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Ausbau der Bildungswissenschaften Keine weiteren Lehramtsstudien

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Die Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt befindet sich in einer doppelt widersprüchlichen Lage: Sie hat einerseits als Schwerpunkthochschule in einer Region ohne andere Universitäten gegensätzlichen regionalen und überregionalen Interessen nachzukommen. Anderseits entwickelt sich die Hochschule in Forschung und Lehre anders, als es die Gründungsintention vorsah. Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, bedarf es eines planvollen Ausbaus, der von den Mitgliedern der Universität, dem Ministerium, dem Land Kärnten, der Stadt Klagenfurt und auch von den übrigen österreichischen Universitäten im Rahmen der Rektorenkonferenz getragen werden muß.

Klagenfurts Ordinarius Paul Kellermann berichtete in diesem Sinn vor dem speziell für die Kärntner Probleme eingesetzten Ausschuß der Rektorenkonferenz, und dieserschloß sich voll den Ausführungen an. Österreichs jüngste Hochschulgründung soll nun intensiver von den älteren Geschwistern in die Arme geschlossen werden.

Kärntens Maturanten sind, soweit sie nicht in Graz, Wien oder an einem ändern Hochschulort studieren können, auf die wenigen, an der bildungswissenschaftlichen Universität gebotenen Studienrichtungen beschränkt. Nun führen diese Studienrichtungen zum Teil zu Berufen, für die es überhaupt noch keine entsprechenden Positionen gibt - wie den Unterrichtstechnologen - oder die, wie in den Lehramtsfachem, regional bereits überbelegt sind. Somit sind die Kärntner doppelt benachteiligt.

Eine Schwerpunkthochschule kann nur dann ihren Aufgaben wirkungsvoll gerecht werden, wenn sie sich diesem Schwerpunkt gezielt und konzentriert widmen kann. Dies betrifft die Anzahl der Studienrichtungen, die Aufgabenbeschreibung der Institute oder Ordinariate, den Inhalt der Lehre, die Konzeption der Forschung und die finanziellen Mittel. Das bedeutet für Klagenfurt, daß der Einzugsbereich an Studenten wie die Erstrek- kung der Forschung nicht auf Kärnten beschränkt sein können. Eine Schwerpunkthochschule hat auch Beratungsaufgaben für die entsprechenden außeruniversitären Institutionen wahrzunehmen, weil man von ihr erwartet, daß sie für die Praxis brauchbare Informationen wenigstens aus ihrem Forschungsgebiet bereitstellen kann.

In letzter Zeit haben sich in Klagenfurt - entgegen der ursprünglichen Zielsetzung - die Lehramtsfacher we sentlich stärker entwickelt als die bildungswissenschaftlichen. Im Studienjahr 1976/77 ist die Zahl der Hörer in Klagenfurt - wo die Zahl der Absolventen noch gering ist - wesentlich stärker gestiegen als an den ändern österreichischen Universitäten, mit rund 30 gegenüber durchschnittlich acht Prozent, jedoch bei gleichbleibender Zahl der Studienanfänger. Für die Lehramtsstudien sind fünf neue Ordinariate vorgesehen, für die Bildungswissenschaften keine Erweiterungen.

Für den Bau des Vorstufengebäudes und seiner Einrichtung hat der Klagenfurter Hochschulfonds von 1970 bis 1976 fast 140 Millionen Schilling ausgegeben. Gleichzeitig schoß das Wirtschaftsministerium für Verwaltungsaufwand, Sachaufwand und Bibliothek rund 50 Millionen zu, wobei das Ministerium betonte, diese Mittel seien zusätzlich und entzögen den ändern Hochschulen nichts.

Auf Grund dieser Lage kam die Rektorenkonferenz zu einer Reihe von Empfehlungen:

• Die Universität Klagenfurt soll jene Institution bleiben, die die bildungswissenschaftliche Forschung und Lehre schwerpunktmäßig vertritt. Beim weiteren Ausbau der Universität sollte dieser spezielle Auftrag vorrangig berücksichtigt werden.

• Der Ausbau des Bereiches „Bildungswissenschaft” sollte durch Etablierung der Fächer Bildungsrecht, Büdungsinformatik, Bildungsverwaltung und -management, Bildungsplanung und Bildungspolitik, vergleichende Bildungswissenschaften, Sozialarbeit auf der Ebene der wissenschaftlichen Forschung und Lehre, Bildungshilfe vor allem für Entwicklungsländer, sowie Sonder- und Heil* Pädagogik vorangetrieben werden. Die bestehenden Institute und Abteilungen seien auszubauen und zu ergänzen, die Zusammenarbeit mit rechtswissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten anderer Universitäten ist zu verstärken, all dies im Rahmen eines längerfristigen Entwicklungsplanes. Alle diese Forschungsbereiche brauchen auch die sie selbst weiter vorantreibende Forschung und Entwicklung und die Her- anbüdung wissenschaftlichen Nachwuchses.

• Der Ausbau der Universität sollte wie in den Gründungszeiten durch ständige fachliche Diskussion und Konfrontation geprüft und angeregt werden. Gegenseitige Information, Kommunikation und Hilfe im Kontakt mit den verwandten Instituten anderer Universitäten könnte zu einer stärkeren Integration Klagenfurts führen.

• Um den ändern die Ergebnisse des bildungswissenschaftlichen Schwerpunktes nutzbar zu machen, sollte die Universität Klagenfurt ihre Forschungsbemühungen vor allem auf die Erarbeitung von Modellen der Lehrerausbildung und -fortbildung richten, in Zusammenarbeit mit ändern Universitäten oder Fakultäten fachbezogene Bildungsforschung betreiben, die Didaktik der Fächer weiter entwickeln und die Ausbildung von Lehrern auf dem Gebiet der Fachdidaktik forcieren. Forschungen und Lehre in der Unterrichtstechnologie und in der Verwendung audiovisueller Unterrichtsmittel sollte in einem interuniversitären Institut allen Hochschulen zur Verfügung stehen. Hochschul- lehrgänge sollten zur Fortbildung für Volks- und Hauptschullehrer sowie AHS-Professoren oder zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses durchgeführt werden. Fortbildungsveranstaltungen für Universitätsleh rer und Lehrer an Pädagogischen Akademien, für akademische Funktionäre und Beamte der Unterrichtsverwaltung sowie eine Kooperation mit der Verwaltungsakademie wären zu erwägen.

Dagegen sollen keine weiteren Lehramtsstudien in Klagenfurt eingeführt werden, empfahl der Ausschuß abschließend, wenn auch gewisse Ergänzungen zur Konsolidierung der eingerichteten Studien nötig sein werden. Nicht jeder Hochschulort soll und darf alle Studienrichtungen anbieten. Die Gründung neuer Institute und Studiengänge führt erfahrungsgemäß nicht zu einem Rückgang der Hörer an den bestehenden Hochschulen und Fakultäten. Die Entlastungsfunktion, die in Klagenfurt für die ändern Hochschulen erwartet wurde, ist nicht eingetreten. Die Kärntner Studenten aber werden damit in Studienrichtungen gedrängt, die sie bei größerer Bereitschaft zur Mobilität nicht gewählt hätten. Die naturwissenschaftlichen Institute könnten ohne größte finanzielle Anstrengungen nicht so ausgebaut werden, daß eine zufriedenstellende Ausbildung gewährleistet wäre. Angesichts der allgemeinen Budgetlage ist aber ein weiterer Ausbau der Lehramtstudien weder nötig noch wünschenswert, da in vielen Fächern bereits ein Überangebot von Absolventen abzusehen ist.

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