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Theologie und Laie

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Eines der Symptome neuerwachten kirchlichen Lebens ist die Haltung weiter Kreise katholischer Laien zur wissenschaftlichen Theologie. Die Zeit liegt noch nicht sehr weit zurück, in der die Theologie als Geheimlehre betrachtet wurde, zu der die Laienwelt weder einen Zugang hatte, noch auch begehrte. Von Seiten der liberalen Gelehrten bestritt man den Wissenschaftscharakter der Theologie, ausgenommen etwa verscl: iedene Randgebiete, wie archäologische oder philologische Forschungen zu christlichen Inhalten. Der katholische Laie aber betrachtete sich als nicht befugt. Soweit hinter dieser Haltung nicht Gleichgültigkeit stand — und das war meistens der Fall —, sah man die Aufgabe des Christen in der Welt als Verteidigung der

äußeren öffentlichen Stellung der Kirche. Die Darlegung und die Apologie der Offenbarungslehre selbst überließ man dem Priester. Das hierarchische Priestertum aber fand dies meistens so in Ordnung und erteilte dem Laien kaum das Wort zum eigentlichen Wahrheitsgehalt des Evangeliums. Fast die einzige Ausnahme bildete die bisweilen an Lehrer gegebene Befugnis zum Religionsunterricht an den unteren Klassen der Volkssdiule.

Wer die altchristliche Literatur durchsieht, stößt immer wieder auf den regen Anteil der Laien an der Darlegung und Verteidigung des eigentlichen Dogmas. An der um die Mitte des 2. Jahrhunderts in Alexandrien in Ägypten gegründeten Katechetenschule wirkte Titus Flavius Clemens, ein Laie; daß er Priester gewesen sei, wurde zwar von dem Kirchenhistoriker Eusebius behauptet, aber ohne Beweis. Jedenfalls war sein weltberühmter Nachfolger Origenes, solange er an dieser Stelle stand, Laie. Seine später erfolgte Priesterweihe war ein Grund zu seiner Absetzung* da sein Bischof die Erlaubtheit seiner Weihe bestritt. Er gründete sodann eine weitere Katechetenschule zu Cäsarea in Kleinasien. Bald darauf finden wir eine Schule zu Antiochien. Zu den Voraussetzungen eines Studiums an diesen Lehranstalten gehörte keineswegs das Streben nach dem Priestertum. Der große Augustinus zog sich nach seiner Bekehrung mit einer Gruppe von Freunden und Schülern in die Einsamkeit des Landes zurück, um dort philosophischen und theologischen Studien zu leben. Als er später auf starkes Drängen hin die Priesterweihe empfing, bedeutete dies eine vollständige Umstellung. Ähnlich war es bei seinem berühmten Zeitgenossen, dem Schriftforscher und Aszetiker Hieronymus. Der als Urheber des morgenländischen Schismas bekannte Staatsmann Photius wurde allgemein wegen seines theologischen Wissens bewundert. Sein Streben nach dem Bischofstuhl von Konstantinopel und sein Kampf gegen Rom stützte sich zum Teil auf diese theologische Bildung, die er sich als Laie erworben hatte. Die Formen, in denen die dogmatischen Kämpfe, die Häresien und Schismen im christlichen Altertum verliefen, wären ohne den Anteil der Laien an der Theologie nicht möglich gewesen. Man kann sich zum Beispiel heutigentags nicht vorstellen, daß Aufstände, Kriege und blutige Verfolgungen , ausbrechen, weil jemand behauptet, in der Dreieinigkeit sei der Sohn und der Heilige Geist dem Vater nicht wesensgleich, sondern nur wesensähnlich oder wesensunähnlich. Diesie arianischen Kämpfe machen aber einen großen Teil der alten Kirchengeschichte aus. Mit dem Entstehen und Aufblühen der mittelalterlichen Scholastik

Bildung Ist Zusammenschau. Bildung soll den Geist auischließen, nicht ihn verengen. Der gebildete Fachmann kennt sein Fach tiefer als der ausschließliche und er übersieht die Zusammenhänge, die das Fach, das doch auch ein Stück Leben ist, mit anderen Gebieten des Lebens und der Wissenschaft verbinden und es ihnen einordnen. Darum wird er ein schöpferischer Fachmann sein und nicht ein steriler Spezialist. Der Techniker, der um die heimliche Gesetzlichkeit der Schönheit weiß, wird keine brutalen Scheußlichkeiten in die Natur setzen, woran die Zivillsaüon leider keinen Mangel hat. Der Arzt, wenn auch auf Schleimhäute spezialisiert, wird, sofern er durch Bildung den Menschen in sich erhalten und gepflegt hat, im Patienten den gesamten Menschen zu übersehen und zu ergründen trachten, sein äußeres und Inneres Leben, sein Glück und seine Kümmernisse, und er wird wissen, daß ein gutes Wort zuweilen besser wirkt als ein Medikament oder ein noch so geschickter Schnitt. Bildung soll dem Leben öffnen, soll Geist und Seele, Verstand und Herz, ja auch den Körper formen, soll Im griechischen Sinne den vollkommenen Menschen gestalten.

Hans von Hammeisteln: „Wiedergeburt der Menschlichkeit“ kristallisiert sich die theologische Forschung um -die Kloster- und Domschulen und ihre Träger werden immer ausschließlicher die Kleriker. Ausnahmen fehlen freilich nicht, wie die Gestalten einer Hildegard von Bingen, Mechtild von Magdeburg und Gertrud „der Großen“ beweisen. Im 16. Jahrhundert ist der Ausschluß der Laien von der Theologie fast vollständig geworden. Wenn im Reformationszeitalter und in der Folgezeit Laien zu theologischen Fragen das Wort nehmen, geschieht es fast nur, um die Kirche anzugreifen. Dieser Zustand blieb bis in die neueste Zeit.

Es sind noch keine zwei -Jahrzehnte her, seitdem, anfänglich zum größten Erstaunen der Umgebung, Laien ohne Absicht oder auch nur Möglichkeit, die Priesterweihe zu empfangen, an theologisdien Fakultäten ein Studium, manchmal bis zum theologischen Doktorat, absolvieren. Auch mehren sich Schriften, in denen Laien schwere theologische Fragen behandeln, wie das Verhältnis von Gnade und Freiheit oder die Erklärung de| Schöpfungsberichtes, häufiger aber Probleme, die unmittelbarer in das christliche Leben eingreifen. Populärtheologische Vorträge von Laien in kleinerem oder größerem Kreis sind häufig geworden. In der Seelsorgehilfe haben weithin Laien Aufgaben übernommen, die eine weit über bloßes Katechismuswissen hinausgehende Kenntnis erfordern. Die Verhältnisse haben diese an altchristliche Zustände anklingenden Erscheinungen herbeigeführt: an erster Stelle der immer fühlbarer werdende Priestermangel; dann die Notwendigkeit, das Christentum in Kreise zu tragen, die dem Priester verschlossen sind, und die Einsicht, daß die schweren politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme in christlichem Geist gemeistert werden müssen, wenn eine Lösung möglich sein soll. Im letzten aber ist es das innere Drängen des erwachten Christen nach einem tieferen Erfassen der Offenbarungswahrheit, aus der das Leben gestaltet werden muß. Diese Entwicklung ist in sich gesund. Das Wort Gottes ist nicht nur an die Theologen ergangen. Man hat in neuerer Zeit viel vorn „Laienpriestertum“ gesprochen. Nimmt man das Wort „Priestertum“ im hergebrachten Sinn als Vollmacht, das eucharistische Opfer, das in der Verwandlung des Brotes und Weines in den Leib und das Blut Christi besteht, zu vollziehen oder amtlich, zum Beispiel als Diakon, dabei mitzuwirken, so besagt der Ausdruck „Laienprjestertum“ natürlich einen begrifflichen Widerspruch. Da aber jedem Getauften „heilige Gewalten“ zustehen, wie etwa die Spendung des Sakraments der Ehe, so kann man im analogen Sinn auch vom Laien als Priester sprechen. In der gleichen Analogie steht nun auf der einen Seite die Lehr- und Verkündigungsgewalt des Papstes und der Bischöfe in Einheit mit dem Papst, auf der andern die Berufung des Getauften überhaupt zur Mitwirkung an dieser Verkündigung, für die er durch' ein eigenes Sakrament, die Firmung, die göttliche Gnadenhilfe erhält. Selbstverständlich kann diese Mitwirkung wiederum nur in Einheit mit der lehrenden Kirche geschehen. Aber sie ist notwendig — notwendig für die Kirche und notwendig für den Christen, da ihn sein Glaube zur Verkündigung antreibt.

Es ist aber hoch an der Zeit, vor allem Dilettantis mus auf diesem Gebiet zu warnen. Schon die Heiligkeit des Wortes Gottes verbietet, die Offenbarungswahrheiten als einen Gegenstand zu betrachten, zu dem jeder sagen kann, was ihm subjektiv am besten einleuchtet. Die „Aktualität“ der Verkündigung kann auch nicht darin bestehen, daß man die Offenbarung inhaltlich dem Zeitgefühl anpaßt. Auch der Glaube allein macht den Christen noch nicht zum Theologen. Niemals darf sich „Laientheologie“ zur „Fachtheologie“ so verhalten wie der Kurpfuscher zum Arzt! Ferner ist ein anderes Mißverständnis zu vermeiden. Da und dort war die Rede von einer „V e r k ü n d i-gungstheologie“ neben der „wissenschaftlichen“ Theologie. Es versteht sich von selbst, daß die Verkündigung der Glaubenslehre der konkreten Situation angepaßt sein muß. Man wird diejenigen Wahrheiten mit besonderer Betonung verkünden müssen, die durch Unwissenheit oder Gegnerschaft vor allem bedroht sind; man wird die Sprache des Hörenden sprechen müssen, also oft statt der Sprache der

Scholastik eine für das gerade zu führende Gespräch geeignete. Man wird die Systematik des Dogmas in der Beleuchtung darstellen müssen, in der sie dem Menschen, zu dem man spricht, am meisten eingängig wird. Ob hier die Christozentrik der einzige Weg ist, bleibe dahingestellt. Dabei handelt es sich aber' nicht um ein Nebeneinander zweier „Theologien“, sondern Verkündigung ist die geistige und wortmäßige Übersetzung der einzigen Theologie in das Verständnis —, das geistige wie das gemütmäßige — des Hörenden. Endlich muß eine verschwommene Pneumatik abgelehnt werden, die alle Belehrung von dem in der Seele waltenden Heiligen Geist erwartet; Gewiß kann Gott selbst alle theologische Erkenntnis überreich ersetzen; zunächst aber hat der Mensch die Pflicht, die äußeren Mittel zu benützen, und diese sind: Hören und Studieren!

Es ist überaus erfreulich, wieviel bereits für die laientheologische Ausbildung geschieht. Der kurze hier gebotene Uberblick beschränkt sich' auf Österreich und erwähnt nur Einrichtungen, die gegenwärtig bestehen. An den theologischen Fakultäten von Graz und Innsbruck bestehen Laienkurse für scholastische Philosophie und Theologie. Eine reiche Bildungsmöglichkeit besteht in Wien. Die Wiener Katholische Akademie bietet in freien Vorlesungen und Vorträgen, die von Fachleuten gehalten werden, Einblick in verschiedenste theologische Gebiete. Das Wiener Seelsorgeamt besitzt einen reich abgestuften und den Bedürfnissen der Hörer angepaßten Apparat, dessen Lehrziel sowohl die persönliche Vertiefung wie die Befähigung zur praktischen Arbeit bildet. Das „Theologische Laienjahr“, dessen Hörer mindestens Mittelschulbildung aufweisen müssen, umfaßt einen zweijährigen Kurs mit zwei Doppelstunden wöchentlich, der mit Prüfungen aus den einzelnen Gebieten abschließt. Die Hörer, die diese Prüfungen mit Erfolg bestanden haben, erhalten bei Einsatz, etwa im Schulunterricht oder auf anderen Gebieten der Seelsorge, wie Konvertitenunterricht usw., vom erzbischöflichen Ordinariat die Missio canonica. Für ihre dauernde Fortbildung sorgen jährlich abgehaltene Seminare. Daneben bestehen andere Kurse, die von den Hörern geringere bildungsmäßige Voraussetzungen verlangen. Um auch solchen eine gewisse theologischpraktische Ausbildung zu bieten,' denen während des Arbeitsjahres der Besuch der genannten Lehrveranstaltungen nicht möglich ist, wurden mehrmals in den Ferienmonaten „Glaubenswochen“ abgehalten. Der Ausbildung der Seelsorgshelferinr.en dient die „Diözesanschule“. In Salzburg bestehen schon aus der Zeit vor 1938 die „S a 1 z b u r g e r Hochschulwoche n“, die in der katholischen Öffentlichkeit und darüber hinaus längst zum geläufigen Begriff geworden sind. Neben diesen hauptsächlichsten ständigen Einrichtungen gewinnen Tagungen, wie die heuer von der „Katholischen Hodischulgemeinde“ abgehaltenen, eine wadisende und tiefgreifende Bedeutung.

Das oft gebraudite Wort von der „Mündigkeit der Laien“ ist vielleicht nicht glücklich, da „Mündigkeit“ ja ein juristischer Begriff ist; die juristische Mündigkeit, das heißt Rechte in der Kirdie, und die letzte Mündigkeit, die in der Einsamkeit des souveränen Gewissens vor Gott besteht, hatte der Laie zu allen Zeiten. Aber man meint wohl, und dies mit Recht, das zunehmende Verantwortungsbewußtsein des Laien für die Gesamtkirche und das ihm entsprechende Vertrauen von Seiten des hierarchischen Priestertums.

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