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Was dünkt Euch?

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Die Wünsche deutschsprachiger Katholiken nach einem Kurienkardinal sind durch Papst Johannes XXIII. rascher erfüllt worden, als sie zu hoffen gewagt hatten. Während noch die Diskussion über eine solche Möglichkeit im Gange war und man sich in diesem oder jenem Kreis in Ueberlegungen bezüglich der am besten geeigneten kirchlichen Persönlichkeit vorwagte, war die Entscheidung bereits gefallen. Da der

Papst niemand zum Kardinal macht, ohne vorher dessen Zustimmung eingeholt zu haben, hat sich hier einer der im Vatikan so seltenen Fälle vollkommener Geheimhaltung bis zum letzten Augenblick ergeben. Deutscher Kurienkardinal wird also der Jesuitenpater Augustin Bea ,SJ., und sein Name wird am kommenden 14. Dezember in jener Liste aufscheinen, die Johannes XXIII. im Verlauf eines geheimen Konsistoriums dem versammelten Heiligen Kollegium mit der Frage vorlegen wird: „Quid pla- cet vobis? Was dünkt Euch?“ Aber Papst Ron- calli kann gewiß sein, daß diese, im übrigen ganz formelle Frage, nur mit einem einzigen Kopfnicken und mit einem einzigen Wort beantwortet wird: „Placet. Einverstanden.“

Pius XII., obwohl vielfach „Pastor Ger- manicus“ genannt, hat niemals einen Deutschen zum Kurienkardinal ernennen wollen, obwohl es auch zu seiner Regierungszeit an vielfachen Anregungen und vielleicht auch an Druck in dieser Richtung nicht gefehlt hat. Johannes XXIII. hingegen hat sich den berechtigten Wünschen der Katholiken deutscher Zunge nicht verschließen wollen, die Kraft, der Einfluß, die Zahl, die intellektuelle Lebendigkeit des deutschen Katholizismus erschienen ihm groß genug, um ihm auch in der kirchlichen Zentralverwaltung Rechnung zu tragen. Daß er aber nicht etwa einen deutschen oder österreichischen Diözesanbischof, sondern, einen einfachen und durch eine große persönliche Bescheidenheit gekennzeichneten Ordensmann auswählte, zeigt neuerlich die ehrfürchtige Ergebenheit des Papstes gegenüber seinem Vorgänger Pius XII. Denn Pater Augustin Bea, der im „Päpstlichen Jahrbuch“ immer unter dem italianisierten Namen Agostino Bea verzeichnet stand und daher von vielen für einen Italiener gehalten wurde, war der Beichtvater des Papstes Pacelli gewesen. Unter den möglichen Kandidaten war unter anderem auch der des persönlichen Ratgebers und Sekretärs Pius’ XII., P. Robert Leiber SJ., genannt worden; aber Papst Roncalli wollte das Angedenken an Pacelli auf eine spirituellere Ebene stellen, und so wählte er nicht den Berater in vielen, auch politischen Angelegenheiten Deutschlands, sondern den Berater seiner Spiritualität. P. Bea ist Badenser, 79 Jahre alt, und entfaltet trotz seiner nicht festen Gesundheit eine erstaunliche Arbeitskraft auf wissenschaftlichem Gebiet, leitet er doch das Institut für die höheren kirchlichen Studien der Gesellschaft Jesu in Rom und lehrt zugleich am Päpstlichen Bibelinstitut, ist Konsultor mehrerer Kongregationen und redigiert die Zeitschrift „Biblica“ seines Instituts. Von ihm stammt unter anderem auch eine musterhafte Uebersetzung der Psalmen ins Lateinische.

Es bedeutet eigentlich auch eine weitere Verbeugung vor dem katholischen Deutschland, daß sich der bisherige Nuntius Ludwig Muench, Titularerzbischof von Fargo, unter den zehn neuen Kardinälen befindet. Die Ernennung eines Nuntius zum Träger des Kardinalpurpurs ist immer auch als eine Auszeichnung für die Nation gemeint, bei der er zuletzt seine diplomatische Mission ausgeübt hat. So sehr, daß sich zum Beispiel Brasilien in einem Abkommen mit dem Heiligen Stuhl ausbedungen hat, der Nuntius dürfe nur im Falle der Kardinalserhebung abberufen werden. Ein Kardinal kann aber nicht Nuntius bleiben; daher übt er seine Funktionen bis zur Ernennung des Nachfolgers unteT dem Titel eines Pronuntius aus. Wer als Nachfolger in die Nuntiatur in Bad Godesberg einziehen wird, ist natürlich noch Geheimnis. Auf Anfrage antwortet man nur mit einem leisen Lächeln, von „einziehen“ könne man eigentlich nicht gut reden. Sollte dies bedeuten, daß sich der Nachfolger des Monsignore Muench bereits unter dem derzeitigen Personal der Nuntiatur befindet?

Die Betrachtungen über die zu Kardinälen erhobenen Kirchenfürsten liefern in diesen Tagen in Rom unerschöpflichen Gesprächsstoff in allen interessierten Kreisen, und deren gibt es hier sehr viele. Es wird zum Beispiel bemerkt, daß Johannes XXIII., obwohl er bisher keine besondere Vorliebe für den Jesuitenorden gezeigt hat, gerade einen Mann dieses Ordens ins Heilige Kollegium berufen hat, der seit 1944, seit dem Tode des Kardinals Boetto von Genua, keinen Vertreter mehr in der höchsten kirchlichen Ratsversammlung besessen hatte. Es wird bemerkt, daß seit den Zeiten des Kardinals Newman, des 1890 verstorbenen englischen Apologeten, kein protestantischer Konvertit mehr mit der Kardinalswürde ausgezeichnet worden war. Dies ist nämlich beim derzeitigen Dekan des höchsten Gerichtes der Kirche, der Sacra Rota Romana, der Fall: Monsignore William Theodore Heard war ursprünglich protestantischer Pastor. Man Will darin ein Zei-’ chen für die Unionsbestrebungen Johannes’ XXIII. sehen. Heard wurde im Jahre 1884 in Edinburgh geboren. Hier aber werden die Betrachtungen viel allgemeiner und wohl auch ein wenig polemisch.

Die Ankündigung des Geheimen Konsistoriums für Kardinalsernennungen und die Bekanntgabe der Namen hat sofort die verschiedensten Mutmaßungen über die Zielsetzungen des Papstes wachwerden lassen. Die in Frage kommenden Persönlichkeiten, die Nationen, denen sie angehören, die Stellung, die sie bisher bekleidet haben, lassen tatsächlich eine dreifache Absicht erkennen: die zunehmende Internationalisierung der römischen Kurie zumindest in ihren Häuptern; die Beendigung des für die kirchliche Zentralverwaltung abträglichen Zustandes der Aemterhäufung; das Vorantragen des Konzilgedankens selbst gegen den Widerstand einzelner Kirchenfürsten. Die Internationalisierung der Kurie macht tatsächlich wieder einen Schritt nach vorwärts: Während unter Pius XII. der Kardinaldekan Tisserant, Franzose, durchaus eine Sonderstellung einnahm, befinden sich nach dem 14. Dezember zwei Franzosen, ein Spanier, ein Nordamerikaner, ein Deutscher, ein Engländer, ein Argentinier und ein Armenier unter den in Rom ansässigen Kardinälen. Im Heiligen Kollegium stehen den 31 Italienern sieben Franzosen, vier Deutsche, sechs Nordamerikaner, fünf Spanier und 26 weitere, den verschiedensten Nationen angehörende Kardinäle zur Seite, insgesamt also 48.

Noch bemerkenswerter ist die Entschiedenheit, mit der Johannes XXIII. ein Jahr nach seiner Thronbesteigung die Entlastung der Kurienkardinäle von der drückenden Bürde vieler Aemter vorgenommen hat. Es muß nämlich gesagt werden, daß nicht alle Kurienkardinäle den Sinn der Worte richtig verstanden haben oder verstehen wellten, die Angelo Roncalli am 15. Dezember 1958 gesprochen hatte: „Wir wollen einigen unter Euch die Last erleichtern .. . damit ihre Energien, aber auch ihr Amt keinen Schaden erleide und sie die Unterstützung ihrer Amtsbrüder haben, zum größeren Nutzen der Kirche.“ Jedoch hatte sich gezeigt, daß durchaus nicht alle Kardinäle Lust zeigten, „sich die Bürde erleichtern zu lassen“, sondern daß sie an allen ihren Aemtern festhielten. Nun hat Johannes XXIII. ein energischeres Wort gesprochen und bestimmt, daß kein Kurienkardinal mehr als ein Amt in einer Kongregation bekleiden darf. Diesem Wort haben sich die Kardinäle in voller Disziplin gebeugt und sie haben dem Papst alle ihre Aemter zur Verfügung gestellt. Angelo Roncalli hat aus ihnen jenes Amt herausgegriffen, für das er den Kardinal am besten geeignet hielt und es ihm wiederverliehen.

Der Fall des Kardinaldekans Eugène Tisse- rant hat eine gewisse Sensation hervorgerufen, weil man aus ihm einen gewissen Gegensatz zwischen dem Kirchenfürsten und dem Papst herauslesen will. Tisserant hat nämlich erklärt: „Der Heilige Vater hat vorgezogen, daß ich mich der intellektuellen Tätigkeit widme, und so habe ich mein Amt als Sekretär der Kongregation für die Ostkirche gelassen, um bloß Bibliothekar und Archivar der Heiligen Römischen Kirche zu bleiben." Enthalten diese Worte eine leichte polemische Spitze gegen den Papst? Sicherlich bedeutet es im Leben des Kardinals Tisserant eine beachtliche Wendung, wenn er statt der ihn durch die ganze Welt führenden Tätigkeit als verantwortlicher Leiter der Kongregation für die Ostkirche mit ihren vielfältigen und hochwichtigen Kontakten und Ver-

bindungen zu den Exponenten anderer christlicher Bekenntnisse plötzlich in die dunklen, würdigen Säle der vatikanischen Bibliotheken und Archive verpflanzt wird. Man erinnert sich der äußersten Vorsicht, mit welcher der Kardinal die Verbindungen mit den anderen christlichen Kirchen im Zusammenhang mit der Vorbereitung des ökumenischen Konzils aufgenommen beziehungsweise nicht aufgenommen hat. Ist diese Vorsicht vielleicht nicht so ganz in den Intentionen des Papstes gelegen gewesen? An seine Stelle tritt ein Mann, zwischen dem und Johannes XXIII. ein enges, auch persönliches Vertrauensverhältnis besteht: Kardinal Amleto Cicognani. Es scheint, daß auch diese Ernennung den Unionsbestrebungen des Papstes dienen soll, jenen Bestrebungen, die nach den ersten Ankündigungen des Konzils so große Hoffnungen erweckt hatten und dann, man weiß nicht recht durch welche Einflüsse, immer mehr zu versanden schienen. Es war bezeichnend genug, daß in der letzten Pressekonferenz des Kardinal- Staatssekretärs Tardini über die Vorbereitungen zum Konzil von dieser Union kaum mehr die Rede gewesen war. Johannes XXIII. wird die neue Tätigkeit der Kurienkardinäle sicherlich ganz in den Dienst dieser Vorbereitungen stellen wollen, ja es wird behauptet, daß das Konsistorium vom 14. Dezember das Ende der Phase „antepraeparatoria“, also der Vor-Vorberei- tungszeit, bezeichne und die Phase der Vorbereitungszeit für das große Konzil der katholischen Kirche mit ihm beginne.

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