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Kunsthochschulen: Talent genügt nicht

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Für die Ausbildung an den Kunsthochschulen gelten eigene Maßstäbe. Wer sich als Künstler durchsetzen will, braucht neben Begabung viel Fleiß und eine Portion Glück.

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Für die Ausbildung an den Kunsthochschulen gelten eigene Maßstäbe. Wer sich als Künstler durchsetzen will, braucht neben Begabung viel Fleiß und eine Portion Glück.

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Eine fundierte Ausbildung in allen künstlerischen Bereichen — von der Malerei bis zur Medailleurkunst, vom Sologesang bis zur Baßgeige — das bieten die sechs Kunsthochschulen Österreichs ihre:i Studenten; doch das materielle Risiko, vor allem in den ersten Jahren nach Absolvieren des Studiums, das kann kein erworbenes. Diplom beseitigen. Der Beruf des freischaffenden Künstlers ist, um es überdeutlich zu formulieren, ein Trapezakt ohne Netz, zumindest was die rein künstlerischen Studienrichtungen im Gegensatz zu den angewandten Bereichen betrifft.

Fast 6000 ordentliche Hörer studieren zurzeit an den heimischen Kunsthochschulen. Wesentlich mehr Bewerber hätten aber gern einen Ausbildungsplatz errungen. Die Hürde Aufnahmsprüfung — Voraussetzung an allen Hochschulen künstlerischer Richtung — konnte aber von ihnen nicht genommen werden. Denn bereits hier wird kräftig „gesiebt", nur die wirklich Begabten — sofern endgültige Beurteilungen im Bereich Kunst möglich sind — werden aufgenommen. Die Matura ist nicht generell Voraussetzung, nur für einige Studienrichtungen (zum Beispiel Kunsterziehung, Regie) Bedingung.

An den Musikhochschulen erfordert das Studium der Dirigenten (Dauer acht Semester) neben den theoretischen Kenntnissen auch gute Fähigkeiten im Klavierspiel. In den Instrumentalfächern (acht bis 16 Semester je nach Fach) ist das Studienziel eine universell musisch-musikalische Büdung, die bestmögliche Vorbereitung für alle zurzeit gestellten beruflichen Aufgaben von der Orchesterlaufbahn über die Solistenkarriere bis zur pädagogischen Tätigkeit. In den Bereichen Gesang (12 Semester) und musikdramatische Darstellung (sechs bis acht Semester) bietet das Studium eine Auseinandersetzung mit der gesamten einschlägigen Musikliteratur einschließlich der zeitgenössischen Musik.

Gerade an die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien und ans „Mozarteum" in Salzburg zieht es besonders viele ausländische Studenten, vor allem aus der Bundesrepublik Deutschland, Japan, Taiwan und Amerika. Ihr Anteil beträgt hier fast 40 Prozent, während er an den anderen österreichischen

Kunsthochschulen (auch an der Musikhochschule in Graz) zwisehen rund 17 und 20 Prozent, an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz nur um etwa fünf bis sechs Prozent pendelt.

Im Bereich Schauspiel und Regie (sechs bis acht Semester) ist die universelle Erziehung und Ausbildung für den Theaterberuf, eine möglichst umfassende theoretische und praktische Schulung, Ziel und Zweck des Wiener Reinhardt-Seminars (einer Abteilung der Hochschule für Musik und darstellende Kunst).

Unterschiede gibt es im Lehrangebot der drei österreichischen Musikhochschulen: In Wien haben die Studenten die Möglichkeit, sich im Rahmen der Abteilung Film und Fernsehen unter den Studienrichtungen Bildtechnik/Kamera, Buch und Dramaturgie, Produktion, Regie und Schnitt (zehn Semester) zu wählen, während in Salzburg am „Mozarteum" elementare Musik-und Bewegungstherapie (acht Semester) gelehrt wird und in Graz das Fach Jazz (zwölf Semester) belegt werden kann.

An der Hochschule für angewandte Kunst in Wien sowie an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz muß der Bewerber eine Mappe mit Arbeiten, die bereits f achspezif ische sein sollten, abgeben sowie eine Prüfung ablegen. An der Wiener Hochschule wurden in den letzten Jahren im Durchschnitt von 600 bis 800 Bewerbern 120 bis 150 aufgenommen.

„Mehr Interesse für den Kunstbetrieb im allgemeinen im In- und Ausland", wünscht sich Prof. Oswald Oberhuber (Rektor der Hochschule für angewandte Kunst in Wien) von den Studienanfängern. Die Palette der Studienrichtungen reicht von Architektur, Industrielle Formgebung, Malerei, Graphik, Bildhauerei, Keramik, Metallgestaltung bis zur Mode sowie Kunsterziehung (Dauer: acht bzw. zehn Semester).

An der Akademie der bildenden Künste in Wien wird in den Fachrichtungen Malerei, Graphik, Konservierung und Technologie die erste Auswahl schon nach Besichtigung der abgegebenen Arbeiten getroffen. Nur ein Teil der Bewerber wird tatsächlich zur Aufnahmsprüfung zugelassen. Tatsächlich aufgenommen wird rund ein Viertel der Bewerber.

Die rein künstlerische Ausbildung steht hier im Vordergrund. Malerei, Graphik, Bildhauerei, Medailleurkunst und Kleinplastik, Bühnenbild und Architektur sind die Studienrichtungen, für die acht Semester vorgeschrieben sind, für Kunsterziehung (Lehramt an höheren Schulen) sind es neun, und für Konservierung und Technologie zehn Semester.

Nach dem Meisterschulprinzip werden die Studenten vom Lehrer geführt und künstlerisch geprägt. Dieses persönliche, in manchen Fällen fast familiäre Verhältnis zum Lehrer, der menschliche Kontakt zwischen Professor und Studenten ist ein Charakteristikum der Kunsthochschulen. Weniger Studenten und überschaubare Klassen (30 bis 40 pro Meisterklasse an der „Angewandten" etwa) ermöglichen eine bessere Betreuung der Studierenden.

Hat ein Student nun aber sein Diplom geschafft, so ist das noch lange keine Garantie für eine große Karriere. Der freischaffende Künstler, auch der Schauspieler, Pianist, Violinvirtuose und Sänger wird nach seinem Können beurteilt; als Bonus kann die Ausbildung an einer bestimmten Hochschule bei einem bestimmten Lehrer gelten. Wichtig wird das Diplom erst bei dem Wunsch nach pädagogischer Tätigkeit oder bei Anstellungen der im angewandten Bereich tätigen Künstler.

Die Drop-out-Quote hat hier einen ganz anderen Stellenwert als etwa an wissenschaftlichen Hochschulen. Gerade die besten, begabtesten Leute scheiden oft vorzeitig aus und verzichten auf ein Diplom, da sie schon während ihres Studiums voll in ihre künstlerische Karriere einsteigen können, sieht Prof. Helmut Schwarz (Rektor der Hochschule für Musik und darstellende Kunst, Wien) die positiven Aspekte. Die Zahl derer, die tatsächlich scheitern, wird als sehr gering eingestuft, wohl wegen der äußerst strengen Aufnahmsprüfungen. Denn „wer diese erste Hürde genommen hat, schafft auch meist das Studium", bestätigt Alfred Sammer (Rektoratsdirektor der Akademie der bildenden Künste, Wien).

Fast 20 Prozent der Absolventen der Kunsthochschulen sind Architekten, etwa 30 Prozent sind ausübende Künstler und Musiker, und etwa 25 Prozent sind in der Musik- und Kunsterziehung tätig. Die übrigen Absolventen verteilen sich auf verschiedene Berufe, wo ihre Tätigkeiten in stärkerem oder schwächerem Zusammenhang mit ihrer künstlerischen Ausbildung stehen.

Die Beschäftigungsbedingungen für Architekten sind sehr stark von der Entwicklung in der Bauwirtschaft abhängig. Außerdem ist Architektur in den letzten Jahren zu einem Modestudium geworden, die Berufsaussichten daher nicht sehr gut.

Von den Pianisten machen die wenigsten eine große Solistenkarriere, der Großteil ist später im Lehrberuf tätig. Für Streicher (Geige) sieht Prof. Schwarz noch recht gute Möglichkeiten, in verschiedenen Ensembles zu arbeiten, während manche Bläser ihr Können nur nebenberuflich „ausspielen" werden können.

„Selbstvertrauen, Durchhalte-und Durchsetzungsvermögen für den großen Konkurrenzkampf auch im Theaterbetrieb" hält Prof. Schwarz für unerläßlich. Der „innere" Antrieb muß intensiver sein als in anderen Berufen.

Eigenschaften, die auch im Bereich der bildenden Kunst notwendig sind. Die meisten selbständigen jungen Künstler, Maler, Bildhauer, Graphiker kommen anfangs nicht ohne zusätzlichen „Broterwerb" aus. Denn „der Kreis der Auftraggeber, moderne Mäzene aus dem Wirtschaftsbereich, Banken sowie die Kulturämter der Landesregierungen oder das Unterrichtsministerium, die Kunstwerke ankaufen oder junge Künstler durch die Organisation von Ausstellungen unterstützen, ist nicht sehr groß", umreißt Direktor Sammer die Situation.

Etwas besser haben es die „angewandt" arbeitenden Kunsthochschulabsolventen. Als relativ gut bewertet Prof. Kristi-an Fenzl (Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung, Linz) die Berufsschancen der Absolventen der Meisterklasse für Metall, die auf Produktgestaltung spezialisiert sind. Auch für Textildesigner bestehen Möglichkeiten. Für Graphiker sieht Prof. Oberhuber Chancen in der Werbebranche.

Die Möglichkeiten für Absolventen der Hochschulen für bildende und angewandte Kunst, haupt- oder nebenberuflich in Buch- und Zeitschriftenverlagen, bei Film- und Fernsehanstalten, in Werbeagenturen, Ateliers oder in Werbeabteilungen von Wirtschaftsunternehmen beschäftigt zu werden, sind gerade in Österreich sehr begrenzt.

Einige wichtige Voraussetzungen, die neben den künstlerischen Qualitäten notwendig sind, um im Kunstbetrieb bestehen zu können, faßt Johann Steinringer (Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft) zusammen: „Gute Chancen haben alle jene, die schon während des Studiums den Kontakt mit der Praxis gesucht haben und sich über ihr Fach hinausgehende Kenntnisse erworben haben. Auslandskontakte, Mobilität und Flexibilität, eventuell auch ein Studium an einer ausländischen Hochschule verbunden mit Fremdsprachenkenntnissen sind wichtig für die Durchsetzung im Kunstbetrieb, und nicht zuletzt Kenntnisse aus dem Bereich der Betriebswirtschaft, um sich selbst managen zu können."

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