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Salzburger Universitätspläne

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Die Tatsache, daß die Görres-Gesellschaft in diesem Jahre zum erstenmal seit ihrem mehr als 80jährigen Bestehen ihre Jahresversammlung außerhalb der Grenzen des deutschen Staatsgebietes gehalten hat, und zwar in Salzburg, am Sitze der Salzburger Hochschulwochen, in den Räumen der ehemaligen Salzburger Universität, gibt jedenfalls zu denken und lenkt unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf die Pläne zur Gründung einer katholischen Universität in Salzburg. Wenn auch noch nichts darüber verlautet, ob zwischen der größten deutschen katholischen Gelehrtenorganisation und dem Universitätsverein in Salzburg, der sich die Verwirklichung dieser Pläne zur Aufgabe gestellt hat, bei dieser Gelegenheit eine Aussprache in dieser Hinsicht erfolgt ist (ja man konnte sogar mit Interesse vermerken, daß bei den Eröffnungsansprachen überall dort, wo diese Pläne zur Sprache kamen, der internationale Charakter der im gegebenen Falle zu gründenden Universität betont wurde, während in früheren Jahren meist die Notwendigkeit hervorgehoben wurde, für den süddeutschen Katholizismus in Deutschland, Oesterreich und der Schweiz ein gemeinsames geistiges Zentrum zu schaffen), regt die erwähnte Tatsache allein schon dazu an, sich über die möglichen Formen und Wege zur Verwirklichung eines solchen Planes Gedanken zu machen.

Es gibt viele Disziplinen, bei denen es gleichgültig ist, ob sie „katholisch“ gelehrt werden oder nicht. Es gibt keine katholische Mathematik, keine katholische Sprachwissenschaft. Die eigentliche Aufgabe einer katholischen Universität wäre die, in den Fächern, in denen es einen Unterschied ausmacht, von welchem weltanschaulichen Gesichtspunkt aus sie gelehrt werden, eine im besten Sinne wissenschaftliche und zugleich eine einwandfrei katholische Ausbildung zu vermitteln.

Aus dieser Erwägung heraus ist der Plan eines „W eltanschauungsjahres“ aufgetaucht. Es wäre gewiß wertvoll, wenn man Hörern, die das Materialmäßige ihres Faches schput„,beherrschen„ in. .einem eigenen .abn scMiefend&nStudiehjähf dte“ weltanschaulich Gesichtspunkte vermitteln könnte, nach denen dieses Material zu deuten ist, und sie vor den

Entstellungen warnen, die eine angeblich „voraussetzungslose“ Wissenschaft an ihm vornimmt. Aber abgesehen davon, daß es fraglich ist, ob sich diese beiden „Arbeitsgänge“ so reinlich scheiden lassen, ergibt sich eine große praktische Schwierigkeit daraus, daß ein solches Weltanschauungsjahr nur am Ende des Fachstudiums sinnvoll ist. Anfängern, die das Faktenmaterial ihres Faches noch nicht überblicken, allgemeine „weltanschauliche Gesichtspunkte“ vermitteln zu wollen, kann nur zu Vagheit und Unklarheit führen und muß verwirrend wirken. Aber welcher Student hat genug Geld und genug Zeit, um na-ch beendetem Fachstudium noch ein Jahr an seine weltanschauliche Durchbildung zu wenden? Selbst wenn man die Mittel besäße, durch Stipendien den Zeit- und Verdienstentgang zu vergüten, den die Teilnahme an einem solchen Jahr bedeuten würde — wäre dies ein geeignetes Mittel, um eine katholische wissenschaftliche Elite heranzubilden? Die wissenschaftliche Qualifizierung der Teilnehmer an einem solchen zusätzlichen Studienjahr würde ja dadurch nicht prinzipiell gehoben.

Man hat deshalb daran gedacht, das Weltanschauungsjahr auf ein Sommerquartal zu reduzieren, auf drei Sommermonate. Das macht vielleicht den Plan von Seiten der Hörerschaft leichter durchführbar (obwohl gewiß auch viele Hörer, die etwa die Salzburger Hochschulwochen besuchen, den übrigen Teil des Sommers anderweitig zu Studium oder Verdienst verwenden), es wird aber schwer halten, Hochschullehrer von Format, die gern und regelmäßig ein oder zwei Wochen der Mitarbeit den Salzburger Hochschulwochen widmen, den ganzen Sommer hindurch an eine so intensive Arbeit zu verpflichten. Und eine Serie von verschiedenen Vortragenden den ganzen Sommer hindurch aneinanderzureihen, das heißt, bloß die Salzburger Hochschulwochen über den ganzen Sommer zu erstrecken — könnte man es verantworten, so etwas auch nur als Annäherung an den Plan der Realisierung einer Universität zu betrachten?

Wenn es eine Universität sein soll, wenn es wirklich die Aufgabe hat, eine katholische wissenschaftliche Elite heranzuziehen, so muß gelehrt werden, wissenschaftlich, systematisch, in einer Weise, die nicht nur zu dem schon anderweitig angeeigneten Fachwissen nachträglich die weltanschaulichen Gesichtspunkte hinzufügt, sondern vielmehr so, daß die materialmäßige und exakte Durcharbeitung des Fachlichen von vornherein mit dem Bewußtsein vorgenommen wird, daß schon in der Art und Weise dieser fachlichen Bearbeitung sich der weltanschauliche Gesichtspunkt in entscheidender Weise wird geltend machen müssen, und mit der klaren Einsicht, daß die angeblich „voraussetzungslose“ Bearbeitung der Fakten meist schon eine Reihe von unausgesprochenen, negativen Stellungnahmen auf weltanschaulichem Gebiet in sich schließt. Also ein volles Studium, das zugleich und in einem eine abgeschlossene Fachbildung auf dem betreffenden Gebiet und eine weltanschauliche Durchbildung in allen Belangen dieses Faches sein müßte und, abgeschlossen, ein Diplom für ein bestimmtes Fach verleihen würde — aber nur in den Fächern, die weltanschaulich relevant sind, und zwar in langsamer Erweiterung, etwa von den Fächern ausgehend, die der schon bestehenden theologischen Fakultät am engsten benachbart sind: Philosophie, Geschichte, Literaturwissenschaft. Gewiß ist ein solcher Plan leichter zu realisieren. Die Frage, welche Lehrkanzeln sukzessiv errichtet werden sollen, könnte — innerhalb des Rahmens der Fächer, die im oben erwähnten Sinn für eine solche Universität wichtig sind — weitgehend den personalen Möglichkeiten und Verfügbarkeiten angepaßt werden. Hörer würden sich finden, wenn man ihnen ein abgeschlossenes Studium ermöglichen und am Ende ein Diplom in die Hand geben könnte. Aber was für ein Diplom? Hier liegt die Schwierigkeit.

Solange es nicht gelingt, dieses Diplom mit einer solchen Anerkennung auszustatten (staatliche Gültigkeit oder Anspruch auf automatische Nostrifizierung), so daß die Absolventen der Universität im Lehramt, in der Verwaltung, im Musealdienst Verwendung finden können, solange wird die Universität nicht nur keine Hörer haben, sondern auch nicht den Zweck erfüllen, um dessentwillen es allein einen Sinn hat, sie zu gründen: den nämlich, gründlich ausgebildete, in ihrer Weltanschauung gefestigte, bewußte Katholiken zum entscheidenden Mitwirken im wissenschaftlichen und kulturellen Leben heranzuziehen und zu befähigen.

In der heutigen Lage besteht aber wenig Aussicht darauf, die gesetzliche Verankerung einer solchen staatlichen Anerkennung von Diplomen zu erreichen, die eine katholische Privatuniversität verleiht. Aber der Zweck, dem letzten Endes die Universität dienen soll, läßt sich auch auf einem anderen Wege erreichen. Forschungsinstitute, an denen unter der Leitung eines international anerkannten Fachmannes wenige ausgewählte (und natürlich während der Zeit ihrer Mitarbeit besoldete) junge Gelehrte arbeiten, würden nicht nur durch ihre Arbeit einen unschätzbaren Beitrag für das katholische Geistesleben liefern, sondern auch eine Garde von jungen Gelehrten heranziehen, die sich auch ohne ein an diesem Institut erworbenes, staatlich anerkanntes Diplom an entscheidenden Stellen des geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens durchsetzen würden; denn der internationale Ruf, den diese Institute genießen müßten, würde auf Grund der bloßen Tatsache, daß sie erfolgreich an den Arbeiten des Instituts mitgewirkt haben (was ihnen zu bescheinigen wäre), dem staatlich anerkannten Diplom, das sie ohnehin schon besitzen, einen gesteigerten Wert und ein erhöhtes Gewicht verleihen. Solche Institute. “kögtöSB tallisi&BSDunteÄneSft später zu gründenden, eigenfliejieit,-lurdr-o versität werden, wenn es gelänge, die oben umschriebenen Erfordernisse zu verwirklichen; aber auch schon als bloße Forschungsinstitute würden sie, wie gesagt, in einem engeren Kreise, aber um so intensiver die Ziele verwirklichen, um die es bei allen diesen Plänen geht.

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