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„Neue Kirchenpolitik im Ostblock ist denkbar“

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FURCHE: Es heißt, Sie seien einer der „Papstmacher“ des Konklaves gewesen...

KARDINAL KÖNIG: Was soll ich dazu sagen? Ich bin durch die Schweigepflicht gebunden. Aber ich kann bestätigen, was schon berichtet worden ist, daß es nichtitalienische Kardinäle - Süd- und teilweise Nordamerikaner, auch Europäer - waren, die im Hinblick auf die schwierige Situation Italiens noch einmal einen italienischen Papst zu wählen bereit waren. Wieder kam es dann, wie schon beim Konklave zuvor, zur Überraschung des Kollegiums und des Gewählten ganz anders. Aber ich möchte schon sagen, daß viele der besonders auch in der italienischen Presse angestellten Spekulationen stark von der Vorstellung bestimmt waren, es gehe hier zu wie in einem politischen Gremium. Das stimmt eben nicht.

FURCHE: Worin sehen Sie die Bedeutung dieser Papstwahl?

KÖNIG: Nach der Reformation zog sich die Kirche in den Vatikan, an das Petrusgrab, zurück. Seither trug die Kirche ein italienisches Antlitz: Päpste, Kardinäle, Administratoren wa-

ren Italiener. Schon im Ersten Vaticanum hat sich ein europäisches Antlitz gezeigt: Die Europäer diskutierten, die anderen hörten, überspitzt formuliert, zu. Das Zweite Vaticanum hat die Weichen in Richtung In-ternationalisierung gestellt, und schon Paul VI. hat diesen Auftrag bei Kurial- und Kardinalsernennungen durchgeführt. Jetzt hat die Universalität der Kirche auch in der Person des Papstes symbolhaft Ausdruck gefunden.

FURCHE: Es gibt allerdings auch den Einwand, ein nichtitalienischer Papst würde sich noch weniger als seine Vorgänger als Bischof von Rom fühlen und noch mehr ein Weltkirchenregiment führen wollen, während ein sich vor allem als Bischof von Rom verstehender Papst ruhig Italiener sein sollte.

KÖNIG: Der Papst ist als Nachfolger des heiligen Petrus Bischof von Rom - er ist kein „Uberbischof'. Aber er soll nicht eine Art kirchlicher „UNO-Präsident“ ohne Verbindung zu einer Gemeinde sein, mit der er betet und feiert und der er sich verbunden fühlt. Das aber kann nicht ein Bistum irgendwo in der weiten Ferne sein.

FURCHE: Ist Johannes Paul II. nun ein „gemäßigt konservativer“ oder ein „gemäßigt liberaler“ Papst? Beides wurde von ihm behauptet.

KÖNIG: Auch diese Begriffe stammen aus der Politik und sind mißverständlich. Auch hat sich schon am Konzil gezeigt, daß viele Bischöfe in einer bestimmten Frage einen Standpunkt wie die Gruppe der Konservativen, in einer anderen Frage einen solchen der progressiven Gruppe einnahmen. Die Grenzen fluktuieren.

FURCHE: Von Paul VI. konnte t man, etwas vereinfachend, immerhin sagen, er sei in dogmatischen Fragen konservativ, in Fragen von Politik -und Sozialordnung progressiv gewesen. Könnte dies auch auf Johannes Paul II. zutreffen? KÖNIG: Der schätzte Paul VI. sehr.

Aber er wird sicher einen sehr persönlichen eigenen Stil verfolgen. Das haben schon seine ersten Tage im Amt gezeigt.

FURCHE: Worin sehen Sie seine besondere Stärke?

KÖNIG: In der doppelten Ausstrahlung, die er hat - eine tief innerliche religiöse Frömmigkeit und eine starke menschlich-humanistische Ausstrahlung. Er ist ein Europäer von Format, der nicht nur den Osten, sondern auch den Westen gut kennt und derseit 1971 an der Vorbereitung aller Bischofssynoden mitwirkte. Er ist ein Intellektueller mit Herz.

FURCHE: Wird er die Inhaber der kurialen Ämter bestätigen, wie Johannes Paul I. dies getan hat?

KÖNIG: Alles deutet darauf hin, daß er dies nicht en bloc tun wird. Ich nehme an, er wird sich jede Bestellung sehr genau überlegen.

FURCHE: Werden Sie annehmen, wenn er Sie wieder mit der Leitung des Sekretariats für die Nichtglau-benden betrauen möchte?

KÖNIG: In Gottes Namen, ja. Aber ich habe diese Stelle schon zu Lebzeiten Pauls VI. schriftlich angeboten. Man muß einmal Ämter abgeben, die man schon lange innehat - und je rechtzeitiger desto besser.

FURCHE: Erwarten Sie Änderungen im Verhältnis zwischen der Kirche und den kommunistischen Staaten?

KÖNIG: Zweierlei ist möglich -entweder daß sich die Dinge jetzt verhärten und alles noch schwieriger wird, oder daß die staatlichen Gesprächspartner ihre Positionen revidieren. Ich halte dies angesichts des enormen Echos auf die Wahl eines polnischen Kardinals zum Papst nicht für unwahrscheinlich. Als Staatsmann hätte ich Angst, daß sich zuviel verdrängter Glaube im Untergrund ansammelt und dieser Untergrund eines Tages nicht mehr kontrollierbar ist...

(Mit dem Erzbischof von Wien sprach Hubert Feichtlbauer.)

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