machen, um in seinen Ansprachen sich als besorgten Hirten und liebenden Vater zu zeigen.

Es grenzt fast ans Wunderbare, welcher Beliebtheit sich dieser Papst in kürzester Zeit erfreute und wie seine Popularität von Jahr zu Jahr stieg. Die vielen Anekdoten, die sich um seine Person gebildet haben, sind ein Ausdruck dafür, wie sehr er in den Herzen des einfachen Volkes verwurzelt ist.

Besuchern aus Österreich — ich war selber Zeuge, wie er an seinem Geburtstag zahlreichen Besuchern aus Wien eine bevorzugte Audienz einräumte — hat er zu wiederholten Malen von seiner ersten Reise nach Wien anläßlich des Eucharistischen Weltkongresses im Jahre 1912 erzählt, und welch großen Eindruck er damals von diesem Ereignis mitgenommen hatte.

Bei einer solchen unvergeßlichen Audienz haben wir ihm einmal einen Strauß Alpenblumen überreicht, die er dann in seine Privatkapelle mitnahm. Wir legen ihm heute nochmals einen Strauß Blumen aus unserer Heimat an seinen Sarg und fügen die Bitte hinzu, daß er für unsere Diözese und für unser Land ein treuer Fürsprecher am Throne Gottes sei. Wir Bischöfe und Priester wollen seinem

Vorbild nachstreben und so wie er selbstlos und gottverbunden dem Reiche Gottes in unserer Zeit und damit dem Frieden dienen.

,Wrpffe d,er ,Ki,r,che. wiederholen, mit denen er in den nächsten Tagen zur letzten Ruhe gebettet werden wird: „Eilet zu Hilfe ihr Heiligen Gottes, eilt ihm entgegen, ihr Engel des Herrn, empfanget die Seele und bringet sie vot die Augen des Höchsten. — Christus nehme dich auf, denn Er hat gerufen zu Seinem Dienst. In die ewige Heimat mögen die Engel dich geleiten.“ — Uns alle aber trösten die Worte, die Christus gesprochen hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an Mich glaubt wird leben, selbst wenn er schon gestorben ist. Und jeder der lebt und an Mich glaubt, stirbt nicht in Ewigkeit.“

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