7119741-1996_30_11.jpg
Digital In Arbeit

Geldverschwendung für Studien ohne Zukunft

Werbung
Werbung
Werbung

Die sinkenden Leistungserfordernisse der Reifeprüfung, die schlechten Berufsaussichten der Maturanten und der hohe finanzielle Standard vieler Eltern, der den Töchtern und Söhnen das Studium (sehr oft auch ein Langzeitstudium) in Orchideenfächern oder hoffnungslos überfüllten Fachrichtungen ermöglicht, haben zu einem problematischen Massenandrang an den Universitäten geführt. Das Studium, kostenlos angeboten, verkommt oft zum konsumtiven Lebensabschnitt.

Dieser Trend wird in Österreich weder durch eine Gebührenregelung (wie etwa in den USA oder auf Kreditbasis wie in den Niederlanden und Australien), noch durch einen Numerus Clausus (wie in Deutschland), noch durch strenge Prüfungsanforderurigen (wie in der Schweiz) unter Kontrolle gebracht. Dies führt zu untragbaren Zuständen: Hoffnungslos überfüllte Hörsäle, unzureichende Arbeitsplätze in Instituten und Bibliotheken, fehlende Betreuung durch Professoren und Assistenten, ungenügende Prüfungstermine. Das Studium dauert dadurch in Österreich zu lange und hat überdies an manchen Fakultäten deutlich an Qualität verloren. Es gibt Leute, die auf diese Zustände unter dem Schlagwort des freien Zugangs zur Universität auch noch stolz sind.

Tatsache ist jedenfalls, daß unsere Hochschulen heute zu einer gigantischen Geldverschwendungsmaschine geworden sind. Noch schlimmer: Ein überlanges oder später abgebrochenes

Studium vergeudet gerade die aufnahmebereitesten und leistungsfähigsten Jahre junger Menschen, gefährdet die Bereitschaft und Fähigkeit, den Anforderungen des Lebens zu entsprechen, wenn sie später auf eigenen Beinen stehen müssen.

Die für die Hochschulen Verantwortlichen haben es sich in der Vergangenheit leicht gemacht: Sie sind jahrelang den Weg des geringsten Widerstands gegangen - sie verlangten einfach mehr Geld, ohne das Übel bei der Wurzel zu packen. Es bedarf nicht des nunmehrigen Diktats der leeren Kassen, um die Kurzsichtigkeit dieser Politik zu entlarven: In Österreich gibt es 9.000 Architekturstudenten. Es wäre absurd, für diese jungen Menschen durch neue Professoren- und Assistentenposten sowie zusätzliche Räume die Möglichkeit zu schaffen, ihr Studium zu absolvieren, um dann feststellen zu müssen, daß es für die meisten keine Berufsperspektive gibt.

Es muß vielmehr eine Selektion noch während des Studiums erfolgen. Hohe Inskriptionsge-bühren sind eine Variante, sofern sie durch ausreichende Stipendien für zielstrebige, begabte Hörerinnen und Hörer wie auch durch ein faires Kreditsystem sozial abgesichert ist. Eine Alternative wäre die Begrenzung der kostenlosen Studiendauer oder eine strengere Überprüfung des Studienerfolges nach dem Beispiel der Schweiz: In der Hochschule St Gallen, mit der sich die Wirtschaftsuniversität Wien gerne vergleicht, schließen trotz höherer Anforderungen (Nachweis von zwei Fremdsprachen und Pflichtpraktikum) 60 bis 70 Prozent aller Studierenden in acht Semestern das Studium ab.

In der Eidgenössischen Hochschule (ETH) Zürich absolviert der Großteil der Studenten das Architekturstudium in zehn Semestern. In der Technischen Universität Graz braucht der

Durchschnittsstudent 18 Semester, wobei drei Viertel aller Studentinnen und Studenten vorzeitig aufgeben. Hat sich noch niemand von den Verantwortungsträgern - den Politikern, Ministerialbeamten, Professoren und nicht zuletzt Studentenvertretern -gefragt, warum das so ist und wieviel diese durch nichts gerechtfertigte Unbekümmertheit dem Steuerzahler kostet?

Das zweite große Problem besteht im Mangel an Übereinstimmung der Berufsausbildung mit den Bedürfnissen der Wirtschaft. Hier findet sich auch eine der vielfältigen Ursachen steigender Arbeitslosigkeit: Der relativ hohe Lebensstandard verleitet -wie erwähnt - zu Studien ohne berufliche Zukunft. Die Notwendigkeit des Broterwerbs wird nicht rechtzeitig erkannt.

Als realitätsfern muß die von Ulrike Feit vertretene Ansicht (dieFurche 25/96) bezeichnet werden, daß sich

Bildung und Ausbildung nicht am Bedarf der Wirtschaft orientieren sollten. Vielmehr - so meint sie - müßte es „jetzt umgekehrt darum gehen, daß die Wirtschaft auf das Angebot hochqualifizierter Akademiker kreativ reagiert und das vorhandene Humankapital in innovativen Formen und Kombinationen eingesetzt wird”. Hier werden gefährliche Illusionen für Tausende Inskribenten in den Fächern erweckt, die zum völlig überfüllten Lehrberuf führen.

Bei den Disziplinen reine Philosophie, Psychologie, Politologie, Soziologie, Kunstgeschichte, Zeitungswissenschaften oder Theaterwissenschaften ist die Wirtschaft von vornherein kein Ansprechpartner. Ihnen wird nicht selten eingeredet, daß die „Gesellschaft” - was immer in diesem Zusammenhang darunter verstanden wird - für angemessene Berufsmöglichkeiten sorgen muß. Kann sie aber nicht. Und auch in anderen

Bereichen wie Wirtschaftswissenschaften oder Technik sind den Unternehmen enge Grenzen gesetzt: Sie müssen sich auf dem freien Markt behaupten und - auch im Interesse der Mitarbeiter - ihr Überleben sichern.

Es gibt eine Beihe gemeinsamer Interessen, die Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführen. Da ist zunächst das dringende Anliegen einer verstärkten Grundlagenforschung und einer engeren Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung. Es ist eine bekannte Tatsache, daß es hierbei in Österreich noch im argen liegt: Die USA und Japan geben jährlich 2,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aus, die Europäische Union lediglich zwei Prozent, während Österreich mit 1,6 Prozent weit abgeschlagen ist. Die Abdeckung des Bundesbahndefizites entspricht dem gesamten Aufwand für Forschung und Entwicklung in der österreichischen Volkswirtschaft. Das muß zu denken geben.

Nicht zuletzt sollten Wirtschaft und Universitäten einen gemeinsamen Kampf gegen die existenzbedrohende, verwaltungslastige Reglementierung, gegen den lähmenden Egalitarismus und gegen die bürokratische Institutionalisierung führen. Unternehmen und Hochschulen leiden in gleicher Weise darunter, daß die Verwaltung in Österreich überwiegend regel- und nicht ergebnisgesteuert ist Maßstab ist nicht das Ergebnis eines Verfahrens, sondern die Einhaltung der oft absurden Vorschriften, die durch radikale Reformen einer zielorientierten Einsicht weichen müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung