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Ausbildung von Exportkaufleuten braucht ein neues Gesetz

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Die Universität von heute hat mit der von 1965 weniger Ähnlichkeit als diese mit der von 1865. Das heißt, daß sich das Prinzip der Hochschulen innerhalb eines Jahrhunderts weniger geändert hat als in der letzten Dekade. Zwar sind in den obengenannten hundert Jahren manche bis dahin noch nicht richtig berücksichtigte Wissensgebiete „hochschulreif ' geworden, wie etwa die technischen und betriebswirtschaftlichen Fächer, aber die Sozialstruktur der Hörer blieb, von Schwankungen abgesehen, gleich, und die Lehrkörper bildeten jene Gelehrtenrepublik, die eine relativ hohe Autonomie innerhalb der Gesellschaftsordnung besaß. Oder man legte, um nur ein Beispiel zu nennen, viele der Prüfungen, die für eine Berufslaufbahn erforderlich waren, außerhalb des Hochschulrahmens, wenn auch unter Zuziehung akademischer Lehrer, ab.

Der Umschwung kam in Österreich relativ plötzlich. Entscheidend war das Allgemeine Hochschulstudiengesetz 1966, das deutlich als Ziele der Hochschule die wissenschaftliche Berufsvorbildung und auch die Bildung durch Wissenschaft festlegt. Das bedeutete, besonders im Zusammenhang mit den besonderen Studiengesetzen für die einzelnen Fachrichtungen, eine Aufgabenbereicherung für die Hochschulen, anderseits erfolgte eine stärkere Einbindung in die Aufgaben des Staates.

Die Universitäten haben seitdem, verstärkt noch durch das Universi-tätsorganisationsgesetz, eine vollkommen neue Position innerhalb der Gesellschaftsordnung erhalten: Es ist den meisten Mitmenschen, auch innerhalb der hohen Schulen, noch gar nicht bewußt geworden, daß die meisten der alten Vorstellungen, wie etwa die „Gelehrtenrepublik“, das relative Abseitsstehen von der Tagespolitik, überholt sind.

Ohne auf die allgemeine Problematik eingehen zu können, soll nur für eine Hochschule überprüft werden, ob die Universitäten ihre neue Aufgabe begriffen haben. Am Beispiel der Wirtschaftsuniversität Wien sollen die Konsequenzen aus der neuen Position und auch die allgemeine Universitätsentwicklung aufgezeigt werden.

Aus der Notwendigkeit, für eine fundierte Ausbildung von Exportkaufleuten zu sorgen, schufen Persönlichkeiten der Wiener Wirtschaft zu Beginn des Jahrhunderts die Exportakademie, die wir heute als eine postsekundäre Ausbildungsstätte bezeichnen würden. Fast ganz zwangsläufig wurde daraus 1920 die „Hochschule für Welthandel“. Damals geführte Überlegungen, die Ausbildung zum Diplomkaufmann an der Wiener Universität durchzuführen, scheiterten an dem dortigen Unverständnis. Immer mehr zog „die Welthandel“ die betriebswirtschaftliche und wirk schaftspädagogische Ausbildung an sich und erhielt schließlich das Promotionsrecht.

Als durch die Studienreform 1966 an allen Universitäten Österreichs die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in neuen Studienrichtungen etabliert wurden - mit dem Ziel, sie später zu einer eigenen Fakultät zu machen -, fragte man sich, was mit der alten „Welthandel“ geschehen sollte, da für die Universität Wien ebenfalls eine wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fakultät vorgesehen wurde. Man wollte jene zunächst auf die alten Aufgaben beschränken und nach dem ersten Entwurf zum UOG auch „Universität für Welthandel“ nennen. Da man aber nicht weniger als vier Studienrichtungen iih Gebäude am Währingerpark ansiedelte und da die erstgewählte Bezeichnung doch etwas zu verkrampft klang, konnte das damalige Professorenkollegium die andere Bezeichnung „Wirtschaftsuniversität Wien“ erreichen.

Diese neue Universität war zwar eine, allein der Hörerzahl nach, sehr große Hochschule, aber im Grunde doch nichts anderes als eine überdimensionale Fakultät. Schließlich entstand durch das UOG neben der Wirtschaftsuniversität noch die fast gleichnamige Fakultät, eine Ausgliederung der Juridischen Fakultät der Universität Wien. Obgleich bis auf eine Studienrichtung unterschiedliche Studiengänge eingerichtet wurden, erscheint manchem außerhalb der Hochschulen stehenden Betrachter dieser Zustand als Doppelgleisigkeit, so daß immer wieder die Zweckmäßigkeit der Vereinigung beider Bildungsstätten diskutiert wird. Die einen meinen, die jetzige Wirtschaftsuniversität könne dann Fakultät der Universität Wien werden, was insofern barer Unsinn ist, weil damit ein weiterer, etwa 9000 Studierende umfassender Korpus zu einem bereits unüberschaubaren Monster hinzukäme. Andere vertreten die Auffassung, die „Wiso-Fakultät“ der Universität solle von der Wirtschaftsuniversität aufgenommen werden, was wieder die Konsequenz hätte, diese Universität zwecks besserer Organisation in Fakultäten aufzuteilen. Beide Vorschläge entbehren der Möglichkeit einer Verwirklichung; aber solche Vorschläge sind Symptom dafür, daß man die jetzige Ordnung nicht als ideal ansieht.

Das kommt auch daher, daß man sich über die Ausbildungsziele der Wirtschaftsuniversität nicht richtig bewußt ist. Bei der alten „Welthandel“ wußte man, woran man war. Wer ein guter Kaufmann werden wollte, vor allem im Export- oder Touristikgeschäft, der besuchte eben die Hochschule am Währingerpark Im Zeichen des Reformeifers der sechziger Jahre und im Bemühen, für ganz Österreich ein einheitliches System zu schaffen, wurde der alte Studiengang vollkommen umgebaut - wie es sich heute herausstellt, nicht zum Glück des Studiums. Man belastete den Studierenden mit viel Gepäck aus dem juridischen und mathematischen Bereich, beschränkte die Sprachenausbildung auf eine Studienrichtung und stellte schließlich mit Erstaunen fest, daß die jungen Leute für die Tätigkeit als Kaufmann wenig vorgebildet waren.

Das alles geschah in1 einem Augenblick als die Hochschule, wie oben dargelegt, viel stärker gesellschaftlichen Zielen geöffnet wurde. So kam es, daß man Büanzfachleute, Wirtschaftsprüfer und Vertreter ähnlicher Kategorien besser als früher ausbildete, aber Betriebswirte hinausschickt, die eigentlich Schmalspurjuristen mit soziologischen und statistischen Kenntnissen sind.

Die Wirtschaftsuniversität besinnt sich derzeit darauf, etwas anderes sein zu wollen als die übrigen Fakultäten und sucht nach neuen Wegen, zum Teil auch in Zusammenarbeit mit den Dekanen anderer Universitäten. Für die betriebs- und volkswirtschaftliche Ausbildung werden gemeinsame Pläne vorgelegt werden.

Von Seiten der Universitäten sind wir ganz im Sinn der verstärkten Einheit von Gesellschaft Staat und Hochschule verpflichtet, einen entsprechend geschulten akademischen Nachwuchs für diesen Zweig der Wirtschaft anzubieten. Dazu braucht man Menschen, die nicht nur von vornherein spezifisch geschult werden, sondern die auch durch ihr Studium (Bildung durch Wissenschaft, heißt es im Studiengesetz!) jene selbstverständliche Haltung bekommen, die sie erst befähigt, unsere Wirtschaftsinteressen gegenüber Ausländern gut zu vertreten. Dazu gehören nicht nur Exporte kaufleute, sondern auch die Experten aus dem Tourismus, Fachleute des Kreditwesens und des internationalen Verkehrs. Die Wirtschaftsuniversität Wien hat die dazu entsprechenden Lehrkräfte und Einrichtungen; was wir benötigen, ist ein den heutigen Anforderungen entsprechendes Gesetz. Man hat den Eindruck, als ob die zuständigen Stellen im Ministerium und in anderen Positionen, nachdem sie mit viel Eifer, und nicht immer richtig, reformierten, Angst vor weiteren Konsequenzen haben. Der Gesetzgeber hat nun einmal den Universitäten einen neuen Rang und eine neue Position in der Gesellschaft gegeben, er muß auch darangehen, die entsprechenden Folgerungen daraus zu ziehen.

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