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Hoffnung auf Dialog

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Durch die „Kölner Erklärung“ (siehe Seite 8) hat sich ein Konflikt dramatisch zugespitzt, der — genau genommen — seit der Veröffentlichung der Enzyklika „Humanae vitae“ im Jahr 1968 latent vorhanden war. Seit damals weiß man, daß viele Katholiken — und darunter viele Theologieprofessoren — in Fragen der Empfängnisverhütung anderer Meinung sind als der Papst. Zur Verschärfung der Lage hat sicher geführt, daß Johannes Paul II. in jüngster Zeit besonders deutlich Gefolgschaft und Gehorsam in diesem Punkt verlangte.

Was der Papst am 12. November 1988 in Rom vor dem Moraltheolo- gen-Kongreß, der vom römischen

akademischen Zentrum Santa Croce (Opus Dei) und vom Insti# tut für Ehe- und Familienforschung, geleitet von Monsignore Carlo Caffarra, einberufen worden war (FURCHE 46/1988), zu- „Humanae vitae“ sagte (siehe Seite 7), war denn auch — so der Bonner Moraltheologe Franz Böckle unlängst im ORF — Hauptanlaß für die „Kölner Erklärung“ (in die dann natürlich auch noch alle anderen brennenden Fragen verpackt wurden). Vor allem, daß der Papst bereits das bloße Diskutieren dieser Frage als unzulässig verwarf, rief die Theologen auf den Plan.

Kurz nach den Theologen meldeten sich übrigens 34 Abgeordnete der Christlich-Sozialen Union (CSU) im Bayerischen Landtag „in großer Sorge, aber auch in tiefer Verbitterung“ mit einem Schreiben an den Papst zu Wort, in dem sie vor allem gegen die auf dem besagten Kongreß gemachte Aussage des Monsignore Caffarra, wer Verhütungsmittel benutze, habe die Einstellung eines Mörders, protestierten: „Wir fragen uns, Heiliger Vater, wie wir katholische Eheleute angesichts, derartiger Entgleisungen noch Liebe für unsere Kirche, zu der wir uns bekennen und an der wir hängen, empfinden sollen.“ Die CSU-Politiker erhielten Rückendeckung von einem Sprecher des Münchner Erzbischöflichen Ordinariates: Ihr Schreiben sei „sachlich gerechtfertigt und menschlich verständlich“.

Die Theologen stießen sich auch an der Ansprache des Papstes am 15. Oktober 1988 zum Ad-limina- Besuch der Bischöfe aus den USA. Dabei hatte Johannes Paul II. viel vom Gewissen, vom Lehramt und von der Unfehlbarkeit gesprochen und hatte zu letzterer erklärt, sie sei „gegenwärtig nicht nur in den feierlichen Erklärungen des römischen Pontifex und ökumenischer Konzile, sondern auch im universalen und gewöhnlichen Lehramt“.

Bernhard Häring, Moraltheologe und Mitunterzeichner der „Kölner Erklärung“ hat dem Papst schon im November geschrieben, daß eine „Überbetonung über streng ausgelegter Normen auf dem Gebiet der Sexualität“ der Autorität des Papstes und der Kirche schade: „Verlangen wir auf diesem schwierigen Gebiet auch nur ein Jota mehr als wir

sinnvoll aus der Offenbarung oder aus gläubiger Vernunft begründen können, so verlieren wir den Kredit. Man hört einfach nicht mehr auf uns.“ Als Häring keine Antwort aus Rom bekam, veröffentlichte er — knapp nach der „Kölner Erklärung“ - sein Schreiben.

Häring hat auch in einem vielbeachteten Artikel in der Zeitschrift „II regno“ vorgeschlagen, eine Kommission sollte im Auftrag des Papstes weltweit die Meinung von Bischöfen, theologischen Fakultäten und bedeutenden Laiengremien in dieser Frage einholen, und vor allem sollte das gegenseitige Verketzern und Denunzieren in Rom nicht mehr geduldet werden. Der römische Theologe Inos Biffi wies den Häring-Vorschlag sofort zurück — weil die Kirche keine Demokratie und die „Humanae vitae“-Lehre „universal bindend“ sei und eine Befragung zu viel koste.

Weit mehr Echo als dieser Vorschlag fand nun die inzwischen von zumindest 175 Theologen Unterzeichnete „Kölner Erklärung“, zu der sich auch zwölf an österreichischen Hochschulen lehrende Theologieprofessoren bekennen. Diese erklärten in einer zusätzlichen Stellungnahme: „Unterschrieben haben wir diese Erklärung, um auf Probleme hinzuweisen, die in der Kirche derzeit zur Lösung anstehen, und zwar als Einzelpersonen… Gerade wenn man in Liebe und Treue zur Kir-

Bernhard Häring: „Überbetonung“

(Gürer)

che und zum Papst stehen will, ist es nach dem Kirchenrecht gefordert, daß die Theologen offen ihre Vorschläge formulieren und zur Lösung anstehender Probleme nach ihren Möglichkeiten mithelfen.“

Es ist ein offenes Geheimnis, daß viele Theologen nur aus Sorge wegen drohender römischer Sanktionen oder weil sie einzelne scharfe Formulierungen nicht gutheißen können, keine offizielle Unterschrift leisten wollten. So haben beispielsweise die Jesuitenprofessoren von Innsbruck, Frankfurt und München mehr

heitlich von einer Unterzeichnung abgesehen und als Gründe dafür „unpräzise Formulierungen“ sowie „eine emotionale Atmosphäre“ des Textes genannt.

Trotz der relativ großen Anzahl von Unterzeichnern, nicht nur aus Deutschland, sondern eben auch aus Österreich, der Schweiz und den Niederlanden, sprach der Vatikan-Pressesprecher Joaquin Navarro in einer ersten Stellungnahme von einem „Fall von lokaler Bedeutung“, was zur Folge

Weihbischof Kurt Krenn (Gürer)

hatte, daß sich binnen weniger Tage auch spanische Theologieprofessoren mit den deutschsprachigen Kollegen solidarisierten.

Aber das befremdete den Wiener Weihbischof Kurt Krenn. Da in der Erklärung auch Fragen wie Bischofsernennungen kritisch angeschnitten werden, fragte er in einer TV-Diskussion im deutschen Südwestfunk mit dem Tübinger Theologen Norbert Grein- acher, wie denn das mit dem Prinzip Ortskirche zusammenpasse, „wenn Theologen aus Spanien über Köln schreiben - oder Theologen aus Österreich“. Für Krenn haben Professoren der Theologie kein kirchliches Lehramt, son

dern nur „die Hilfsfunktion für das Lehramt der Kirche“, ein Standpunkt, dem Greinacher „aufs deutlichste“ entgegentrat.

Namens der deutschen Bischöfe wies der Mainzer Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Karl Lehmann die „Kölner Erklärung“ zurück (siehe Beitrag auf dieser Seite), seitens der Schweizer Bischofskonferenz wurde erklärt, man habe der Stellungnahme der deutschen Bischöfe „nichts hinzuzufügen“, der spanische Episkopat versicherte in einem Telegramm den Papst der Treue und des Gehorsams und bedauerte „zutiefst die ungerechte und schmerzende Kritik“ am Papst. Daß dem Papst die „Kölner Erklärung“ wehtut, vermutet auch der Mitunterzeichner Franz Böckle: .Aber ich glaube nicht, daß wir ihm diesen Schmerz ersparen konnten.“

In Österreich reagierte Weihbischof Krenn mit einem offenen Brief an die Verfasser und Unterzeichner der „Kölner Erklärung“, in dem er Gegenfragen stellte und betonte: „Wenn die Theologie demagogisch mit der Freiheit und mit der Autonomie des Gewissens spielt, kann sie sehr schnell zum Wegbegleiter jenes Menschen werden, der in einer moralischen und geschichtlichen Katastrophe endet.“ Der Dekan der Salzburger Theologischen Fakultät (sieben Unterzeichner) Hans Paarhammer, sprach sich prinzipiell gegen Aktionen wie die „Kölner Erklärung“ und gegen jede Polarisierung aus.

Besonders aufmerksam werden natürlich die Reaktionen in Rom verfolgt. Kurienkardinal Sebastiano Baggios Kommentar: Es habe immer Häretiker gegeben, „augenscheinlich gibt es sie auch heute noch“. Der Philosoph Rocco Buttiglione, einer der Gründer der einflußreichen italienischen Laienbewegung „Communione e liberazione“ stellte wörtlich fest: „Der Papst kann nicht die Theologen über den christlichen Glauben abstimmen lassen. Er hat den

Glauben zu lehren, wie ihn die Kirche von Christus empfangen hat, auch wenn er deswegen gegen die Mehrheit der Theologen sein müßte oder mit wertigen Gläubigen allein bliebe.“

Daß in Rom einige Namen auf der Unterzeichnerliste - etwa Hans Küng oder Edward Schille- beeckx — Ressentiments wachrufen mußten, war wohl von Anfang an klar.

Es plädierten aber auch Stimmen dafür, der Vatikan möge den Dialog mit den Unterzeichnern auf nehmen. So betonte der Vatikan-Journalist Gian Franco Svi- dercoschi — dem Nähe zum Papst attestiert wird — in der Tageszeitung „II Tempo“, es wären gefährliche Fehlreaktionen Roms, die Sache entweder nicht zu beachten oder aber nur mit Härte zu antworten und dadurch „ein paar Türen mehr für den Prozeß der Erneuerung zu verschließen“.

Für einen offenen Dialog zu den strittigen Punkten treten auch — trotz grundsätzlicher Ablehnung der „Kölner Erklärung“ — die deutschen Bischöfe ein. Hoffnung gibt die Aussage von Bischof Lehmann nach einer Papstaudienz in der vergangenen Woche: Der Papst beurteile die gegenwärtige Situation der Kirche in der Bun-

desrepublik Deutschland „mit großem Einfühlungsvermögen und konkreter Differenzierungskraft“. Er habe großes Interesse an einer sorgfältigen Information und eine „umfangreiche Kenntnis der Lage“ gezeigt.

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