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Der Mann in der Sozialarbeit

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Auf den zweiten Weltkrieg foLgter auch bei uns, in Österreich die schwierigen Jahre des politischen und. sozialen Neubeginnens. Es mußte aul allen Gebieten hart angepackt, und ohne langes Überlegen einfach zugegriffen werden. Die Praxis und die Notwendigkeiten des Alltags ließen keine Zeit, wissenschaftliche Definitionen über Sozialarbeit und deren Funktionen zu erarbeiten.

Die Sozialarbeit galt früher hauptsächlich der Fürsorge in materiellen Notständen. Diese Aufgabe aber wird heute schon und in Zukunft in immer zunehmendem Maße von sozialpolitischen Maßnahmen übernommen. Heute fassen wir den Begriff „sozial” viel weiter. Er umfaßt alles, was die G e- meinschaft betrifft. Nun ist aber der ganze Apparat in Politik, Wirtschaft, Körperschaften, Sozialversicherung usw. männlich gesteuert. Daher das Bedürfnis nach der sozialen Männerschule. Sie muß helfen,’ das soziale Leben für das Jahr 2000, das ist: für die nächste Generation, zu gestalten.

Seit dem Jahre 1949 besteht in der Zentrale der Kalasantinerköngregation, Wien XV, Gebrüder-Lang-Gasse 7, das „Seminar für soziale Berufe”, die derzeit einzige soziale Männerschule Österreichs. Aufgabe der Schule . ist es, Sozialarbeiter auszubilden, die den durch die Zeit abgewandelten Aufgaben der sozialen Arbeit gerecht werden. Diese stellen die Ausbildungsstätte vor neue und neuartige Aufgaben sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch der Methode des Unterrichts. Vom Sozialarbeiter muß vor allem Mitverantwortung am Zeitgeschehen erwartet werden, weiter selbständiges Denken, die Fähigkeit zu kritischer Stellungnahme, aber auch der Mut zur Verantwortung.

„Semina r” bezeichnet vor allem die Methodik des. Unterrichts: Zurücktreten des bitten Dorierens, freie und selbständige Mitarbeit aller Studieren- de ’ EMsätz “aller “M’ethodeti de’r Gruppenarbeit im Unterricht, Pflege der Kasuistik in allen praktischen Fächern, Selbsterarbeiten von Referaten. Woher kommen nun die Schüler und was veranlaßt sie, den sozialen Beruf zu ergreifen? Geographisch gesehen, kommen sie aus allen Bundesländern und aus Südtirol. Sie sind auch nach Absolvierung meist in ihrer Heimat tätig. Warum sie kommen

Die Motive der Berufswahl müssen bei der Ausbildung berücksichtigt werden. Will der junge Mensch Bildung oder nur fachliche Ausbildung oder beides zugleich? Beides steht nicht absolut nebeneinander, denn auch die Fachausbildung enthält viele echte Bildungsmomente und Bildungsaufgaben, sie müssen nur erkannt und positiv gefördert werden. Ziel der Ausbildung ist ja nicht allein der berufliche Spezialist, sondern der umfassend gebildete Mensch. Dies ist nicht identisch mit rein intellektueller Bildung. Die jungen Menschen, die sich ins Seminar melden, haben den Menschen als Maß aller Dinge vor Augen. Sie stehen oft in einem zu früh gewählten Beruf, der sie entweder enttäuscht oder, was noch öfter der Fall ist, nicht ganz befriedigt. Sie wollen an Menschen und mit Menschen arbeiten, und vor allem kommt es im Einführungsgespräch mit ihnen zum Ausdruck, wenn es auch nicht ganz präzise gesagt wird: Sie wollen durch diese Arbeit an und mit Menschen gezwungen sein, vor allem an sich selbst zu arbeiten. Sie suchen die Lebendigkeit der Arbeit mit Menschen und bevorzugen selbst bei bloßen Schreibtischberufen nicht die reine Aktenerledigung, nicht die Automation und nicht das Lochkartensystem, sondern die Stellen, wo es Parteienverkehr gibt, wo man noch als Mensch dem Menschen gegenübersteht, Äug in Auge, Herz an Herz. Wo es noch Seele gibt.

Unter dem Nachwuchs für den sozialen Beruf sind weiter junge Menschen, die ihren Bildungsgang auf Grund äußerer Umstände relativ früh unterbrechen. Ferner besteht in Öster reich immer noch das Bildungsprivileg. Es sind weniger die Studienkosten maßgebend als die Lebenskosten während der langen Hochschuljahre. So greift man zu einem kürzeren Studium. Was aber besonders am sozialen Beruf junge Menschen anzieht, ist, daß er Lebenstüchtigkeit verlangt und daß es Berufe sind, wo es nicht nach Anweisungen geht, Berufe, in denen man sein eigener Chef ist und selbständig arbeiten kann. Und diese Möglichkeit ist heute in den anderen Berufen nicht allzuoft gegeben.

Bei einem Teil unserer Jugend von heute zeigt sich weiter das Symptom, daß sie zuerst wie alle andere Jugend ms Lebenspraktische, ins Verdienen, in den Job hineingestrebt hat, und daß diese Entwicklungsphase später noch einmal abgelöst wird von einem echten Bildungsd.rang.

Viele junge Menschen schreckt die vielfach verbreitete Vorstellung ab, der soziale Beruf sei notwendig identisch mit Selbstaufopferung und persönlicher Askese. Nun haben aber Selbstaufopferung, gefühlsbetonte Hingabe und Askese mit der heutigen Ausrichtung der Sozialarbeit, vor allem der Durchsetzung der sozialen Gerechtigkeit, nichts zu tun. Der Sozialarbeiter muß selber sein natürlichen Ansprüche wahrzunehmen wissen auf eigene Lebensgestaltung und Lebenserfüllung. Was er für andere verlangt und durchsetzt, kann und soll er auch für sich1 verlangen: Erleichterung der Arbeitsbedingungen, kürzere Arbeitszeit und höhere Bezahlung.

Die meisten Jugendlichen heute aber ziehen die Ergreifung eines sozialen Berufes nicht ins Kalkül, weil er wegen seiner besonderen Anforderungen und seines Prestigemangels nicht sonderlich attraktiv ist. Auch setzt er eine gewisse Reife voraus, die zur Festlegung einer unteren Altersgrenze für den Berufsantritt zwingt. Auch der späte Zeitpunkt des Geldverdienens schreckt viele von der Wahl des Sozialberufes ab. Und so erliegt sie nur zu leicht den Angeboten der Industrie und der Büros, wo sie schneller und auch bequemer zu eigenem Verdienst kommen. Aus all diesen Gründen erklärt sich denn auch die hohe Differenz zwischen Berufswünschen und Berufseinmündungen.

In der Vergangenheit sind aus verschiedenen Berufen immer wieder allgemeinformende und gesellschaftsbestimmende Leitbilder erstanden: der

Soldat, der Beamte, der Unternehmer, der Arbeiter, der Manager, die das geistige Antlitz einer Epoche prägten. Es könnte sein, daß gerade unter der Bedrohung des Menschlichen in unserer Zeit und in der heutigen Gesellschaft sich ein neues Leitbild erhebt und seine Formungskraft ausübt auf eine, wenn auch zahlenmäßig kleine Elite unserer männlichen Jugend: das Leitbild des sozialen Menschen.

Wissen und Religion

Wir gehen von der Überzeugung aus, daß es notwendig und grundsätzlich möglich ist, auf jede Art sozialer Tätigkeit durch eine einheitliche Grundausbildung vorzubereiten, und daß erst auf dieser Grundlage eine Ausbildung auf speziellen Gebieten der sozialen Tätigkeit allein sinnvoll ist. Wenn wir alles zu lehren versuchen, erreichen wir am Ende vielleicht nur, daß die Studenten keine persönliche Initiative mehr entwickeln, um einmal ihre Kenntnisse zu erweitern, im Glauben, ohnehin schon alles gelernt zu haben. Deshalb muß die Ausbildung eine Lehre vom Menschen (Philosophie der Person) im Bereich der menschlichen Beziehungen bringen. Zunächst die menschliche Person als Träger von Rechten und Pflichten. Dann die menschliche Person in den Hauptgruppen der menschlichen Gesellschaft: Ehe, Familie,

Freundschaft, Interessengemeinschaften und Ideengemeinschaften. Wirtschaft, politische Gesellschaft, Genossenschaftswesen, Geschichte und Bedeutung der politischen Parteien, Gewerkschaftskunde bilden je eigene Lehrgegenstände. Dazu kommt in chronologischer Folge die Besprechung sozial bedeutender Persönlichkeiten und Bewegungen. Vollständig gelesen und im einzelnen erörtert werden die Grundlagen der Katholischen Soziallehre, vor allem die Enzykliken. Die theoretische Grundausbildung umfaßt weiter die Fächer Pädagogik, Psychologie, Staatsbürgerkunde, Sozialpolitik und Sozialreform, Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik, Wi rtschaftsgeschįchte, Kulturgeschichte, Österreichkunde, Politische und Wirtschaftsgeographien. Sozial i medizin. Die zweite Fächergruppe gliedert sich in Sozialversicherung, Fürsorge und Wohlfahrtswesen, Steuerkunde, Gebührenrecht, Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht, Handels- und Gewerberecht, Strafrecht, Prozeßrecht, Verwaltung und Verwaltungsrecht, Jugendfürsorge, Heimkunde, Praxis der Hort- und Heimerziehung, Filmkunde. Die dritte Fächergruppe umfaßt Buchhaltung, Rhetorik, Journalistik.

Die Frage, ob in der ersten Fächergruppe auch die Religionslehre einen Platz haben sollte, ist bei den sozialen Schulen der Welt nicht unbestritten. Alle aber gehen von der gemeinsamen Anschauung aus, daß soziale Arbeit nur aus einer Weltanschauung heraus geleistet wird. Die einen geben eine Berufsethik und begnügen sich damit, andere geben eine Lebenskunde, die katholischen und evangelischen und sonstigen konfessionellen Schulen für soziale Arbeit haben den Lehrgegenstand Religion. Die einen nehmen es mehr eng und heißen diesen Gegenstand „Religion und soziale Arbeit”, wir an der sozialen Männerschule nennen ihn „Religion und. Leben”. Wir sind mit vielen anderen Schulen der festen Überzeugung, daß die soziale Berufsarbeit wie kaum eine andere Arbeit den Anhauch aus diesem Bereich benötigt. Wenn einmal alle Bürohäuser der Sozialversicherungsinstitute, der Kammern, der Gewerkschaften, der Parlamente und alle Sozialministerien mit allen Sozialgesetzen und allen Akten in Flammen aufgehen sollten, dann bleibt die schlichte, ewige Geschichte vom barmherzigen Samariter bestehen.

Das ist der Mann, der nicht erst Recherchen machte und einen Akt anlegte, keine Rückfragen ergehen ließ, keine Bitte um Devisen ins reichere Ausland schickte, keinen Meldezettel verlangte, nicht fragte nach Stand, Klasse und Konfession, ihm auch nicht eine Unterstützung aus Klasse B bewilligte, sondern ihn auf sein eigenes Tier setzte, nachdem er ihm die Wunden mit dem eigenen Taschentuch ver- , bunden hatte, ihn mitten in der Nacht in den Gasthof brachte, dem Wirt seinen eigenen Geldbeutel gab und ihm sagte: Pflegen Sie ihn, bis er gesund ist, und wenn es mehr ausmachen sollte, schicken Sie m i r die Rechnung.

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