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„WO KÖNNT IHR ETWAS BEWEGEN?”

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Mario Terzic leitet seit dem Studienjahr 1991/92 die Meisterklasse für Graphik an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Wo müßte für ihn eine Reform der Kunsthochschulen ansetzen?

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Mario Terzic leitet seit dem Studienjahr 1991/92 die Meisterklasse für Graphik an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Wo müßte für ihn eine Reform der Kunsthochschulen ansetzen?

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„Über das Meisterklassensystem wird zwar immer wieder geschimpft, es sei überholt, aber ich kenne keine Gegenvorschläge, wie das besser funktionieren könnte”, sagt Terzic. Die persönliche Verantwortung für einen Bereich der künstlerischen Ausbildung einschließlich aller individuellen Alltagsschwierigkeiten seiner Studierenden gehöre einfach dazu: „Mit den Studenten läuft ein positiver Austausch, ich weiß nicht, ob die das auch so sehen. Ich bin in einem ganz anderen Nahkontakt mit den Studenten, Gastprofessoren für drei oder fünf Jahre können dem gar nicht gerecht werden. Natürlich sind die bürokratischen Notwendigkeiten manchmal enervierend. Jetzt warte ich auf die ersten Diplomarbeiten unter meiner Leitung. Was werden sie erbringen im Verhältnis zu anderen Meisterklassen, zu den gesamteuropäischen Strömungen?”

Terzic möchte, daß die Studenten jene künstlerischen Potentiale in sich entfalten können, die vom „reinen Kunstmarktgeschehen wegführen”. Gesellschaftliche Probleme sollten reflektiert, der Kreislauf talentierter Student - Kunsthochschule - Abschluß -Eintritt ins Galerieleben sollte durchbrochen werden.

„Etwa bei dem von mir initiierten

Projekt .Gartengestaltung im Palais Rasumofsky' soll eine Offenheit für größere gesellschaftliche Zusammenhänge entstehen, anhand der Frage der Garten- und Landschaftsgestaltung.

Meine Absolventen sollten imstande sein, eigene Projekte an Politiker, Sponsoren heranzutragen, der Kunstmarkt sollte nur Teil eines Spektrums ihrer künstlerischen Tätigkeit sein. Das handwerkliche Rüstzeug Bleistift, Video, Computer wird ihnen von der Hochschule mitgegeben, aber daß sie sich als künstlerisch sensible Menschen gegenüber der Gesellschaft ausdrücken können, das wäre Ziel meiner Meisterklasse.”

Soziale Komponente

Und: „Kunst ist heute von einer zur anderen Galerie oft nicht mehr vermittelbar, spielt sich in dem berühmten elfenbeinernen Turm ab, als interessantes Randfeld der Gesellschaft mit hohem Qualitätsanspruch”. Aber Terzic will die Studenten dahin führen zu fragen, was sie als Denkende und Handelnde der Gesellschaft anbieten können.„Wo könnt Ihr etwas bewegen? Ich möchte keine Klasse haben, in der alle schon drauf warten, mit dem Diplom ins nächste Museum zu kippen!” In vielen Meisterklassen sei der Kunstmarkt das Ziel, weil die Lehrer diese Haltung vorgäben.

Die gesellschafttliche Position des Künstlers sei ein permanenter Anstoß zur Reform:„Wer, wenn nicht die Künstler, sollte bereit sein, auf die Suche zu gehen, unter eigenem Einsatz und auch dort, wo es wehtut?”

Für Mario Terzic ist die soziale Komponente künstlerischer Arbeiten wichtig. Im Verlauf der Jahrhunderte habe sich der Künstler vom Auftraggeber, von der Gesellschaft abgesetzt, aber auch soziale Felder brauchten die visuelle Umsetzung, Gesellschaft und Kunst müßten einander befruchten.

Finden diese Ansätze Zustimmung bei den Studenten? Zunächst seien sie verunsichert, daß beides nebeneinander passieren könne - Arbeiten für eine Galerie und Infragestellen. Da sowohl die Kunsthochschulen wie auch die Galerien subventioniert würden, hätte die Gesellschaft ein Recht darauf, daß „Spezialisten für Bildqualität” ihren Beitrag leisteten.

Ein häufig erhobener Vorwurf gegen die Kunsthochschulen ist, daß dort die Ausbildung im Handwerklichen, im Malen, Zeichnen, Bildhauern, zu kurz käme. Ihn entkräftet Terzic mit dem Hinweis, daß zweifellos manche alte Techniken, wie etwa Radierung, Glasmalerei an den Rand gerückt würden gegenüber der Arbeit mit den neuen Medien Video, Computer, solchen Zeitbrüchen müßte in der Ausbildung Rechnung getragen werden.

Eine Schlüsselrolle kommt seiner Meinung nach den Kunsterziehern in den Schulen zu, denn sie bereiteten den Boden für die Öffentlichkeit, für Auftraggeber und Sponsoren und schließlich für die Entscheidung junger Menschen, selbst Künstler zu werden.

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