6789652-1970_30_08.jpg
Digital In Arbeit

Die Zukunft der theologischen Fakultäten

19451960198020002020

as unzeitgemäße Privileg einer Theologie, die sich vom Establishment nicht zu lösen vermag.

19451960198020002020

as unzeitgemäße Privileg einer Theologie, die sich vom Establishment nicht zu lösen vermag.

Werbung
Werbung
Werbung

Vielleicht ist das von jenen nicht bedacht worden, die gerade durch staatliche Fakultäten bestrebt sind, sich eine faktische Unabhängigkeit vom kirchlichen Lehramt zu verschaffen und sich in den Besitz eines staatlich subventionierten Apparates zu bringen. Von persönlichen Vorteilen, welche die Einstufung in ein staatliches Gehaltsschema mit sich bringt und von der Beteiligung am „Jahrmarkt der Eitelkeiten“ sollte nur ganz am Bande die Bede sein. Für die Kenntnis der neueren Geschichte ist die Frage nicht belanglos: Wie hat sich die Kirche für die staatlicherseits gewährte Bevortei-lung erkenntlich gezeigt? Damit sei nicht der dankbaren Anerkennung oder auch einer gedankenlosen Hinnahme von scheinbar unbestrittenen Selbstverständlichkeiten gedacht. Die Gegenleistung müßte sich vor allem in der Bereitstellung von akademischen Nachwuchskräften zeigen. Vielleicht beginnt sich jetzt die Erkenntnis Bahn zu brechen, daß in akademischen Belangen die bisherige bischöfliche Personalpolitik nicht zielführend war.

Die Klage über mangelnde Qualifikation der theologischen Fakultäten ist nicht unberechtigt; sie geht aber an der wirklichen Voraussetzung vorbei, wenn sie Nebentöne aufklingen läßt, aus denen zu sehr eine bestimmte Absicht zu sprechen scheint. Die abgeschmackte Behauptung, daß der Antimodernisten-eid daran schuld sei, kann nur von jenen ausgesprochen werden, die entweder die Theologiegeschichte der letzten Jahrzehnte nicht kennen oder unüberprüfte Aussagen pauschal wiedergegeben.

Noch eindeutiger wird diese Tendenz, wenn gar die Namen der „wenigen, wirklich bedeutenden Gegenwartstheologen“ genannt werden. Wollte man es wirklich bei dieser Aufzählung belassen, so wäre den theologischen Fakultäten kein guter Dienst erwiesen. Was heute blendet, ist vielfach nicht wirkliches Forschungsergebnis, sondern eher ein Geplätscher über Methoden der seelsorglichen Praxis, der Verkündigung, der liturgischen Experimente, kirchlicher Organisationsformen oder Strukturfragen. An Fakultäten, die mehr an positiven und seriösen Forschungsergebnissen interessiert sind, wird diese Art von „Wissenschaft“ durch den bösen Scherz gekennzeichnet: Wenn wir nichts wissen, so reden wir über Methode.

Bedenklicher ist die Tatsache, daß alle anderen Fakultäten für das deutschsprachige Ausland und darüber hinaus Nachwuchskräfte heranbilden. Nur die theologischen Fakultäten sind dazu genötigt, im Wege der Berufung aus dem Ausland oft genug die Lücken zu füllen. Liegt darin ein wirklicher Mangel an Talenten im Inland? Die Frage ist bedingt zu bejahen, solange die Heranbildung künftiger akademischer Lehrer in der bisher üblichen Weise erfolgt. Der begabte Theologe, der sein Doktorat nicht nur als Zierde der Visitenkarte anstrebt, erfuhr kaum Förderung. Neben dem Kaplansdienst wurden Bigorosen vorbereitet und die Dissertation geschrieben, deren Material nur unter dem ungünstigen Druck zeitlicher und örtlicher Gegebenheiten erhoben werden konnte. Bis zu den Beratungen über das spezielle Hochschulstudiengesetz hörte man es immer wieder, daß es keinen zweifachen Klerus geben dürfe, einen für die Seeteorge bestimmten und einen „bessergestellten“, der Zeit und Muße zur wissenschaftlichen Tätigkeit fände. Es schien auch weniger Eindruck zu machen, daß die römischen Normen vom 20. Mai 1968 wohl zu unterscheiden wußten zwischen dem gewöhnlichen Studium und einer wissenschaftlichen Fortbildung, die den dafür Geeigneten zugedacht ist (44 a).

Der Werdegang einer Habilitation unterschied sich oft genug nicht wesentlich von der ersten Etappe der wissenschaftlichen Laufbahn; mitunter wurden erst bei Vakanz eines Lehrstuhles künftige Lehrstuhlinhaber mit der Supplierung betraut, die Habilitation folgte diesem Vorgang. Das Hinüberwechseln von der Tätigkeit eines Beligionslehrers zur akademischen Verpflichtung blieb nicht immer ohne Folgen.

Die Bevölkerung der Fakultäten mit einer stattlichen Zahl von Assistenten hat diesen Mangel scheinbar behöben. Dennoch zeigt es sich, daß die erste Auswahl teilweise unter dem Druck vorausgegangener Verhältnisse erfolgte. Durch Heranziehung von Laien konnten die Lücken geschlossen werden, und dieser Vorgang ist durchaus gerechtfertigt. Auch hier sollte indes die wissenschaftliche Qualifikation den Ausschlag geben und nicht die Tatsache, daß der Laie — im Gegensatz zum Kleriker — eher zur Verfügung steht. Die Heranziehung von minderbegab-ten Nachwuchskräften aus dem Laienstand wird den wirklich begabten Laienbheologen auf weite Sicht den Aufstieg zur Lehrtätigkeit nicht erleichtern, sondern eher erschweren.

Damit ist die Frage nach dem laika-len Theologieprofessor angeschnitten. Grundsätzlich müßte doch gefragt werden, ob der Wissenschaft ein Dienst erwiesen wird, wenn wirkliche Talente von der theologischen Forschung und Lehrtätigkeit ausgeschlossen werden. Hier wäre zunächst zu hoffen, daß die Bischöfe begabten Nachwuchskräften aus den Beihen des Klerus die entsprechende Förderung zuteil werden lassen. Gemessen an den Leistungen des Staates für die Fakultäten ist das nicht nur ein Wunsch, der auf der Liebe zur theologischen Wissenschaft oder auf irgendwelchen Billigkeitsgründen beruht, sondern einiachhin eine strikte Forderung der Gerechtigkeit. Das ist leider nur zu lange und zu oft übersehen worden. Im Zuge eines echten Wettbewerbes, der von den gleichen Voraussetzungen ausgeht, wird sich nach dem Leistungsprinzip die richtige Auswahl vollziehen. Ohne einem Proporzsystem oder gar einer künstlichen Klerikalisierung das Wort reden zu wollen, wird es sich von selbst ergeben, daß Priester neben Laien an theologischen Fakultäten unterrichten. Je klarer die Erkenntnis vorhanden ist, daß Priester und akademisches Lehramt nicht unbedingt gekoppelt sein müssen, um so eher wird der Laie von Anbeginn an seine Aufgabe erkennen. Die Gefahr wird eingedämmt, daß ehemalige Prie-stertumskandidaten, weil sie ihre mangelnde Eignung für den geistlichen Beruf erkannten, zum akademischen Lehramt hinüberwechseln wollen, um dort allenfalls ideologische Schwierigkeiten oder antiklerikale Affekte abzureagieren. Das nützt dem werdenden Priester wenig, belastet jedoch den integren Laien mit einem nichtverdienten Odium.

Hier muß auch gegen ein Pseudo-argument Stellung genommen werden, das dem imaginären Gegner in den Mund gelegt wird, um ihn der Absurdität zu zeihen. Die Ausübung des akademischen Lehramtes sei nicht an den Besitz der Weihe gebunden. Wer hätte das allen Ernstes behauptet? Niemand wird doch annehmen, daß der Weihecharakter in sich die Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit berge, noch wird man der Meinung verfallen, daß die Wissenschaftlichkeit sich durch den sakramentalen Charakter ersetzen lasse. Diese Art der Beweisführung richtet sich nicht gegen etwaige Befürworter der bestehenden Ordnung, sondern will von vornherein mit dem Stigma der Lächerlichkeit argumentieren.

Hier wäre eine größere Ehrlichkeit wünschenswert, besonders dann, wenn sich Kreise zum Fürsprecher des Laien machen, die keine Gelegenheit versäumen, um das Weihe-priestertum grundsätzlich zu „ent-sakralisieren“.

Ebenso ehrlich müßte die berufliche Orientierung des Laientheologen erfolgen. Welchen Sinn soll es haben, ihm Lehrstühle oder kirchliche Verwaltungsposten in Aussicht zu stellen, wenn die verhältnismäßig geringe Zahl der Möglichkeiten in keinem Verhältnis zu den Bewerbern steht. Für die Mehrzahl wird die Tätigkeit als Beligionspädagoge in Frage kommen, und hier müßten die entsprechende Eignung und das Interesse den Ausschlag für die Wahl des Studienfaches abgeben.

Ernstlich müßte gefragt werden, ob es denn wirklich so ist, daß der Priester durch seine stärkere Gebundenheit an die kirchliche Autorität eine Gewähr für doktrinäre Zuverlässigkeit bietet. Der Gang der Dinge hat diesen Einwand leider widerlegt; nur zu oft waren Priester bemüht, ihren Gegensatz zum kirchlichen Lehramt mit möglichst viel Publizität herauszustellen. Vielleicht wird es sich eines Tages zeigen, daß der Laie, der einen härteren Existenzkampf zu bestehen hatte, der in seiner Familie Bück-sichtnahme und Anpassung lernt, seinen Kindern gegenüber genötigt ist, die Autorität zu wahren, und dem der Mangel an Takt nicht so leicht verziehen wird wie dem Priester, das feinere Empfinden für Verantwortung zu zeigen vermag. Wenn die Anwesenheit des Priesters an theologischen Fakultäten dennoch wünschenswert bleibt, so liegt es daran, daß der zukünftige Kleriker beim völligen Fehlen eines priesterlichen Lehrers eine berechtigte Lücke empfinden würde. Man müßte es ferner als diskriminierend betrachten, wenn der Priester, weil er es ist, von der akademischen Laufbahn ausgeschlossen bliebe. Eine intellektuelle Niveausenkung wäre die unausbleibliche Folge. Dieser Erkenntnis kann sich die orthodoxe Kirche, die ihre Akademien oder Fakultäten weitgehendst Laien überlassen hatte, nicht mehr verschließen.

Manches Streiflicht, das bereits aufschien, läßt die bange Frage zu, ob die Zukunft zu einem weiteren Auseinanderklaffen von kirchlicher Lehre und theologischer Wissenschaft führen wird. Nicht so, als dürfe sich die Wissenschaft nicht eigener Methoden bedienen, eine eigene Terminologie schaffen, logisch sichten und ordnen, was der Glaube unreflektiert und wissenschaftlich unformuliert beläßt. Die Sprache des Professors muß nicht die des Volkes sein, ein doppelter Inhalt des Glaubens jedoch kann nur durch die falsch verstandene Grenzfestlegung von Freiheit und Gebundenheit erfolgen.

Es besteht eine konkordatäre Absicherung gegen den Mißbrauch der kanonischen Lehrbefugnis, und darin liegt eine Einschränkung der Lehrfreiheit, die auch der Staat anerkannt hat. Diese Einschränkung mag als inopportun, ja vielleicht sogar odios erscheinen. Das Zögern der Bischöfe, von ihrem Becht Gebrauch zu machen, darf darauf zurückzuführen sein.

Dennoch werden die Bischöfe eines Tages vielleicht vor der bangen Entscheidung stehen, ob sie ihren ohnedies arg zusammengeschrumpften Priesternachwuchs noch den theologischen Fakultäten anvertrauen können. Ein verantwortungsbewußtes Handeln könnte sie dazu drängen, ihre Weihekandidaten der professo-ralen Hybris zu entziehen und theologische Lehranstalten zu schaffen, die nach einem Beispiel, das evange-lischerseits bereits gegeben wurde, eine Ausbildung vermitteln, die „kein anderes Evangelium“ kennt. Vielleicht werden dann die Öffentlichkeit, staatliche Stellen und auch die akademischen Behörden zur Kenntnis gelangen, daß eine Theologie, die von der kirchlichen Führung nicht mehr ernst genommen wird, durch einen einzigen Lehrstuhl für Beligionswdssenschaften im Bahmen der Universität genügend vertreten erscheint. Das ist gewiß eine sehr düstere Prognose, die man in einer schnellebigen Zeit mit vehementen Verfallserscheinungen nicht gänzlich in das Beich der Utopie verweisen darf.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung