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Hoffnung für die Hochschulen?

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Es scheint, als würde nun auch die österreichische Öffentlichkeit beginnen, die Bedeutung der Hochschulen zu erkennen. Das beweisen verschiedene Diskussionen, die in letzter Zeit innerund außerhalb der Hochschulen mit zunehmendem Ernst und Eifer geführt werden.

Im wesentlichen kann die Problematik auf drei Punkte konzentriert werden, nämlich:

• die Stipendien für Studenten.

• die Studienordnungen und

• das Dienstrecht des wissenschaftlichen Personals.

Eine andere umfassende Materie, welche die Stellung und Organisation der Hochschulen selbst beinhaltet, konnte ja im Jahre 195 5 durch das sogenannte Hochschulorganisationsgesetz, das den ersten Schritt der Hochschulreform bedeutete, einer — wenn auch nur teilweise befriedigenden Lösung zugeführt werden. Die drei noch offenen Fragenkomplexe sollen nun ebenfalls in absehbarer Zeit gesetzlich geregelt werden. Es ist daher die Schaffung eines Studienförderungsfondsgesetzes, eines Hochschulstudiengesetzes und eines Hochschulpersonal- gesetzes vorgesehen.

Das Studienförderungsfondsgesetz wird von der Österreichischen Hochschülerschaft, die durch das Hochschülerschaftsgesetz 1950 zur öffentlich-rechtlichen Körperschaft erklärt wurde, schon seit vielen Jahren gefordert. Es soll die Förderung von begabten und sozial bedürftigen Studenten österreichischer Staatsbürgerschaft -gesetzlich verankern. Eine echte Begabtenförderung muß sich der Staat zu einer wichtigen Aufgabe machen. Die gegenwärtig ausgeschütteten Stipendien sind einerseits zu gering und anderseits so zersplittert, daß kein Mensch eine Übersicht hat. Zur Zeit gewähren rund 200 öffentliche oder private Institutionen Studienbeihilfen.

Durch die Schaffung eines Studienförderungsfondsgesetzes soll nun eine wirksam’e Koordination ält jenef Be- strebungen herbeigeführt werden, die heute -den begabten und bedürftigen Studenten durch Stipendien fördern wollen.

Der Gesetzentwurf sieht die Schaffung eines Fonds vor. der vom Bundesministerium für Unterricht verwaltet wird. Die Mittel sollen durch Pflichtbeiträge des Bundes und freiwillige Beiträge anderer öffentlicher und privater Stellen aufgebracht werden. Der Bund soll durch Bildung eines ausreichenden

Budgetpostens im jährlichen Bundesvoranschlag die notwendigen Mittel vorsehen. Durch die Umwandlung der bisherigen Förderungskredite in Pflichtbeiträge des Bundes soll die Studienförderung von der jeweiligen Budgetkonjunktur unabhängig gemacht und auf Dauer gesichert werden. Zur Begutachtung aller mit den Förderungsmaßnahmen zusammenhängenden Fragen soll dem Fonds ein Beirat aus ständigen und nichtständigen Mitgliedern beigegeben werden. Zu den ständigen Mitgliedern sollen neben dem Bundesminister für Unterricht drei Vertreter der Rektorenkonferenz und zwei Vertreter des Zentralausschusses der Österreichischen Hochschülerschaft gehören. Nichtständige Mitglieder wären Vertreter von geldgebenden Institutionen, solange sie Mittel für den Fonds zur Verfügung stellen.

Voraussetzung für die Gewährung eines Stipendiums wird die Förderungswürdigkeit und die soziale Bedürftigkeit sein. Die Förderungswürdigkeit erscheint dann gegeben, wenn der Student unter Berücksichtigung seiner Gesamtpersönlichkeit einen durchschnittlich guten Studienerfolg aufweist. Die soziale Bedürftigkeit erscheint gegeben, wenn der Studierende weder im elterlichen Haushalt lebt, noch von seinen Eltern oder dritten Personen unterhalten wird und sein Einkommen achthundert Schilling bzw. das Einkommen der Eltern — sofern sie am Hochschulorte wohnen — 4000 Schilling netto im Monat nicht übersteigt. Die genannten Beträge sollen sich für jede weitere Person, für welche die Eltern oder der Studierende aufzukommen haben, und für den Fall des Wohnens außerhalb des Hochschulortes um je 500 Schilling erhöhen.

Ein Stipendium im Rahmen der Studienförderung soll monatlich tausend Schilling betragen, das vom Oktober bis Juli, also zehnmal ausbezahlt wird. Zum Ausgleich unbilliger Härten soll der Fonds Förderungsbeiträge bis zu 800 Schilling gewähren können. Außer- dem, llen ’’Suifteremdefr die im -Gentjß der Studienförderung stehen, von allen Gebühren befreit werden. Die Stip 3i- dien sollen öffentlich ausgeschrieben werden und die Bewerber haben dann die Ansuchen bei der zuständigen akademischen Behörde einzureichen. Die Bearbeitung und Erledigung der Stipendienansuchen soll den zuständigen Professorenkollegien obliegen.

Außer der Gewährung von Stipendien soll der Fonds nach Maßgabe der Mittel auch andere Maßnahmen zur

Förderung des Hochschulstudiums ergreifen. So ist besonders an die Errichtung von Studentenheimen und die gesundheitliche Betreuung der Studierenden gedacht.

Bei Gewährung von 10.000 Schilling pro Student und Jahr und unter Berücksichtigung der allenfalls erforderlichen Förderungsbeiträge dürfte ein Gesamtbeitrag an Fondsmitteln von zirka 50 Millionen Schilling notwendig sein. Davon wird der Bund schätzungsweise mindestens vier Fünftel aufbringen müssen, so daß im Budget mit einem jährlichen Fixposten von 40 Millionen Schilling zu rechnen sein wird.

Das Hochschulstudiengesetz steht ebenfalls schon seit Jahren in Beratung. Die Studienordnungen selbst solIen’"ntsprechetrd ‘ ‘tek- J’ö’weilJ eh" Eifordernissen -der Wissenschaft-’vom Bundesministerium für ‘Unterricht ifn Verordnungswege erlassen werden. Dabei sollen jedoch die leitenden Grundsätze der Hochschulen, wie Lehr- und Lernfreiheit und Verbindung von Lehre und Forschung gewahrt werden. Auch auf die Erfüllung der Lehraufgabe der Hochschulen, nämlich der wissenschaftlichen Berufsausbildung, der Vermittlung einer höheren Allgemeinbildung und der Heranbildung des wissenschaft lichen Nachwuchses, wird zu achten sein.

Eine besondere Bedeutung wird der Neufestlegung der akademischen Grade zukommen. Es sollen nämlich grundsätzlich an allen Fakultäten Diplomgrade eingeführt werden, die den Absolventen verliehen werden, die ihre wissenschaftliche Berufsausbildung durch Zurücklegung ordentlicher Hochschulstudien, gegebenenfalls durch eine Diplomarbeit abgeschlossen haben. Neben dem bisher bekannten Titel „Dipl.-Ing." an den Hochschulen technischer Richtung und dem „Dipl.-Kfm." soll nun auch an den juridischen und philosophischen Fakultäten ein Diplomgrad mit dem Wort „Diplom” und der jeweiligen abgekürzten Bezeichnung der Fachrichtung verliehen werden, so z. B. „Dipl.-Jur.“, „Dipl.-Chern.“ usw.

Weiter sind folgende Diplomgrade vorgesehen: Kath.-theol. Fakultät:

„Theologus Approbatus (Theo). Appr.)“, Evang.-theol, Fakultät: „Magister theo- logiae (Mag. theol.)“, Philosophische Fakultät: „Magister pharmaziae (Mag. pharm.)“ und an Mittelschullehrer „Magister litterarum (Mag. litt.)“ bzw.

Die Nachwuchssorge

Zu der Gesetzesmaterie liegen Initiativanträge der ÖVP und der SPÖ vor. Wenn sich auch die Standpunkte der beiden Koalitionsparteien in manchen Punkten, wie z. B. hinsichtlich eines Rechtsanspruches auf ein Stipendium, der Zusammensetzung des Fondsbeirates, der Verwaltungskompetenz des Fonds usw. noch nicht decken, so kann doch mit einer Kompromißlösung in absehbarer Zeit gerechnet werden. Die Hochschul wählen am 25. Jänner d. J. veranlaßten alle wahlwerbenden Fraktionen, eine Regelung dieser Materie zu urgieren, und werden daher den beiden Anträgen auch den nötigen Nachdruck verleihen.

Das dritte Gesetz — ein Hochschul- personalgesetz — befindet sich noch in statu nascendi. Es wird aber sehr intensiv beraten, so daß auch hier mit der Vorlage eines Entwurfes in absehbarer Zeit gerechnet werden kann. Es wäre ja unbedingt zweckmäßig, wenn die gesamten noch offenen Hochschul rechtsfragen gleichzeitig p&rkinenta- risch beraten und verabschiedet würden, da- sie vielfach ineinander übergreifen.

Ein modernes Dienstrecht für das wissenschaftliche Personal scheint zu einer Lebensnotwendigkeit der Hochschulen zu werden, da es immer schwieriger wird, erstklassigen wissenschaftlichen Nachwuchs an die Hochschulen zu bringen bzw. ihn für die Wissenschaft zu erhalten. Die Abwanderung von den Hochschulen ist nicht

„Magister rerum naturalium (Mag. rer. nat.)", Hochschule für Welthandel: für Lehrer an mittleren kaufmännischen Lehranstalten „Magister rerum com- mercialium (Mag. rer. comm.)".

Das Doktorat soll nur an jene Bewerber verliehen werden, welche die Hochschulstudien ordnungsgemäß zurückgelegt und ihre Fähigkeit zur selbständigen wissenschaftlichen Arbeit durch die Verfassung einer Dissertation und die Ablegung der vorgeschriebenen Rigorosen nachgewiesen haben. Von dem Erfordernis einer Dissertation sollte in keinem Fall Abstand genommen werden.

Das Doktorat der Theologie soll in Hinkunft bezeichnet werden mit „Doc- tor sacrae theologiae (Dr. s. theol.)“ für die katholische Fakultät und mit „Doctor theologiae evangeliae (Dr. theol. ev.)“ für die evangelische Fakultät. Der „Doktor der Bodenkultur" soll latinisiert werden in „Doctor rerum naturalium technicarum (Dr. nat. techn.)“ und der „Doktor der Handelswissenschaften" in „Doctor rerum com- mercialium (Dr. rer. comm.)“. Die übrigen Doktortitel sollen gleichbleiben.

primär eine Folge der materiellen Besserstellung in der Wirtschaft des In- und Auslandes. Der Grund hiefür liegt vielmehr in der ungünstigen gesellschaftsrechtlichen Stellung des Nachwuchses, aus der ein eventueller Aufstieg zu einem wahren Dornenweg wird.

Um nicht als befangen bezeichnet zu werden, seien einige Zeilen zitiert, welche die Verhältnisse in der Deutschen Bundesrepublik beleuchten. Diese können uneingeschränkt, ja mit noch stärkerer Betonung der Schwächen, auf die österreichischen Hochschulen übertragen werden. So bringen die „Berichte und Informationen“, Heft 706, Jg. 1960 unter dem Titel: „Die veränderten Bedingungen der wissenschaftlichen Laufbahn“ einen Bericht des Instituts für Empirische Soziologie der Wirtschaftshochschule Mannheim vom 14 Deutschen Soziologentag in Berlin. Darin wird eine Repräsentativbefragung von Professoren und Dozen- f n m Jirerer, westdeutscher Universitäten ausgewertet und heißt es u. a. wörtlich:. „Fast alle Befragten klagen über den’ Mängel an ausreichend bezahlten und wenigstens ein Minimum an beruflicher und sozialer Sicherheit bietenden Stellen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Etwa die Hälfte der Befragten erwähnt neben Stellenmangel, jahrelanger Unsicherheit und schlechten Zukunftsaussichten auch andere nichtwirtschaftliche Gründe für die nachlassende Anziehungskraft der wissenschaftlichen Laufbahn, wie die einseitige Überlastung des Nachwuchses mit Assistentenpflichten, Verwaltungsaufgaben und lästigen Routineaufgaben; die begrenzten Möglichkeiten zu eigener Forschung und Weiterbildung, die persönliche Abhängigkeit der Assistenten, Dozenten und außerplanmäßigen Professoren vom Wohlwollen einzelner Ordinarien und die damit verbundene Beschränkung ihrer freien Entfaltung. Es werden auch Zweifel an der Gültigkeit des Leistungsprinzips sowie an der Objektivität der Auslese laut und schließlich sogar unverhüllte Kritik an älteren Kollegen und der Haltung der Fakultäten geübt"

Es muß also ein Dienstrecht geschaffen werden, das dem wissenschaftlichen Personal eine echte Laufbahn vorzeichnet, in der jede Gruppe von der studentischen Hilfskraft bis zum Ordinarius ihre speziellen Aufgaben erfüllen kann. Dabei muß dem tüchtigen und aufstrebenden Nachwuchs unbedingt eine echte Chance geboten werden, die nicht nur vom Wohlwollen einiger älterer Professoren abhängt. Die vielfach noch herrschenden patriarchalischen Verhältnisse müssen abgeischafft und die Assistenten dort, wo sie heute noch Erfüllungsgehilfen darstellen, zu wirklichen Mitarbeitern gemacht werden. Alle diskriminierenden Bezeichnungen und Bestimmungen sollen abgeändert und durch Formulierungen ersetzt werden, die einen neuen Zeitgeist ausdrücken.

Aber auch für die Habilitation und für die Berufung von Lehrkanzelvorständen sind neue Richtlinien notwendig. Die gegenwärtig gültige Habilitationsnorm nimmt entschieden zu wenig Rücksicht auf den Nachwuchs der pädagogischen Fähigkeiten des Habilitationswerbers Bei den Berufungsvorschlägen braucht sich das Professoren kollegium derzeit überhaupt an keine Richtlinien zu halten. Dies führt zu dem paradoxen Zustand, daß man zum ständigen Assistenten mehr Voraussetzungen braucht als zum ordentlichen Professor. Während nach der gegenwärtigen Gesetzeslage für den ständigen Hochschula&sistenten das Doktorat, die Habilitation und zumindest zwölf Dienstjahre als nichtständiger Assistent, davon wieder zumindest vier Jahre als Dozent notwendig sind, braucht ein Ordinarius unter Umständen nicht einmal da Doktorat, geschweige die Venia docendi oder besondere Dienstjahre an einer Hochschule.

Die vermehrten und vielfältigen Aufgaben. die gegenwärtig an einen Hochschulprofessor herangetragen werden, werfen überhaupt die Frage auf, ob dieser primär Lehrer, Forscher, Verwalter, Gutachter, Organisator oder was sonst sei. Tatsache ist jedenfalls, daß eine Person, sei sie auch noch so genial und fleißig, all diese angedeuteten Aufgaben nicht hundertprozentig erfüllen kann. Es müssen daher Aufgaben delegiert und abgegrenzt werden, was wieder ein aufeinander eingearbeitetes Arbeitsteam und „Teamwork" notwendig macht.

Eine andere, besonders für den aufstrebenden Nachwuchs aktuelle Frage ist es, ob es noch gerechtfertigt ist, daß Hochschulprofessoren nicht wie alle übrigen Bundesbeamten mit 65, sondern erst mit 71 Jahren in Pension gehen. Lehrbeauftragte können sogar bis 75 Jahren Vorlesungen halten. Da-

durch werden die Aufstiegsmöglichkeiten für den Nachwuchs oft jahrelang blockiert. Während in der allgemeinen Sozialpolitik das Pensionsalter bereits auf 60 Jahre herabgesetzt wird, ist hier eher die umgekehrte Tendenz festzustellen.

All diese Probleme bedürfen im Interesse der österreichischen Hochschulen einer dringenden Klärung. Natürlich können nicht alle Hochschul- probleme allein mit legislativen Maßnahmen gelöst werden, doch muß man auch auf diesem Wege an sie herantreten.

Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß das Hochschulrecht nicht nur in einzelnen Punkten einer Ergänzung oder Verbesserung bedarf, sondern einer umfassenden Erneuerung zugeführt werden muß. Die aus den verschiedensten Epochen seit 1848 stammenden Verordnungen und Erlässe, an denen im vorigen Jahrhundert nicht nur das Unterrichtsministerium, sondern auch andere Ressorts, wie Handel, Ackerbau usw., mitgewirkt haben, sind infolge der Vielzahl nicht nur sehr unübersichtlich, sondern weisen oft sogar widerspruchsvollen Charakter auf. Eine Neuordnung des österreichischen Hochschulwesens ist daher unter dem zunehmenden Druck der Zeitforderungen unaufschiebbar geworden.

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