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Ins neue Konklave

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Nur 33 Regierungstage Johannes Pauls I. - und abermals erinnert das Trauergeläute vom Campanile der Petersbasilika an eine neue Sedisva-kanz. Nach der ersten Bestürzung und Verwirrung beginnt man sich im Vatikan auf die neue Situation einzustellen. Die Leitung der katholischen Kirche hegt in diesen Wochen beim Kollegium der Kardinäle, welches allerdings nur Vollmacht zur Regelung der normalen und unaufschiebbaren Angelegenheiten besitzt. Gegenwärtig leben 127 Kardinäle, doch sind nur 112 wahlberechtigt, weil 15 Kardinäle zu Beginn des Konklaves das 80. Lebensjahr überschritten haben werden. Unter der Voraussetzung, daß zwei Kardinäle krankheitshalber an der Teilnahme des Konklaves verhindert sind, werden 110 Kardinäle den kommenden Papst wählen. Es sind 55 Europäer (unten ihnen 26 Italiener), 11 Nord- und 19 Lateinamerikaner, 12 Afrikaner, neun Asiaten und vier Australier bzw. Ozeanier.

Am 30. September versammelten sich die in Rom anwesenden Kardinäle zu ihrer ersten Generalkongregation. Sie beschlossen die Begräbnisfeierlichkeiten am 4. Oktober um 16 Uhr, die mit einer Messe auf dem Vorplatz von St. Peter beginnen werden; anschließend wird der Leichnam des Papstes in der Vatikanischen Grotte beigesetzt. Danach werden die „Novemdialen“, die offiziellen neun Trauertage, beginnen. Auch wurde - übrigens erstaunlich schnell - der Beginn des Konklaves auf den 14. Oktober festgesetzt.

Entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen sind alle Kardinäle, die die Kongregationen der römischen Kurie leiten, also die Kurienkardinäle, zurückgetreten. Daher ist Jean Vil-lot nicht mehr Kardinalstaatssekretär, behält aber sein Amt als Camerlengo der katholischen Kirche bei -ein Amt, das erst jetzt in der Sedisva-kanz zur vollen Geltung kommt, weil ihm entscheidende Vollmachten zukommen. Ihre Ämter behalten ferner der Großpönitentiar und der Generalvikar für die Diözese von Rom. Außerdem bleibt der Substitut im Staatssekretariat in seinem Amt

Uber ein Testament ist derzeit wenig bekannt. Außer einer beiläufigen Bemerkung Johannes Pauls I. dürfte ein etwa 15 Zeilen umfassendes Testament vorhanden sein, doch konnte es bisher nicht aufgefunden werden. Möglicherweise liegt es unter verschiedenen Schriftstücken in einem der Privatzimmer des Papstes, die aber bis zur Wahl des neuen Papstes versiegelt bleiben.

Es lockt schon jetzt, mit etwas Phanthasie und Kombinationsfreudigkeit zum berühmten Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle zu blicken. Wessen Wahl wird der weiße Rauch verkünden? Namen zu nennen, wollen wir anderen überlassen, hier sollen nur einige Hinweise gegeben werden.

Alles spricht dafür, daß die Kardinäle den kirchenpolitischen Weg, den Johannes XXIII. so mutig und impulsiv eingeschlagen hat, den Paul VI. so taktvoll und zielbewußt weiterzuführen versuchte und zu welchem sich Albino Luciani durch die Wahl seines ungewohnten Doppelnamens Johannes Paul I. in kaum überbietbarer Deutlichkeit bekannte, auch in einem kommenden Ponti-fikat fortgesetzt sehen wollen.

Der in der letzten Sedisvakanz so laut gewordene Ruf nach einem Seelsorger-Papst ist inzwischen nicht verhallt. Die meisten der Kardinäle sind Diözesanbischöfe und empfanden im Verlauf der letzten zehn bis

fünfzehn Jahre ein nicht immer entsprechendes Verständnis für die seelsorglichen Anliegen. Der Ruf nach mehr seelsorgerlichem Spürsinn schließt die Wahl eines Kurienkardinals nicht aus. Mehrere unter ihnen haben seelsorgerliches Talent und Erfahrung.

Wenn die durchaus glaubwürdigen Informationen richtig sind, daß im letzten Konklave nach Albino Luciani der Kardinal mit den meisten Stimmen ein konservativer italienischer Diözesanbischof war, dann hegt die Vermutung nahe, daß auch diesmal der neue Papst - wie sein Vorgänger - aus dem gemäßigt-konservativen Lager kommen wird. Diese Beobachtung entspricht dem häufig geäußerten Wunsch, nach einer Zeit der Reformen und des Aufbruches solle nUn eine Periode der

Beruhigung und der besonnenen Durchführung der beschlossenen Reformen treten.

Albino Luciani hat in den wenigen Tagen seines Pontifikates gezeigt, daß Glaubwürdigkeit, Schlichtheit und Ausstrahlungskraft zu den wichtigsten Eigenschaften eines Papstes gehören. Offensichtlich wünscht das Volk Gottes weniger einen starken Manager, der den kirchlichen Apparat in Schwung hält, als vielmehr einen Priester, der ihr Leben mit Glauben und Zuversicht erfüllt und Liebe auszustrahlen versteht.

Auf ein spezifisch neues Element, das im kommenden Konklave eine Rolle spielen dürfte, hat Kardinal Franz König erst kürzlich hingewiesen: Der plötzliche Tod Johannes Pauls I. müsse eine Warnung vor einer physischen und psychischen

Uberbelastung eines Papstes sein und ein Hinweis auf die Notwendigkeit, in Zukunft viel stärker als bisher die Belastung durch Teilung und Delegierung der Aufgaben auf ein menschlich erträgliches Maß zu verringern.

Die Arbeitsbelastung der Päpste ist durch die Entwicklung der Zeit, insbesondere durch neue Wege der Nachrichtenvermittlung, wie Transportmöglichkeiten, bedeutend angestiegen. Die Sorgen und Nöte der Weltkirche treffen heute viel rascher, unmittelbarer und ungeschützter auf die Person eines Papstes. Auch die Audienzen sind im Verlaufe der letzten Jahrzehnte auf ein geradezu problematisches Höchstmaß angestiegen. Hinzu kommt: der Papst weiß heute, daß alle seine bedeutenderen Äußerungen und Auftritte auf Tonband und Film festgehalten werden.

War es schon für einen früheren Papst schwer, sich in den komplizierten Apparat des Vatikans einzuarbeiten, so ist das nach Paul VI. noch schwieriger geworden. Dieser Papst führte eine Kurienreform durch, die eine Zentralisierung nicht nur in der Weltkirche, sondern auch innerhalb des vatikanischen Apparates selbst einleitete. Was Montini seinen Nachfolgern hinterläßt, ist ein Apparat, in dem er seit 24 Jahren lebte und der nach und nach immer mehr auf seine Person zugeschnitten war.

Wenn man einen nichtkurialen italienischen Diözesanbischof zum Papst wählen will, dann versetzt man diesen in die Schwierigkeit, sich in einen ihm völlig fremden Apparat einzuarbeiten, der möglicherweise seinem Naturell widerspricht. Vielleicht war der rasche Tod dieses so gewissenhaften, sensiblen und spirituellen Papstes Luciani die Folge einer psychischen und physischen Belastung, der er nicht gewachsen war.

Im kommenden Konklave dürfte eine solche und ähnliche Überlegungen eine nicht geringe Rolle spielen. Vielleicht wird die Vertrautheit mit dem komplizierten vatikanischen Verwaltungs- und Regierungsapparat wieder stärker als Wert erkannt. Bei der Wahl Montinis spielte dieser Gesichtspunkt eine sehr große Rolle. Kurie und Seelsorge sind schließlich keine Gegensätze.

.So sprach Johannes Paul L:

„Im Mittelpunkt unserer Überlegungen und der Verkündigung muß aber stets der Mensch selbst stehen. Ihm gilt es, inmitten der vielfältigen Anfechtungen und Verirrungen unserer Zeit neue Zuversicht und Hoffnung aus dem Glauben und Mut zu einem wirklich christlichen Lebenszeugnis zu vermitteln.

Wir müssen deyi Menschen vor allem glaubhaft verkünden, welch unermeßlichen Wert der Mensch selbst darstellt und wie dieser Wert in seiner ganzen Tiefe und Fülle nur in Gottes Liebe und Treue zu uns grundgelegt sein kann. Wir müssen aufzeigen, wie jeder nur innerweltliche Begründung der Menschenwürde diesen Wert zu gering ansetzt.

Diese Hoffnung, die aus dem Vertrauen in Gottes Nähe und Vorsehung erwächst, gibt den Eltern den Mut, Kinder zu zeugen und sie in diese Welt einzuführen. Diese Zuversicht begleitet die Kinder und Jugendlichen, wenn sie mit stau-

nenden und zugleich furchtsamen Augen ihren Standpunkt suchen und das Risiko, zu wachsen und sich zu verändern, auf sich nehmen.

Christliche Hoffnung läßt junge Menschen weiterhin an die Kraft der Treue für ihre Ehe glauben, veranlaßt Männer und Frauen, sich nach besten Kräften in ihrem Beruf einzusetzen. Im Glauben sind wir motiviert, das Gut im Mitmenschen vorauszusetzen und zu versuchen, mit ihm zusammen in Einheit und Frieden zu leben. Die alten Menschen unter uns wissen in der gleichen christlichen Hoffnung, daß ihr Wert vor Gott nicht abnimmt, wenn sie müde und schwach geworden sind und nicht mehr schaffen können ... In Christus wurzelnde Hoffnung schenkt immer wieder Menschen unter uns die Gnade, den Glauben an Gott mitten im Sterben zu bezeugen.

(Aus der Botschaft des Papstes an den deutschen Katholikentag in Freiburg/Breisgau. 8. September)

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