6976260-1985_47_13.jpg
Digital In Arbeit

Hoffen auf die Bischofssynode

19451960198020002020

Der Leitartikel einer vatikanischen Jesuitenzeitschrift wirbelte knapp vor der Bischofssynode Staub auf. Und Innsbrucks Altbischof sprach jüngst über einige offene Fragen.

19451960198020002020

Der Leitartikel einer vatikanischen Jesuitenzeitschrift wirbelte knapp vor der Bischofssynode Staub auf. Und Innsbrucks Altbischof sprach jüngst über einige offene Fragen.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Entwicklungsländer werden bei der am 25. November in Rom beginnenden außerordentlichen Bischofssynode über die Auswirkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils am stärksten vertreten sein. 103 Teilnehmern aus der Dritten Welt stehen 51 Europäer und Nordamerikaner sowie elf Stimmberechtigte aus dem kommunistischen Machtbereich gegenüber. Zehn christliche Kirchen, die mit Rom den Dialog aufgenommen haben, entsenden Beobachter nach Rom. Der Vertreter der ökumenischen Gemeinschaft von Taize, Max Thurian, zählt zu den „besonderen geladenen Gästen“.

Zu diesen Gästen — die ohne Stimmrecht an den Synodensitzungen teilnehmen, aber „gehört“ werden können — zählen unter anderen die Kardinäle Franz König, Bernard Jan Alfrink und Leo Suenens, der Theologe Hans Urs von Balthasar, die Friedensnobelpreisträgerin Mutter Teresa von Kalkutta sowie die Focolare-Gründerin Chiara Lubich.

Zwei Wochen vor der Bischofssynode erregt in Rom ein Leitartikel der vatikanischen Jesuitenzeitschrift „La Civilta Cattolica“ beträchtliches Aufsehen, wird doch darin einem übersteigerten Papstkult und dem „kurialen Zentralismus“ eine klare Absage erteilt. So mißbilligt der Autor eine autoritäre Verhaltensweise im Bereich der Kirchenleitung sowie das Streben nach Konformismus und Einheitlichkeit in der Kirche „um jeden Preis“ und wehrt sich gegen Tendenzen, dem Lehr- und Leitungsamt des Papstes „fast göttlichen Nimbus“ zuzuschreiben. Bei grundsätzlicher Bejahung des „Petrusdienstes“ wird betont, es gereiche „dem christlichen Zeugnis nicht zur Ehre“, dem Oberhaupt der katholischen Kirche in eine^j Haltung der Servilität zu begegnen.

Ein Angriff der Jesuiten auf den Papst, wie manche italienische Kommentatoren vermuteten? Ein Versuch, für die Synode ein bestimmtes Klima zu schaffen? Wohl eher letzteres, wenn man der Versicherung der Redaktion von „La Civilta Cattolica“ glauben darf, der Beitrag sei keine Privatmeinung, sondern mit dem Heiligen Stuhl abgestimmt. Mit anderen Worten: An einer „kollegialen“ und brüderlichen Ausübung des Petrusamtes, wie sie in letzter Zeit mit Hinweis auf das Zweite Vatikanum mehrmals gefordert wurde, sei der Papst selbst interessiert.

Der Innsbrucker Altbischof Paul Rusch sprach am 11. November vor der Arbeitsgemeinschaft katholischer Journalisten der Erzdiözese Wien über das Konzil und dessen Auswirkungen und nahm auch zu diesem Artikel Stellung. Er warf die Frage auf, ob der Artikel speziell — also im vollen Wortlaut — oder nur generell — also in den groben Zügen — mit dem Heiligen Stuhl abgestimmt sei. Er könnt aber eine Art „Eisbrecherfunktion“ in der angespannten Situation vor Beginn der Synode haben.

In seinem Referat ging Bischof Rusch vor allem auf drei Punkte ein: die Entwicklung in der Ökumene seit dem Zweiten Vatikanum, das Problem der Empfängnisverhütung mit künstlichen Mitteln (vgl. FURCHE 38/85 und 44/85) und die Möglichkeit eines

„Friedenskonzüs“ aller christlichen Kirchen (FURCHE 42/85).

„Ein eigentlicher Durchbruch ist nicht geglückt“ resümierte der Innsbrucker Altbischof zum Thema Ökumene, indem er auf Aussagen des kürzlich zurückgetretenen Vorsitzenden des deutschen Evangelischen Rates, Bischof Eduard Lohse, hinwies. So seien beispielsweise die Katholiken nicht bereit gewesen, eine gemeinsame pastorale Betreuung der gemischten Ehepaare vorzunehmen.

Dabei sei eine Reihe dogmatischer Differenzen „einigermaßen bereinigt“ worden, erklärte Rusch, und wenn es nur die „Con-fessio Augustana“ und nicht auch die „Schmalkaldischen Artikel“ gäbe, „könnten wir in ein paar Jahren beisammen sein“. Allerdings sei für weitere Fortschritte in der Ökumene jene Großzügigkeit vonnöten, die Papst Paul VI. gegenüber den Anglikanern an den Tag gelegt habe. Er habe erklärt, im Falle einer Wiedervereinigung mit der katholischen Kirche sollte die anglikanische Kirche ihr eigenes Kirchenrecht behalten und nichts von ihren liturgischen Bräuchen sollte verlorengehen.

„Ich hielte es für etwas Dringliches, daß jetzt von unserem gegenwärtigen Heiligen Vater etwas Ähnliches erklärt würde - hinsichtlich der orthodoxen Kirche und auch hinsichtlich der evangelischen Kirche. Denn so geht die Sache nicht gut weiter. Wir haben diese schönen Kommissionen zwischen Katholiken, Protestanten, Anglikanern, Orthodoxen und so weiter, aber bis die Gelehrten alles dogmengeschichtlich genau erarbeitet haben, das dauert etwas zu lange. Wir brauchen einen gewissen Impuls.“ Soweit Altbischof Rusch wörtlich zur. Ökumene.

Sorgen machen ihm besonders jene Reserven, die etwa Kardinal Joseph Ratzinger, Präfekt der römischen Glaubenskongregation, jüngst gegenüber den Anglika-nern erkennen ließ, weil dort angeblich das Priestertum der Frau zur Diskussion stehe. „Es geht um das Diakonat der Frau“, korrigiert Rusch, der die Dokumente der Anglikaner studiert hat. Und dagegen sei seiner Meinung nach von katholischer Seite überhaupt nichts einzuwenden, denn in den ersten drei Jahrhunderten gab es bereits weibliche Diakone in der Kirche.

Der frühere Innsbrucker Ober-hirte hält es auch für notwendig, daß man auf das Buch „Wiedervereinigung - eine Möglichkeit“ der beiden deutschen Theologen Karl Rahner und Heinrich Fries -es war zu Beginn des Jahres Gegenstand einer Attacke im „Os-servatore Romano“ (FURCHE 11/ 85) - zurückkommt. Wenn die beiden Autoren darin das interkonfessionelle Gespräch mit einer Rückkehr zum ersten allgemeinen Konzil (Nicäa 325) eröffnen wollen, so geht dies Rusch freilich etwas zu weit: „Wenn man nicht das Konzil von Chalcedon (450) einbezieht, dann haben wir nicht mehr die gleiche Vorstellung, nicht den gleichen Glauben an Christus, das schiene mir gefährlich zu sein.“

Einen „Anti-Affekt“ spürt Altbischof Rusch bei vielen Protestanten, wenn von der „Unfehlbarkeit“ des Papstes die Rede ist: „Die verstehen unter Unfehlbarkeit, daß der Papst gleichsam keine Sünde hätte, was natürlich vollkommen unrichtig ist.“ Rusch meint, eine andere Wortwahl könnte hier schon positiv wirken. Er würde eine Erklärung begrüßen, die — übrigens im Einklang mit dem heiligen Thomans von Aquin - nicht von „Unfehlbarkeit“ spricht, sondern davon, daß eine letztgültige Aussage des Papstes „irrtumsfrei“ ist.

Daß Päpste zum Teil sich selbst, zumindest aber ihren Vorgängern wiederholt widersprochen haben und schon deshalb nicht jede päpstliche Aussage als absolute Norm zu verstehen ist, unterstrich

Paul Rusch im zweiten Teil seines Referates und in der späteren Diskussion. JüngstesBeispiel: Pius XII. habe noch 1952 das Mitbestimmungsrecht der Arbeiter als Illusion bezeichnet, während es in der letzten Sozialenzyklika Johannes Pauls II. heiße, die Arbeiter hätten ein urtümliches Recht auf Mitbestimmung.

Es ging Rusch dabei um die römische Haltung zur Empfängnisverhütung, insbesondere zur „Pille“ (wobei er auf die oben zitierten FURCHE-Artikel, einen von ihm selbst und einen des Innsbrucker Professors für Kinderheilkunde Heribert Berger, Bezug nahm).

Er stellte erneut fest, daß hier offizielle Lehre, die Lehre der Mehrheit der Moraltheologen und die Praxis der überwiegenden Mehrheit der Gläubigen nicht übereinstimmten. Gegenüber der von Papst Paul VI. in der Enzyklika „Humanae vitae“ vorgegebenen Linie — „Jeder eheliche Akt muß geöffnet sein für die Erzeugung neuen Lebens“ — enthalte der neue deutsche Erwachsenenkatechismus, also ein offizielles kirchliches Lehrbuch, eine bemerkenswerte Abweichung, denn dort heißt es: „Die eheliche Liebe muß offen sein für neues Leben.“

Rusch wies nochmals eindringlich darauf hin, daß es in dieser Frage keinen letzten moraltheologischen Beweis gebe.

Mehr Laienmitsprache? *

Das dritte Thema, das Bischof Rusch in Rom behandelt sehen möchte, ist die vor allem von dem deutschen Wissenschaftler Carl Friedrich von Weizsäcker propagierte Idee eines „ökumenischen Friedenskonzils“ aller christlichen Kirchen. Rusch, der sich selbst als „friedliebenden Menschen, aber nicht Pazifisten“ betrachtet („Wären England und Frankreich 1939 gerüstet gewesen, wäre der Weltkrieg nicht gekommen“), sieht darin eine Möglichkeit. Sollte die Weltpresse entsprechend darauf einsteigen, könnte es sich auch der Osten nicht leisten, hier abseits zu stehen. Rusch tritt für den Terminus • „Konzil“ ein, obwohl dieser kirchenrechtlich besetzt ist und deshalb in der bisherigen Diskussion — auch von der österreichischen Bischofskonferenz — meist vermieden wurde.

Zuletzt ließ Altbischof Rusch nochmals die großen Errungenschaften des Konzils — Liturgiereform, Einbeziehung der Laien, ökumenische Öffnung, Öffnung zur Welt, Begegnung mit der Wissenschaft — Revue passieren, wies aber auch auf die bleibenden Probleme — Säkularisierung, Kirchenaustritte, Absinken der Moral, moderne Geistigkeit überhaupt — hin. Insgesamt sei es in den letzten Jahren wieder ruhiger geworden, in der Kirche sei eine Entwicklung vom Progressismus zur Mitte eingetreten. Er halte nun sogar eine gewisse Mitsprache der Laien bei künftigen Bischofsernennungen für denkbar.

Von einer Gepflogenheit sollte— nicht nur nach Wunsch von Bischof Rusch - bei dieser Bischofssynode Abschied genommen werden. Dauerte es bisher meist über ein Jahr, ehe bei einer Synode Besprochenes Eingang in ein päpstliches Dokument fand, so wäre es erfreulich, würde bereits zum Abschluß der Synode ein kurzes Papier erarbeitet und veröffentlicht werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung