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Bisher hatte man von den Medizinern nicht viel gehört, wenn um die Strukturreform der Universität, um die Modernisierung der Studienordnungen diskutiert worden war. In der Hochschulreformkommission hatten ihre Vertreter von Fall zu Fall mahnend den Finger erhoben, um daran zu erinnern, daß Kliniken gleichzeitig Krankenhäuser seien, daß Internisten und Chirurgen nicht nur Forscher und Lehrer, sondern auch — und nicht zuletzt — Ärzte zu sein haben, daß ideologisch bestimmte Utopien dort ein Ende haben müssen, wo es um Leben und Tod von Patienten geht, und daß diese Frage auch dort eine frühe Grenze setze, wo man in anderen Fächern noch — vielleicht mit Erfolg — experimentieren könne. Argumente, denen sich auch weder Assistenten noch Studenten verschließen konnten.

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Bisher hatte man von den Medizinern nicht viel gehört, wenn um die Strukturreform der Universität, um die Modernisierung der Studienordnungen diskutiert worden war. In der Hochschulreformkommission hatten ihre Vertreter von Fall zu Fall mahnend den Finger erhoben, um daran zu erinnern, daß Kliniken gleichzeitig Krankenhäuser seien, daß Internisten und Chirurgen nicht nur Forscher und Lehrer, sondern auch — und nicht zuletzt — Ärzte zu sein haben, daß ideologisch bestimmte Utopien dort ein Ende haben müssen, wo es um Leben und Tod von Patienten geht, und daß diese Frage auch dort eine frühe Grenze setze, wo man in anderen Fächern noch — vielleicht mit Erfolg — experimentieren könne. Argumente, denen sich auch weder Assistenten noch Studenten verschließen konnten.

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Und nun, wenige Tage, nachdem die Reformkommission durch den Exodus der Professoren wenigstens fürs erste lahmgelegt wurde, legten die Mediziner ihre eigenen Vorstellungen auf den Tisch, bis ins Detail ausgearbeitet, nicht nur über eine neue Organisation der Medizinischen Fakultäten, sondern auch über die Straffung und Modernisierung ihrer Studien. Als verantwortlich zeichneten die drei Dekane. Sie konnten sich auf die einheitliche Zustimmung ihrer Kollegen stützen. Die neuen Studienvorschriften hatten auch die drei Fachschaften der Studenten miterarbeitet und mitunterschrieben. Zur neuen Organisation hatte man sie nicht herangezogen, doch bezeichneten auch die Professoren ihre Vorschläge nur als Diskussionsgrundlage.

Die neue Studienordnung soll — gemäß dem Auftrag des Allgemeinen Hochschulstudierigesetzes — vor allem dafür sorgen, daß der Medi-ninstudent tatsächlich in der vorgesehenen Zeit abschließen kann. Nicht in den theoretisch bisher als Mindestzeit vorgesehenen zehn, aber immerhin in zwölf Semestern — bisher waren meist 14 Semester üblich gewesen. Da inhaltlich auf nichts verzichtet werden kann — im Gegenteil, die Spezialisierung würde immer noch mehr erfordern —, sollen durch eine straffere Organisation, vor allem durch das Angebot der notwendigen Veranstaltungen im Blocksystem mit gleich anschließender Prüfung die bisher üblichen Zeitverluste vermindert werden.

Die Einteilung in drei statt bisher zwei Studienabschnitte, die Verteilung von insgesamt 24 Einzelprüfungen über das ganze Studium sollen den Ablauf reibungsloser gestalten. 16 Wochen Famulatur müssen im zweiten und dritten Studienabschnitt eingebaut werden. Soll auch für die Mediziner die Bestimmung des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes gelten, wonach zunächst ein Diplomgrad zu erwerben sei und erst nach Vorlage einer Dissertation der Doktorgrad? Darum ging bisher der Streit. Die Mediziner sind der Meinung, daß die alte Regelung bleiben solle. Auf keinen Fall dürfe man — wie es in Deutschland noch üblich (und sehr umstritten) sei — von jedem Mediziner eine Dissertation fordern. Der Patient verlange aber den Doktortitel, um Vertrauen zu seinem Arzt hegen zu können.

Neu sind die Vorschläge für die Strukturreform — aus ihnen spricht das Mißtrauen, mit dem die Mediziner die Entwicklung an den übrigen Fakultäten verfolgen, der Wille, lieber aus dem gemeinsamen Haus auszuziehen als zuzulassen, daß die besonderen Aufgaben der Medizin durch Reformen in Frage gestellt werden, die auf andere Fächer zugeschnitten sind.

Zwar wird die Möglichkeit noch offengelassen, daß die medizinischen Fakultäten als „Schulen“ mit eigenem Status im bisherigen Universitätsverband bleiben könnten — aber die ganze Detailausführung ist doch eindeutig darauf ausgerichtet, die drei bestehenden Fakultäten in Wien, Graz und Innsbruck, zu denen um 1980 herum wohl noch die Salzburger kommen dürfte, aus ihren Institutionen herauszulösen und überregional zu einer gemeinsamen „Medizinischen Universität“ zusammenzufassen, auch wenn vorläufig nur von einem gemeinsamen „Rat der Medizinischen Schulen“ gesprochen wird. Zu den Aufgaben der Medizinischen Schulen zählten dann nicht nur ärztliche Ausbildung und medizinische Forschung, sondern auch die Weiterbildung der Absolventen und die Ausbildung von Krankenpflegern und medizinisch-technischen Helfern. Die Vorschläge werden sicherlich auf manchen Widerstand stoßen. Die Reformer werden kritisiert, daß Institute und Kliniken grundsätzlich nur von einem Ordinarius allein geleitet werden sollen — in einer Zeit, wo so laut nach dem Großinstitut gerufen wird — und daß die neu definierten Extraordinarien als Abteilungsleiter nur ihre Vertreter in das Kollegium entsenden, wogegen ihm alle Ordinarien angehören. Der „Mittelbau“ wird seine 30-Prozent-Vertretung als zu gering ansehen, die Studenten werden unzufrieden sein, daß nur die drei Fachschaftsvorsitzenden mitsprechen sollen, und dann nur in Studienangelegenheiten. Die Grundsatzfrage aber lautet: Verbleib in der Universität oder Exodus? Prof. Fellinger verteidigte in der Pressekonferenz die Separationsgelüste mit dem Hinweis, daß die Kontakte heute schon zwischen den einzelnen medizinischen Fakultäten viel enger seien als mit den anderen Fächern im (noch) gemeinsamen Haus. Vielleicht sollte man in weiterer Entwicklung auch die Tiermedizin und die Pharmazie in den Komplex der „Medizinischen Universität“ einbeziehen. Dann müßte ihm wohl aber auch die Biologie und die Biochemie mit eigenen, der medizinischen Forschung zugerichteten Studiengängen angegliedert werden (die Einrichtungen dafür sind ja vorhanden).

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