Frohe Botschaft - aus Rom

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Der auf politische Bewertung getrimmte Mainstream der Medien der Welt hat sich vor allem der politischen Aussagen und inner- wie außerkirchlichen Implikationen angenommen, die Papst Franziskus durch sein Schreiben "Evangelii Gaudium“ vorgelegt hat. Dabei wäre zuvorderst über die Tönung und Grundierung, die der Bischof von Rom vornimmt, zu reden.

Da ist einmal Freude (nicht nur im Titel "Freude des Evangeliums): Christen verkünden eine frohe Botschaft - trotz der Probleme der Welt, trotz des himmelschreienden Unrechts der Armen, für die sich Franziskus auch in seinem Schreiben so einsetzt. Eine zweite Grundierung ist die der Barmherzigkeit, die jedenfalls vor aller moralischer und dogmatischer Strenge kommt. Und als drittes ist das freie Artikulieren des Volkes Gottes: Verkündigung müsse "mit dem Ohr für das Volk“ geschehen, so Franziskus wörtlich.

Allein diese Grundierung, die der Papst seiner Kirche gibt, ist enorm befreiend. Sie stellt den eigentlichen Paradigmenwechsel dar - und der müsste dann revolutionäre Auswirkungen auf aktuelle Fragestellungen und Diskussionen zeitigen.

Es deutet da vieles auf eine Änderung des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen hin, auch wenn der Chef der Glaubenskongregation bis zuletzt eisern verkündete, nichts werde sich ändern.

Kirchliche Strukturen müssen näher ans Volk

Aber nun muss auch Erzbischof Gerhard Ludwig Müller lesen, dass sein Papst den Kirchenvater Augustinus zitiert, dass die Eucharistie "nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen“ ist. Und "mit dem Ohr für das Volk“ bedeutet quasi automatisch, dass die kirchlichen Strukturen näher an dieses Volk zu führen sind. Auch da hat Erzbischof Müller zuletzt noch bekräftigt, dass die Bischofskonferenzen eigentlich bedeutungslos sind. Doch dem entgegen will Franziskus genau diesen auch lehramtliche Autorität zugestehen. Dezentralisierung steht so weit oben auf der Agenda.

All das impliziert eine offene Diskussion aller Fragen, die Gläubige bewegen. Gelänge dies, wäre das der erste wirklich revolutionäre Schritt, denn die letzten Kirchen-Jahre waren vom Gegenteil geprägt: Bei Besetzungen von Bischofs- und theologischen Lehrstühlen kamen vor allem solche Kandidaten zum Zug, die für das Fortschreiben des Bestehenden und keinerlei Widerstand gegen römische Direktiven und Zumutungen standen.

Auswahl der Bischöfe ist so wichtig wie die Dezentralisierung

Das ist eines der großen Fragezeichen fürs Gelingen des Paradigmenwechsels: Franziskus misst den einzelnen Bischöfen eine große Rolle zu; die werden aber, wie der scheidende Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser einmal in einem FURCHE-Interview meinte, einen ordentlichen "Schubser vom Heiligen Geist“ brauchen. Und der Laie an der Basis setzt hinzu: Gerade die Auswahl der Bischöfe muss revolutioniert werden, soll das aufgehen, was der Papst andenkt. Bischofsbestellungen ohne Transparenz oder via Vernaderungen in Rom (siehe noch den jüngsten Dreiervorschlag für Salzburg!) müssen der Vergangenheit angehören.

Dass Streitthemen - etwa die Weihe von Frauen - auch von Franziskus abschlägig beschieden werden, irritiert weniger, denn man sollte realistisch beleiben: Nicht nur die Pius-Brüder würden einen Pontifex mit nassen Fetzen aus dem Vatikan jagen, käme der entsprechenden Forderungen nach. Aber dem "Ohr für das Volk“ kann auf Dauer nicht verborgen bleiben, dass dieses ein "Schluss der Debatte“ aus Rom nicht akzeptiert.

Man versteht die Ungeduld der Reformer, denn solange das Papsttum strukturell so aufgestellt ist wie jetzt, kann es schnell wieder zum Versuch kommen, die Schlachtreihen des Katholischen zu schließen. Ein bald 77-Jähriger auf dem Bischofsstuhl von Rom weiß: Viel Zeit hat er nicht. Man hofft inständig, dass er seine Worte auch in - strukturelle - Taten umsetzen kann.

otto.friedrich@furche.at

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