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Weniger Hörer als Professoren

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Wurzel? Von vielen Seiten wurde darauf hingewiesen, daß man die Priester wenigstens von Verwaltungsarbeiten befreien sollte, die auch Laien verrichten können. Auf mannigfache andere Weise können Priester noch entlastet werden: durch Laienkatecheten, Seelsorge- hielfer, auch durch den Laiendiakon. Uber alle diese Möglichkeiten soll hier nicht gesprochen werden.

Wir möchten hier unser Augenmerk besonders auf das Problem der Kräftekonzentration hinlenken. Es scheint uns, daß es noch wirkliche Fehlinvestitionen gibt, deren Behebung dringlich ist. Wir beginnen bei den Priesterausbildungsstätten. Es ist bekannt, daß die theologischen Fakultäten auf unseren Universitäten die weitaus kleinsten sind. Ihre Hörerzahl wird auf anderen Fakultäten um das Zehnfache und mehr als Zehnfache übertroffen. Darüber hinaus gibt es noch Diöze- sanlehranstalten sowie Ordtenshoch- schulen und -lehranstalten. Manche davon haben weniger Hörer als Professoren. Wäre hier nicht an eine stärkere Konzentration der Kräfte zu denken, sowohl im Interesse einer besseren Spezialisierung als auch im Interesse einer gediegeneren Ausbildung? Zwei Wege scheinen uns dazu gangbar zu sein: Entweder die verschiedenen Orden und religiösen Kongregationen beschließen die Gründung einer einzigen gemeinsamen Ausbildungsstätte, für die alle Orden nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten Lehrkräfte stellen, oder die Orden und religiösen Kongregationen schicken ihre Kleriker auf bestehende theologische Fakultäten, die dafür gewiß Raum hätten, und bemühen sich auch, den Nachwuchs an gelehrten Fachtheologen an diesen Fakultäten zu fördern.

Natürlich lassen sich dagegen verschiedene Bedenken Vorbringen. Eine solche Umstellung ist einmal kompliziert. Alle sich daraus etwa ergebenden Schwierigkeiten müssen bedacht werden. Dagegen muß aber eingewendet werden, daß keine Reform ohne einschneidende Maßnahmen durchgeführt werden kann. Es ergibt sich ferner die Schwierigkeit der Ausprägung der je eigenen Ordensspiritualität der einzelnen religiösen Familien, die ein besonderer Punkt der Ordensreform sein soll. Doch scheint gerade dieses Anliegen in den einzelnen Orden und Kongregationen leichter erreicht werden zu können, wenn für die Bildung der Spiritualität Kräfte freigemacht werden, die durch andere Lehrtätigkeiten gebunden sind. In mancher Hinsicht könnte das Interesse der ordenseigenen Spiritualität beim jungen Ordensnachwuchs gerade durch die Begegnung mit anderen Orden geweckt und vertieft werden. Durch diesen ersten und gewiß einschneidenden Schritt würde außerdem der ernste Wille zur Reform nach außenhin sichtbar.

Pater Naturgeschichtsprofessor

Auf einem weiteren Gebiet könnte das Problem einer intensiveren Spezialausbildung des Klerus in pastoraler Hinsicht gefördert werden. Es gibt noch eine Reihe von Klosterschulen, Knabenseminarien und anderen kirchlichen Schulen, an denen Priester auch rein weltliche Fächer unterrichten. Es gibt Priester, die im Unterricht oder in der Schriftstellerei Fachgebiete bearbeiten, die ebenso oder besser von Laien bearbeitet werden könnten. Hier erheben sich Fragen: Wird das Kapital eines Priesters, der nach einer langen theologischen Ausbildung noch ein zweites akademisches Studium zur Ausübung des Unterrichtes in der Mittelschule oder zu einem anderen Zweck absolviert, jemals die Früchte abwerfen, die ein so langes Studium abwerfen müßte, soll es für das Leben fruchtbar gewesen sein? Zum Beispiel, wenn ein Priester nach zwei verschiedenen akademischen Studiengängen an einer Mittelschule Mathematik oder Latein oder sonst ein humanistisches oder Realfach unterrichtet. Meistens wird in diesem Falle das Kapital des langen theologischen Studiums brach liegen gelassen.

Vielleicht kann noch gerechtfertigt werden, daß an kirchlichen Anstalten die wichtigsten Weltanschauungsfächer von Priestern unterrichtet werden, kaum aber das Letztere. Weithin hat ja schon die Abnahme der Priester- und Ordensberufe dazu geführt, daß auch an kirchlichen Lehranstalten Laien unterrichten. Sollte dieses Problem nicht eine grundsätzliche Lösung erfahren? Was nützt es, wenn wir Latein- und Griechisch-, Mathematik- und Musikprofessoren und schriftstellerische Spezialisten für Kunst, Literatur oder andere Zweige der Wissenschaften haben, aber keine Spezialisten der christlichen Spiritualität, der Seelenführung, der Spezialseelsorge an wichtigen Berufsgruppen!

Spezialisierte Seelsorger

Auch gegen letzteren Vorschlag lassen sich Einwendungen erheben. Sicher kann ein Mittelschulprofes- sor, der Priester ist und ein Fach

900-JAHR-FEIER VON SlBENIK? Wen interessiert das? Irgendeine kleine Stadt in Dalmatien, deren Namen man kaum kennt? 900-Jahr- Feier? Umzüge in historischen Kostümen, lange, feierliche Reden mit künstlicher Begeisterung vorgetragen, Tausende verknipster Farbfilme, Girlanden, Empfänge, devot lächelnde Stadtväter, die von den zu Besuch weilenden Gouverneuren Subventionen erwarten?

Nein, hier geschah etwas ganz anderes. Daß der kroatische König CreSimir IV. in seinem 1066 verfaßten Dekret zur Gründung eines Benediktinerklosters in Zadar den Namen Sibenik zum erstenmal erwähnte, luar für Kardinal S e p er von Agram der Ausgangspunkt, darauf hinzuweisen, daß die Geschichte Kroatiens engstens mit der Kirchengeschichte verbunden ist. Ähnlich wie die großen Marienwallfahrt im August 1965 nach Sinj (Maria- Schnee) und die Feier des vor 250 Jahren errungenen Sieges über die Türken bei Peterwardein im August dieses Jahres, benützte die Kirche in Kroatien die 900-Jahr- Feier von Sibenik zu einer legitimen öffentlichen Manifestation. Die Feierlichkeiten vom 25. bis 29. September — vier Tage davon waren Werktage und überdies ist Sibenik verkehrsmäßig ziemlich abgelegen — gestalteten sich zwar nicht zu Massenkundgebungen, wie die beiden vorgenannten Anlässe, bei denen man an die 60.000 Teilnehmer zählte, aber sie hatten gewissermaßen einen diplomatischen Höhepunkt zu verzeichnen, von dem der unterrichtet, das nicht unmittelbar mit dem Problem Religion zusammenhängt, noch priesterlich wirken, und es geschieht dies — Gott sei Dank! — in vielen Fällen. Ei solcher Priester erfüllt ohne Zweifel seine Aufgabe im Sinne der seelsorglichen Konzentration. Ebenso kann dies bei Schriftstellern und anderen Fachleuten, die Priester sind, geschehen, und wird auch in einem bald größeren, bald kleineren Ausmaß geschehen. Wir wollen diese Fälle auch nicht als Fehlentwicklung bezeichnen. Anderseits kann aber nicht übersehen werden, daß gerade für die spezialisierte Seelsorge, wie Exerzitien, Priesterseelsorge, Seelsorge an Klosterfrauen oder an den verschiedenen Gliederungen der Jugend und der Berufsstände, ein großer Mangel herrscht, der gewiß nicht bloß dadurch entstanden ist, daß Priester noch in der Schule oder in anderen Tätigkeiten eingesetzt werden, sondern ebenso dadurch, daß man bisher dieser Spezialisierung zu wenig Augenmerk zugewandt hat.

Es muß als dritter Weg ohne Zweifel auch schon für die unmittelbare Priesterausbildung in den Semina- rien, Ordensanstalten und auf den Fakultäten diese Konzentration der Ausbildung auf die Seelsorge erwogen werden.

Jede Reform kostet Opfer, verlangt, daß man loslasse von gewohnten Institutionen und Wegen. Es geht heute die Entwicklung auf sämtlichen Gebieten in die Richtung einer größeren Universalität und zu Besuch weilende Bischof von Eisenstadt, L äszl 6, behauptete: dies wäre noch vor einem Jahr unmöglich gewesen. Nach dem feierlichen Hochamt am Mittag des 29. September, bei dem außer dem Kardinal aus Agram noch weiterę zwölf jugoslawische Bischöfe anwesend waren, gab der Bischof von Sibenik Arneric, einen Empfang in seinem Palais, zu dem nicht nur der kommunistische Bürgermeister der Stadt offiziell erschien, sondern vor allem der neuernannte Vertreter Belgrads beim Heiligen Stuhl, Cvrlje, per Sonderflugzeug eintraf.

Wie verliefen die Feierlichkeiten äußerlich? Im wesentlichen spielte sich alles im Dom von Sibenik ab, abgesehen von der Einweihung der wiedererrichteten Gedächtniskapelle St. Maria Biskupjia im Hinterland der Stadt, der Eröffnung eines kirchlichen Museums und eines

Tedeums auf der Burg St. Anna, dem Wahrzeichen von Sibenik.

Die Haltung des Staates war zwiespältig. Einerseits berichteten die Zeitungen und TV von den Feierlichkeiten, anderseits war eine Predigt außerhalb des Kirchenraumes, bei der Feier auf der Burg, nicht opportun. Man ließ dies nicht nur durchblicken — und der Bischof hielt sich auch daran —, sondern veranstaltete „zufällig“ zur selben Stunde am Hauptplatz eine laut starke Kundgebung der „Jungen Pioniere“, deren Lautsprecher den Gesang von der Burg bei weitem übertönten.

ln der inhaltlich erfreulichsten

Zusammenarbeit. Die Ziele, die erreicht werden sollen in der Erneuerung der menschlichen Gesellschaft und auch der Kirche, können nicht mit den bisher üblichen Mitteln und Methoden angestrebt werden. Es ist überall Zusammenarbeit und Zusammenschluß notwendig geworden. Die Reform der Orden kann nicht mehr durch Bemühungen der einzelnen Orden verwirklicht werden, sondern nur noch in einer Zusammenarbeit aller Orden. Ähnlich ist es mit der Priesterausbildung und Priesterweiterbildung. Auch sie können nicht mehr von jedem Institut, von jeder Lehranstalt und jeder Diözese in Unabhängigkeit von allen übrigen verwirklicht werden, sondern nur in Zusammenarbeit aller. Das Prinzip der Konzentration ist also von der Entwicklung der modernen Gesellschaft zur planetarischen Gesellschaft mehr und mehr gefordert. Man kann sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Nur in einer aufrichtigen und ernsten Zusammenarbeit kann daher auch die Erneuerung der Kirche, der Orden, aber auch des Klerus erreicht werden.

Wir wollen hier nicht behaupten, daß die Anregungen, die wir gegeben haben, unfehlbar und das einzige Rezept seien; ebensowenig wollen wir darüber eine Aussage machen, inwieweit sich eine Konzentration der Priesterbildungsarbeit durchführen läßt. Diese Gedanken sollen nur zum Weiterdenken anregen. Vielleicht werden sie dadurch konkreter und tragen etwas zur Reform bei. Das Reformwerk, das sich in der Kirche vollzieht, ist ja ein langsames und unsichtbares Sichvorantasten auf einem neuen, noch unbekannten Gelände.

Predigt dieser Tage erledigte der Agramer Jesuit und Theologieprofessor P. Skvorc die 900 Jahre Vergangenheit mit einer Handbewegung, um den Blick auf die Zukunft freizumachen. „Wir sind Sünder, weil wir Menschen sind“, sagte er, „aber wir sind keine Apostaten.“ Im Blick auf die lokalen Heiligen stellte er der Jugend das Ideal eines christlichen Lebens vor Augen und betonte vor allem die Wichtigkeit der christlichen Ehe und Familie für die Zukunft des Landes.

Diese Zukunft, so scheint auch der Staat erkannt zu haben, wird eine praktische Koexistenz mit der Kirche bringen müssen, auf deren sittlich prägende Kraft er zumindest nicht einfach verzichten kann. Wenn damit aber der minimale Lebensraum für die Kirche in Jugoslawien in etwa gesichert erscheint, wird es die dringendste Aufgabe der Kirche nun sein, sich auf die zweite und zweifelsohne härtere Belastungsprobe vorzubereiten, die der westliche Einfluß von Jahr zu Jahr mehr mit sich bringt.

Eine wesentliche Rolle in dieser zukünftigen Entwicklung wird der Umstand spielen, wie viele Christen der Tourismus r.i dieses Land führt und ob die Hunderttausende Fremdarbeiter im Westen doch hin und wieder auch Christen begegnen. (Unser Bild zeigt den neuernannten Vertreter Belgrads beim Heiligen Stuhl, Cvrlje, im Gespräch mit Kardinal Seper (links) und dem Bischof von Eisentadt, Dr. Läszlö).

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