Kirche - © Foto: Pixabay

Papst Franziskus und der Kampf um Rom

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Ein völlig neuer Stil an der Kirchenspitze - Vorrang "pastoraler" Lösungen vor moralischem und dogmatischem Rigorismus, Widerstand von Kurie und Konservativen: Vor vier Jahren begann das außergewöhnliche Pontifikat von Papst Franziskus. Eine Zwischenbilanz.

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Ein völlig neuer Stil an der Kirchenspitze - Vorrang "pastoraler" Lösungen vor moralischem und dogmatischem Rigorismus, Widerstand von Kurie und Konservativen: Vor vier Jahren begann das außergewöhnliche Pontifikat von Papst Franziskus. Eine Zwischenbilanz.

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"Ein Kampf um Rom", der Titel des bekannten historischen Romans von Felix Dahn, trifft nicht nur auf die politische Lage des 6. Jahrhunderts zu. Diese Überschrift passt auch für die immer wieder auftretenden innervatikanischen Konflikte. Während diese aber bisher in der Regel eher diskret abliefen, wird heute mit dem US-amerikanischen Kardinal Raymond Burke an der Spitze in aller Öffentlichkeit gegen den Papst opponiert, und zwar just von jenen konservativen Kreisen, die sich stets als besonders "papsttreu" gaben. An Papst Franziskus, der vor vier Jahren, am 13. März 2013, gewählt wurde, scheiden sich die Geister.

Bereits dessen erster Auftritt wirkte wie der Start in eine neue Ära der Kirchengeschichte. Mit seinem Gruß "buona sera" und der Bitte an das Volk, ihn zu segnen, gewann der damals bereits 76 Jahre alte Argentinier Jorge Mario Bergoglio die Sympathien unzähliger Menschen, weit über die katholische Kirche hinaus. Von einem römischen Taxifahrer ist der Spruch überliefert: "Ich bleibe Atheist. Aber seit der Wahl von Franziskus glaube ich an den Heiligen Geist."

Dass sich der erste Südamerikaner und erste Jesuit auf dem Stuhl Petri Franziskus nennt, bedeutet ein Programm: besonderes Augenmerk auf die Armut und die Umwelt. Glaubwürdig wirkt er durch den eigenen einfachen Lebensstil. Zum weißen Papstgewand trägt Franziskus nur ein Brustkreuz aus Eisen. Er wohnt nicht im Apostolischen Palast, sondern nach wie vor im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Er verhält sich wie jene Bischöfe, die sich in einem 1965 am Rande des Zweiten Vatikanischen Konzils geschlossenen "Katakombenpakt" zu einfachem Leben verpflichtet haben.

Neue Freude an der Kirche

Für den emeritierten Wiener Weihbischof Helmut Krätzl wurde die Entwicklung der Kirche nach diesem Konzil "im Sprung gehemmt". In seinem jüngsten Buch "Meine Kirche im Licht der Päpste" äußert Krätzl nun wieder Hoffnung: "Papst Franziskus hat mir trotz meines vorgerückten Alters noch einmal neue Freude an der Kirche und am Wirken Gottes geschenkt." Das Papstamt habe durch Jorge Mario Bergoglio "ganz neue Dimensionen" bekommen. Mit der Feststellung, dass sich Franziskus mehr an Jesus von Nazaret als an kirchlichen Traditionen orientiere, kommt der deutsche Vatikanjournalist Andreas Englisch im Buch "Franziskus -Ein Lebensbild" zu dem Schluss: "Die Arbeit dieses Papstes an seiner Kirche wird als drastischer Einschnitt in die Kirchengeschichte eingehen."

Keinen Bruch mit der Vergangenheit, wohl aber "neue Akzente" sieht Joseph Ratzinger, der durch seinen überraschenden Rücktritt als Papst Benedikt XVI. den Weg für Franziskus freigemacht hat, im Interviewbuch "Letzte Gespräche". Er antwortet auf die Frage, ob er mit seinem Nachfolger zufrieden sei: "Ja. Eine neue Frische in der Kirche, eine neue Fröhlichkeit, ein neues Charisma, das die Menschen anspricht, das ist schon etwas Schönes."

Nicht wenige sind skeptisch, dass sich im laufenden Pontifikat in der katholischen Kirche viel geändert hat oder noch ändern wird. Franziskus setze meist nur Symbolhandlungen - etwa die Reise nach Lampedusa oder die Fußwaschung an jungen, auch nichtchristlichen Häftlingen. Doch die neuen Dimensionen - die schon mehr sind als "Akzente" - sind durchaus spürbar, wenn man den heutigen Bischof von Rom mit seinen Vorgängern vergleicht.

Als Gaudium magnum, also als große Freude, wird ein Papst der Welt verkündet, doch kaum einer hat so intensiv selbst ständig die Freude am Christentum betont wie Franziskus, vor allem in seinen Apostolischen Schreiben über die "Freude des Evangeliums" (Evangelii gaudium) oder die "Freude der Liebe"(Amoris laetitia). Der Mann, der eine "arme Kirche für die Armen" anstrebt, erntet mit seinem Einsatz für eine humane Flüchtlingspolitik und für soziale Gerechtigkeit oder mit Sätzen wie "Diese Wirtschaft tötet" viel Zustimmung, aber auch heftige Ablehnung. Er scheut sich nicht, den Widerstand konservativer Kreise herauszufordern. Mit seinem Eintreten für mehr Barmherzigkeit - neben der Freude das Hauptthema dieses Papstes - gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen, aber auch mit neuen Tönen zum Thema Sexualität hebt er sich deutlich von Johannes Paul II. ab. In der Ablehnung des Priestertums der Frau scheint er zwar auf der Linie des Wojtyła-Papstes, doch es dürfte keineswegs eine Alibiaktion sein, dass er die Möglichkeit prüfen lässt, Frauen zum Diakonat zuzulassen.

Die Kurie und ihre "Krankheiten"

Sein geschwisterliches Zugehen auf andere christliche Kirchen lässt das ökumenisch unsensible Dokument Dominus Iesus aus dem Jahr 2000 vergessen, für das seine Vorgänger, Ratzinger damals noch als Präfekt der Glaubenskongregation, die Verantwortung trugen. Zu den großen Leistungen von Franziskus zählt das Einleiten rigoroser Aufräumarbeiten in der in den letzten Jahrzehnten zum "Geldwäsche -Institut" verkommenen Vatikanbank. Eine der Herkulesaufgaben, die noch zu erledigen sind, ist die Reform der Kurie, der Papst Franziskus beinhart ihre "Krankheiten" vorgehalten hat.

Unter Franziskus wurde erstmals eine Bischofssynode -jene zur Familie -durch eine weltweite Umfrage unter Einbeziehung der Laien vorbereitet. Auf sein Konto geht die erste Ökologie-Enzyklika, Laudato si, die viel Anerkennung fand und -auch das wohl eine Premiere - vom Journalisten Hubert Gaisbauer sogar zu einem Kinderbuch verarbeitet wurde.

Wenn man Franziskus etwas vorwerfen kann, so sind es saloppe Äußerungen -etwa zum Thema Teufel oder zum Klaps als Mittel der Kindererziehung. Die Medienwelt hält sich aber mit Kritik an dem immer authentisch wirkenden Argentinier eher zurück, die härteste Kritik kommt meist aus den eigenen konservativen Reihen.

Suche nach pastoralen Lösungen

Während seine heftigsten Kritiker behaupten, Franziskus verlasse mit seinen oft überraschenden Äußerungen die traditionelle Lehre, meint Helmut Krätzl zu Recht, dass der Papst nicht die Lehre ändern, sondern pastorale Lösungen für den Einzelfall suchen wolle: "Freilich erhebt sich dabei die Frage, wie weit Lehre und Praxis auseinanderdriften dürfen. Ich wundere mich, dass der Papst nicht auch die Lehre ändert, wenn die Kirche insgesamt und vor allem durch die gewissenhafte Arbeit der Theologie zu neuen Erkenntnissen gekommen ist." So kann sich Krätzl in der Frage der Empfängnisverhütung eine Änderung der Lehre der Enzyklika Humanae vitae von Paul VI. oder in der Frage des Kommunionempfanges von wiederverheirateten Geschiedenen ein Abgehen vom Schreiben Familiaris consortio von Johannes Paul II. vorstellen.

Wenn Reformen ausbleiben, liegt das aber nicht nur am Papst, sondern auch an den Bischöfen, nicht nur an den offen oppositionellen, sondern vor allem auch an den vorsichtigen und untätigen. Franziskus ermutigt die Bischöfe immer wieder, neue Wege ins Auge zu fassen. Sein Kirchenbild, jenes des Konzils, dem er endlich zum Durchbruch verhelfen will, sieht nicht vor, dass der Bischof von Rom einsame Entscheidungen trifft, sondern im Konsens mit kollegial kooperierenden Bischöfen. Da Bischöfe aber unter seinen Vorgängern stets die Erfahrung machten, dass das Vorbringen von Reformvorschlägen -sofern sie diese überhaupt selbst befürworteten - in Rom nie etwas anderes brachte als Schlechtpunkte für den jeweiligen Bischof, herrscht nach wie vor Lähmung im Episkopat.

Wie viel Zeit bleibt Franziskus noch für Personalpolitik in seinem Sinn? Schließen sich die Bischöfe und Kardinäle, zumindest jene, die der nun bereits 80-Jährige bereits ernannt hat und noch ernennen kann, aktiv seinem Reformkurs an? Oder wächst womöglich die konservative Opposition? Von den Antworten auf diese Fragen hängt ab, ob dieser Pontifikat für die römisch-katholische Kirche einen nachhaltigen Neuaufbruch oder nur ein Zwischenspiel bedeutet.

Papst Franziskus und seine Vorgänger

Podiumsdiskussion mit Bischof Helmut Krätzl und Heiner Boberski. 1010 Wien, Stephansplatz 3/2.Stock. Di 14.3., 19.00 www.bildungswerk.at

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