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Mitarbeit des Kirchenvolks notwendig

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Da jedoch die Diözesansynode nur eine beratende Funktion haitjwApi1!*1 nicht unverständlich — wais auch schon vor dem II. Vaiticaniuim in der ersten Nachkriegszeit der Fall war —, daß die römische Kurie die nötigen Dispensen erteilte, daß auch Laien Mitglieder der Wiener Diözesansynode werden konnten. Die zum Zwecke der Auswahl eines Teiles der Laien — wohlgsmerkt nur eines Teiles — veranstaltete Wahl war wohl ein gute Idee. Die hierzu erlassene „Wahlordnung“ aMerddnga war ein geradezu unbegreiflich unjuristisches Dokument, so daß es nicht verwundern konnte, diaß es eine Reihe peinlicher Pannen gab, wie ich aus kritischen Bemerkungen. in meiner Region eindeutig entnehmen konnte. Die Tatsache, daß überdies ein mehngiiedriger StuSen-bau — Pfarrkonferenz, Ragional-konferenz, Synode (die wieder untergliedert ist) — vorgesehen ist, erschwerte vor allem in der Bndphase der Vorbereitung die Arbeit bis an die Grenze der Undiurchfuhrbarkeit. Dies zeigte sich, als für einen beträchtlichen Teil der Synodalen die Vortagen erst am 8. November zur Versendung gelangten unid zugleich erwartet wurde, daß die Vorbera-tangen sowohl in den Pf arrkonferen-zen als auch in den Regiomalkonfe-renzen bis 31. Dezember nicht nur hätten abgeschlossen, sondern auch schriftlich samt den Begründungen, gegliedert nach Mehrbeits- und Minderheitisvoten, erstellt nach einem reichlich umständlichen Verfahren, im Generaisekretariat der Synode hätten abgeliefert werden sollen. Hier brach die Reißbrett-Überorganisation völlig zusammen, vor allem dank der unbestreitbar positiven Tatsache, daß in den Pfawkoniferenzen und Regionen wirklich gründlichste Beratungen stattfanden und eine Flut von Tausenden voh Abänderungsanträgen einliefen. Der Zeitmangel stellte dabei schwerste Anforderungen an die regionalen Synodalen und. trug dazu bei, daß einfach die Uberforderung so groß war, daß nicht jede Einzeilbeüt eingehender behandelt wenden konnte. Und das war ein wirklicher Mangel der Organisation; Wenn man schon mehr als zwei Jahre auf die Vorbereitung der Synode aufwandte, dann hätte mann auch ein halbes Jahr den Pfarr- und RegiönaftkonfereniöBn Zeit geben sollen, um ihren Anteil ordnungsgemäß zu erfüllen. Wenn man schon auf so breiter Basis arbeitet — und das war gut so —, dann mußte man auch' dem Kirchenvolk echte Gelegenheit geben, wirkliche Mitarbeit au leisten. Kein Wunder daher, daß sich durchaus berechtigte Kritik vernehmen ließ, daß durch die tatsächliche Vongangsweise — sicherlich ungewollt, aber jedenfalls unrichtig geplant — der Eindruck entstand, als wäre der „Zentrale“, wie man im KirchenJargon sagt, an einer solchen breiten Mitarbeit gar nicht gelegen gewesen. Kein Wunder daher auch, daß iramer wieder für eine Vertagung der Session plädiert wurde, weil man einfach die Mitarbeiter überforderte. Das muß hier so offen geschrieben werden, damit sich der gewichtige Fehler nicht wieder in der nächsten Session findet Und noch etwas: Man soll doch nicht erwarten, daß die Regionalkonferenzen noch selbst Geldmittel beisteuern und die Frage der Portospesen zum Gegenstand einer Sammlung wird. Das sind Erscheinungen, die wirklich arg verstimmen.

Es sind aber noch andere Pannen festzustellen. Mir geht es bis jetzt nicht ein, daß man zunächst die im allgemeinen Kirchenrecht verankerte Vorschrift, daß der Generalvikar und die Domkapitulare persönlich Sitz und Stimme in der Synode haben, einfach ignorierte und es dem „Re-giionalklerus“ überlassen wollte, ob er bereit sei, diese Amtsträger ziu „wählen“ oder auf sie zu verzichten. Natürlich mußte das rückgängig gemacht werden, und man mußte sogar die Stimmzettel ändern. Rom hat sehr viele und zeitgemäße Erleichterungen von den allgemeinen Rechtsvorschriften gewährt, aber über diese kann man eben, solange es eine Rechtsordnung in der Kirche gibt, nicht hinausgehen. Daher auch die offene Frage, die bei der Inauguration der Synode am Leopoldstag zutage trat, ob Brüder und Schwestern aus der Kongregationen und Instituten den Laien zuzurechnen seien, da eine der römischen Bedingungen die Vorschrift war, daß der Anteil des Klerus jenen der Laien

übersteigen sollte. Wenn man bedenkt, daß den Laien in wirklich großzügiger Weise eine aktive Mitwirkung geboten wird in einem Ausmaß, das noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre, dann erscheint es mir als ungerecht und unlogisch, wenn ein bekannter Wiener Akademikerseelsorger in einer AkademiikerzeitBchrift in einem Interview seinem Bedauern Ausdruck verleiht, daß man sich in Rom einfach an den Kodex hält, noch diazu an einen, der in Umarbeitung begriffen ist. Das sei ein Atavismus. Dem ist wohl entgegenzuhalten, daß Rom hinsichtlich der Laienbeteüi-gung im weitesten Maße entgegengekommen ist, daher erscheint der Vorwurf ungerecht. Es ist aber auch unlogisch, von Atavismus zu sprechen, wenn Rom sich an ein Gesetzbuch hält, dessen Novellierung bearbeitet wird. Oder sollten wir uns in Österreich nicht mehr an das Strafgesetzbuch halten, weil dessen Novellie-rung im Gange ist? Mit solchen Erklärungen zerstört man die ohnedies gefährdet Ordnung und untergräbt die Autorität in der Kirche. Und das sollte doch wohl nicht durch solche Persönlichkeiten geschehen.

Eine andere Frage ist, ob man bei den ernannten Synodalen nicht vielleicht mehr darauf Rücksicht nehmen hätte sollen, bei Klerikern darauf zu seihen, daß sie wenigstens dem Wiener Dioaesanverband angehören, und bei Laien, daß Sie ihren ordentlichen Wohnsitz In dar Wiener Erzdiözese haben. Dafür sind manche in Wien beheimatete, kirchliche Institutionen überhaupt nicht vertreten, Was den Eindruck einseitiger Auswahl dem Auge des Kritikers bot.

Es würde einfach den Rahmen sprengen, wollte man auch nur annähernd auf die Synodaüvorlagen eingehen. Gerade die große Zahl der Abänderungsvorschläge zeigt deutlich, daß sie größtes Interesse gefunden haben. Einiges muß jedoch hier grundsätzlich angemerkt werden. Die Vorlagen sind in zwei gedruckten Heften zusammengefaßt, deren erstes (rot) einen theologischen Grundtext und Grundzüge des Pastora'lkonzeptes enthält, während das zweite (grün) sich mit Liturgie beschäftigt. Uns scheint vor allem, daß der theologische Grundtext zu sehr in einer nicht zuletzt stark rationalistischen Richtung geht. An zweiter Stelle ist hervorzuheben, daß viel zu viele Vorschriften in den Vorlagen erscheinen. Das sage ich als Kirchenrecbtter. Bs ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, daß die gleichen Menschen, die dagegen auftreten, daß der Staat immer wieder Gesetze macht, sich oft für neue Vorschriften einsetzen. In der Kirche ist das genauso. Das hat mir unlängst auch ein im Kirchenrecht sehr erfahrener österreichischer Bischof bestätigt. Die gifeichen Personen, die gegen den „Juridismus“ — auch so ein dubioses Wort — wettern, fordern, daß ihre eigenen Ideen möglichst streng in Normen gekleidet werden. Das tritt leider auch in den Synodalvorlagen zutage. Und letztlich ist es die Sprache der Vorlagen. Es ist wirklich staunenswert, wie sehr hier eine fehlerhafte und teilweise unverständliche Sprache angewandt wurde, und das in Dokumenten, die möglichst kirchliches Gemeingut werden sollten.

Hierzu einige Beispiele. Am allermeisten vermisse ich im theologischen Grundtext eine Aussage über das Corpus Christi mystioum als das Fundament der kirchlichen Gemeinschaft. Hier ist der entscheidende Mangel zu sehen. Das kommt auch wieder im grünen Heft bei der Eucharistie zum Ausdruck, wo nahezu ausschließlich der Mahlcharakter betont wird, obwohl nicht nur die Konstitution über die Liturgie, sondern auch das augehörige — und sich auf sie berufende — Pastoralschreiben der österreichischen Bischöfe ausdrücklich sagt: „Nach der afflgemeinen Glaubensüberzeugung der Kirche ist die eucharistische Feier zugleich Opfer und Mahl. Auch das erstere darf nicht verschwiegen werden, obwohl es manchmal geschieht.“ Und das trifft leider auch auf die Synodalvorlage au. Am deutlichsten tritt dies bei der völlig verfehlten „Hausmesse“ au-taige, die -aus schließ lieh Mahlebarak-ter hat. Ich bin ein Anhäniger der Krankenmesse und der alten Hausmessen in abgelegenen Ortsteilen, tum auch den Kranken und den alten Leuten öfter die Gnaden der Messe zukommen zu lassen, aber echte Messen am improvisierten Hausaltar und nicht „Mahlgemeinschaften“ mit einer Tischordnung, wie sie in jedem besseren Anstamdsbuch au finden ist. In der Frage des mit Recht sehr umstrittenen „Pfarrgemeinderates“, der in sehr deutlicher Hinsicht nach dem Willen der Planer in der Vorlage mehr oder minder den Pfarrer zu einem Mitglied und Ausführungsorgan einer kollegialen Pfarrleitung machen wollte, ist wohl durch die Erklärung des Kardinals König in der Weihnacbtsbeilage der „Presse“ unmißverständlich tum Ausdruck gekommen, daß hier nicht mit einer Gesetzwerdung au rechnen ist. Und das ist gut so. Dem Pfarrer ist nicht nur die Leitung der Pfarre als Mitarbeiter des Bischofs übertragen — so neuerlich das Konzil (Christus Dominus, 30) —, sondern ihm ist auch rechtlich Amtsgewalt für den Gewissensibereieh übertragen, und ihm ist eine Reihe von sakramentalen und priesterlichen Funktionen vorbehalten. Es wäre auch voreilig, jetzt schon Entscheidungen weitergehender Art zu treffen, da das Problem Pfarre bestimmt für die Novellierung des kirchlichen Gesetzbuches neu überdacht werden muß, was eine ganze Anzahl von Konsequenzen nach sichziehen wird. Ich bin ein entschiedener Anhäniger, die Pfarre aus dem „Anstaltscharakter“ wieder zu einer Gemeinde und Gemeinschaft zu formen. Auch halte ich die Mitwirkung der Pfarrangehörigen in der Betreuung und Verwaltung der Pfarr für notwendig. Das Ist ja schon oft genug in der Geschichte der Kirche der Fall und das Problem gewesen. Man soll ja nicht glauben, daß derartige Forderungen Entdeckungen der Progressisten sind. Doch muß der Weg klar beschritten werden. Viel schwerer wiegend ist die Forderung : „Tauffeiern für Neugeborene in einer Klinik sind verboten“ (Nr. 22, S. 28, grün). Die Begründung ist offenbar die gleiche, die für das Verbot der Haustaufen gegeben wird (Nr. 21). „Die Gemeinde hat nämlich Recht und Amt zur Teilnahme an der Sakramentenspendung“, wobei man sich auf Art. 14 der Liturgiekonsti-tuition beruft. Dort steht allerdings nichts Derartiges. Hier liegt die Sache zunächst theologisch nicht richtig. Die Taufe ist ein Sakrament, das in erster Linie einen Menschen zum Glied am Corpus Christi mysticum macht. Daher auch das Recht und die Pflicht eines jeden Christen, im Notfall die Privattaufe au spenden, ein Recht, das sogar der selbst Unge-taufte hat und die Taufe auch gültig spendet, wenn er das tut und tun will, was die Kirche vorschreibt Dann ist sie ein Rechtsakt, wodurch der Täufling persona in Ecclesia, also Trägern von Rechten und Pflichten, je nach Abstammung und Vorschrift, innerhalb einer Teilkirche wird und dementsprechend dem westlichen oder einem östlichen Ritus zugehört. Die Beziehung zu einer Pfarre ergibt sich akzidentiell aus Wohnort, Aufenthaltsort, Geburts-Ort usw. und begründet das übrigens älteste Recht des Pfarrers, die Taufe ördenitlicherweise zu spenden, nicht aber „Recht und Amt“ der Gemeinde, beim Taufakt gegenwärtig zu sein. Solche Ideen gibt es in einzelnen protestantischen Kirchen und Sekten, vor allem jenen', die der kongre-gationalistischen Richtung angehören. Aber weder der katholischen noch der orthodoxen Kirche ist eine derartige Auffassung zueigen. Es entstehen aber noch andere Probleme in diesem Zusammenhang. Wie lange ist ein Kind neugeboren? (Denn nur für dieses gilt das Verbot der Taufe an einer Klinik.) Nach ärztlicher gängiger Auffassung eine Woche lang, nach konservativer ärztlicher Theorie drei Wochen lang, nach der römischen Praxis zwölf Tage. Was gilt nun? Was geschieht mit den Brutfcästenkdndern, die wochenlang auf der Klinik bleiben? Man sieht, die Vorschrift ist allein schon sprachlich sehr bedenklich.

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