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SCHILLERPLATZ: NEUE PROFESSOREN FEHLEN

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FURCHE: Wäre die bevorstehende Universitätsreform auch für die Akademie der bildenden Künste sinnvoll?

CARL PRUSCHA: Für diese Reform sind Änderungen im Dienstrecht und im Haushaltsrecht wesentlich. Im vorliegenden letzten Entwurf sind diese nur mehr in sehr verwässerter Form enthalten, für die Akademie ist von daher nicht mehr sehr viel zu erwarten.

FURCHE: Welche Änderungen des Dienst- und Haushaltsrechtes wären das?

PRUSCHA: Vor allem die, daß wir für die Berufung unserer Professoren nicht mehr an die Vertragsbedingungen des Bundes gebunden sind, sondern freie Verträge abschließen kön- -nen.

FURCHE: Was heißt das konkret?

PRUSCHA: Eine Kunsthochschule ist so gut, wie ihre Lehrenden es sind, die Resultate sofort sichtbar. Der Dialog der Künstler, die Weitergabe an die Studierenden erfolgt hier schneller, unmittelbarer. Das soll ja auch so sein. Die Vielfalt der künstlerischen Positionen, die an einer Kunsthochschule vertreten sind, macht ja auch deren Stellenwert aus. Daher wäre es wichtig, freier und rascher auf künstlerische Trends und Entwicklungen bei der Neubestellung von Professoren reagieren zu können.

FURCHE: Kann da nicht die Berufung von Gastprofessoren ausgleichen?

PRUSCHA: Das klingt gut, aber welcher Gast kommt für netto 28.000 Schilling Anfangsgehalt nach Wien? Unter solchen Bedingungen kann man nicht mit Gastprofessoren rechnen. Würde ich den Gastprofessor entsprechend hoch honorieren - gleichzeitig erspart dies ja eine Pragmatisierung -, dann könnte ich viel freier disponieren.

Von der Struktur her scheint mir das im derzeitigen Reformentwurf vorgesehene Kuratorium, zwischen Universität und Minister geschaltet, auch für die Kunsthochschulen sinnvoll. In einem gleitenden Übergang könnten auch die Belange der Kunsthochschulen vom Kuratorium wahrgenommen werden, wofür in dieses auch kompetente Vertreter der Kunsthochschulen aufzunehmen wären.

Wichtig ist allerdings zu betonen, daß die Kunsthochschulen in Österreich untereinander sehr verschieden sind. Die Akademie der bildenden Künste hat ja ein eigenes Gesetz, das Akademieorganisationsgesetz aus dem Jahr 1988, das auch 1989 schon einmal novelliert wurde. Der wesentliche Unterschied des Akademieorganisationsgesetzes gegenüber dem Kunsthochschulorganisationsgesetz besteht darin, daß hier jeder im Haus tätige Künstler im Professorenkollegium sich selbst vertritt, nicht Vertreter für die einzelnen Fachbereiche nominiert werden. Jeder Lehrende steht für sich selbst, für das, was er macht, mit seiner Persönlichkeit ein. Es gibt nicht mehr die Malerei, die Graphik, die Bildhauerei. Die Studierenden müssen dann ebenfalls ihre Kunst finden, abseits jeder Klasseneinteilung.

Auch die bei der Uni-Reform vorgesehene Stärkung der monokratischen Struktur, der Funktion des Rektors, sehe ich als notwendig an. Er/Sie muß dies als Fulltime-Job betreiben und sicherlich aus dem künstlerischen Bereich kommen.

FURCHE: Nochmals zurück zum Professorenkollegium: Wenn jeder Professor nur für sich selbst steht, könnte es ja kommen,daß den Studenten bestimmte Bereiche der Kunst, Graphik etwa, plötzlich an der Akademie nicht mehr angeboten würden ?

PRUSCHA: Maßgebend für die Professorenauswahl muß die Kunst sein, sie selbst gibt dann die Richtung der Entwicklung vor, und dementsprechend auch, was weitergegeben wird und was nicht. An der Akademie gibt es heute ja auch keine Klassen für Tier- oder Ornamentalmalerei mehr, die es vor hundert Jahren gab. Dafür entstehen Arbeiten mit Video, Holographie, Computer. Bleistift und Pinsel werden zum Teil durch andere Werkzeuge ersetzt. Versuche mit unterschiedlichen Medien werden einander ablösen, das ist notwendig. Gefährlich wäre es, um eines Modetrends willen beispielsweise lauter Künstler aus dem Video-Bereich anzustellen, weil dann eine Vielfalt nicht mehr gewährleistet wäre.

FURCHE: Welche Rolle spielt die Kontinuität für die Studenten?

PRUSCHA: Dies ist einerseits Sache interner Regelungen. Andererseits sollten gerade auch im Interesse der Studenten die einzelnen Klassen „durchlässiger” sein, also ein Student der Malereiklasse auch einmal in der Meisterklasse für Graphik arbeiten können oder umgekehrt, was bisher kaum möglich war.

FURCHE: Kommt der Wunsch für eine Arbeit mit modernen Medien von den Studenten?

PRUSCHA: Ja, sehr stark. Es gibt bei uns erst eine Klasse für Fotografie, aber Video- oder Computer-Kunst und ähnliches wird bei uns noch nicht gelehrt. Uns fehlen dazu auch die technischen Einrichtungen, unter den derzeitigen Professoren ist niemand in diesen Bereichen tätig.

FURCHE: Befürworten Sie Studienaufenthalte im Ausland für Ihre Studenten?

PRUSCHA: Ja, sehr. Ich werde mich in Zukunft in verstärktem Maß dafür einsetzen.

Ich glaube auch, daß in Zukunft für die Akademie noch stärker das Problem des kulturellen Umfelds, des Lebensraumes eine Rolle spielen wird, ob für eine Kunsthochschule, ob für Künstler Stimulierungen von ihm ausgehen. Es hängt von der Offenheit Wiens, Österreichs im weitesten Sinn ab, ob es an der Akademie die Künstler geben wird, die mit uns diskutieren, mit uns streiten, ob dort ein Ort der fruchtbaren Auseinandersetzung entsteht. Außerdem ist eine größere Öffnung der Akademie nach außen notwendig.

FURCHE: Ist für ein solches Klima der Offenheit nicht auch wichtig, welche Anstrengungen die Kunst, die Künstler selbst, unternehmen, um sich zu vermitteln? Kommt nicht auch der Schule, also der „Bildnerischen Erziehung ”,für die ja die Akademie die Lehrer ausbildet, eine wichtige Rolle zu?

PRUSCHA: Da haben Sie recht, das scheint mir auch ganz wichtig für die Zukunft zu sein. Leider spielen die Kunst- und Musikerzieher im normalen Schulbetrieb eine untergeordnete Rolle. Viele ausgebildete Kunsterzieher üben dann aus diesen Gründen ihren Beruf nicht aus. Es sind auch wieder Bemühungen um die Erhöhung der Wochenstunden in den musischen Fächern in Gang.

Mit dem Rektor der Akademie der bildenden Künste in Wien sprach Leonore Rambosek.

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