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Digital In Arbeit

Auch Pflichten der Studenten einfordern

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Was an den Universitäten passiert, wirkt sich auf alle aus. Ein Arbeitsrechtler liefert einen Beitrag zur Diskussion um das neue Studiengesetz.

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Was an den Universitäten passiert, wirkt sich auf alle aus. Ein Arbeitsrechtler liefert einen Beitrag zur Diskussion um das neue Studiengesetz.

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Die derzeitigen Auseinandersetzungen um den Entwurf eines UniStG sind weitgehend fruchtlos: im Grunde genommen hat jeder eine festgefügte Meinung und sucht nur, entweder sich selbst in seiner Kritik bestätigt zu finden oder andere von seiner Kritik zu überzeugen. Im innersten aber geht es wohl vielen wie mir: Manche der vorgeschlagenen Regelungen entsprechen durchaus meinen Vorstellungen von einem „guten und richtigen" Studium, andere hingegen nicht. Insoferne ist eine weitere Diskussion geboten, ohne sich pauschal auf die Ablehnung des Gesetzesentwurfes festzulegen, denn: Mit dem Status quo sind wir doch auch nicht zufrieden!

Wo sind denn die Studenten, die zuversichtlich und von der Sinnhaf-tigkeit ihrer Ausbildung überzeugt, rasch und gut studieren? Wo sind die Hochschullehrer, die mit den Studien, in denen sie tätig sind, wirklich zufrieden sind? Und vor allem: Sind wir überzeugt, daß das Studienrecht der Notwendigkeit gerecht wird, auf immer rascher sich ändernde Anforderungen zu reagieren? Ist die Veränderbarkeit von Studiengängen in ausreichendem Maß gewährleistet?

Gerade unter diesem Gesichtspunkt scheint das Hauptanliegen des Gesetzes - Deregulierung und Dezentralisierung - gelungen. Deregulierung darf dabei nicht als bloß quantitativer Abbau von Normen mißverstanden werden, sondern will die ministerielle Fremdbestimmung von Entscheidungen der Träger der akademischen Lehre bei der Gestaltung des Studiums reduzieren: Insoweit kann Deregulierung unmittelbar als Hebung der Autonomie gesehen werden.

So verstandene Deregulierung führt konkret in gewisser Hinsicht sogar zu einer quantitativen Ausweitung des Normenmaterials, weil ja nach wie vor sicherzustellen ist, daß unter rechtsstaatlichen Bedingungen für das Gemeinwohl optimale Entscheidungsergebnisse erzielt werden: Man kann in einem so hochkomplexen Fragenkreis wie dem Studienrecht nicht einfach Regelungen abschaffen: Will man nicht unverantwortlich Chaos in Kauf nehmen, muß durch flexible Regelungsinstrumente sichergestellt werden, daß dezentral immer neu sachgerechtes Studien-recht entsteht.

Diesem Ziel ist im vorliegenden Entwurf durch Verfahrensnormen Rechnung getragen, die das Zustandekommen rationaler und ausgewogener Studienpläne gewährleisten sollen. Dabei ist unverkennbar, daß die Entscheidungsspielräume der Universitäten im Vergleich zum Status quo massiv gewachsen sind; wie weit es gelingen mag, diese Räume mit klar strukturierten, sinnvoll aufgebauten Studien zu füllen, liegt weitgehend in der Hand der Universitäten selbst. Klar hinzuweisen ist freilich auch darauf, daß durch das beste Studienrecht, das die Universitäten sich geben werden, eine Effizienz des Studiums nur bei entsprechenden finanziellen und personellen Rahmenbedingungen gesichert werden kann: Wo die Betreuungsrelationen miserabel sind, kann ein guter Studienplan nur marginale Verbesserungen im Studienbetrieb gewährleisten.

Einen Kernpunkt des Verfahrens zur Erstellung der neuen Studienpläne bildet die Erarbeitung des Ver-wendungsprofils der Absolventen. Mit dem Terminus „Verwendungs-profil" soll angezeigt werden, daß nicht nur die Ziele der Berufsausbildung angesprochen sind (sonst hätte man das Nomen „Berufsziel" gewählt); umgekehrt sollte nicht ein bloß formales „Ausbildungsziel" vorgesehen werden, das von einer - wie auch immer gearteten Verwendung der Studierenden - losgelöst sein könnte. Als Verwendungsziel sollen vielmehr die Kenntnisse und Fähigkeiten beschrieben werden, die das Studium typischen Absolventen vermitteln will.

Insoweit soll nicht im Sinne kurzfristiger Betrachtung auf aktuelle Berufsbilder abgestellt werden, zumal sich diese bekanntlich laufend und immer schneller ändern; andererseits ist auch nicht auf Ausbildungsziele abzustellen, die bloß unter wissenschaftsimmanenten oder systematischen, historischen oder ästhetischen • Kriterien gefordert oder wünschenswert sind: Hier ist die Gefahr zu groß, daß ein Status quo der personellen und fachlichen Ausrichtung eines Instituts, eines Studiums sich selbst zementiert. In der Bezugnahme auf Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf eine künftige Verwendung der Absolventen soll vielmehr ein Korrektiv liegen, auf das hin eine sachgerechte Auswahl von Fachdetails für Zwecke des Studiums vorgenommen wird.

Insoferne soll die Beschreibung des Verwendungsbildes die Studienkommissionen zur Reflexion darüber anhalten, welche Anforderungen an Absolventen eines Studiums gestellt werden und welche Kenntnisse und Fähigkeiten daher ein Absolvent eines Studiums besitzen muß.

Nicht zu übersehen ist freilich, daß die im Entwurf verwendeten Formulierungen die Befürchtung nähren, daß die vorgesehenen Anhörungsrechte zu einseitiger Einflußnahme von Interessen der Wirtschaft führen: Es ist vielen Hochschullehrern einfach fremd, wenn sie das Studienrecht dazu aufzufordern scheint, sich bei der Gestaltung ihrer Arbeit mit Vertretern der Wirtschaft an einen Tisch zu setzen: Besteht hier nicht die Gefahr, daß - horribile dictu - die Reinheit der Wissenschaft durch Sachunkundige befleckt wird? Immerhin hat es das Organisations- und das Budgetrecht den Universitäten durch Jahrzehnte nicht gerade leicht gemacht, derartige Kontakte zu pflegen, geschweige denn, sie zu pflegen, ermuntert!

Ich meine, daß es wichtig ist, solchen Befürchtungen dadurch Rechnung zu tragen, daß die Formulierungen noch klarer zum Ausdruck bringen, daß die Universitäten hier nicht einer Fremd-bestimmug ausgesetzt sind, sondern eine Auseinandersetzung gewährleistet sein soll. Ich selbst wollte allerdings nicht darauf verzichten, daß die Universität sich auch mit Vertretern der Wirtschaft und der beruflichen Interessenvertretungen bei der Erstellung der Studienpläne auseinandersetzen soll: Ich sehe hier nicht zuletzt eine Chance, ein Studium auch im Dialog mit gesellschaftlich nicht unmaßgeblichen Organisationen zu rechtfertigen, und diese für die Anliegen der Universität unmittelbar zu gewinnen.

Ein Kernproblem jedes Studiums ist die Prüfung, die zu Recht als „letzter Akt des Lernens" bezeichnet wird. Hier fallen de facto unterschiedliche Interessenpositionen aufeinander. Und hier ist es mir als Universitätslehrer besonders wichtig, auf die Autonomie der Lehrenden in der Gestaltung der Prüfungen Wert zu legen. Daß umgekehrt auch Studierende ein Recht auf Schutz gegen Irregularitäten im Prüfungsbetrieb haben - und wir alle wissen, daß es solche gibt ist in gleichem Maß unbestreitbar.

Ich glaube, daß der Entwurf hier einen durchaus ausgewogenen Weg geht, der sowohl dem Autonomiebedürfnis als auch dem Rechtsschutzinteresse Rechnung trägt. Die inhaltlichen Aspekte der Aufgabenstellung und die Bewertung bleiben in der Autonomie des Prüfers; was die äußeren Umstände der Prüfung betrifft, ist Rechtsschutz durch Universitätsorgane sichergestellt.

Im Prüfungsbereich problematisch ist meines Erachtens, daß der Entwurf ein Zentralproblem des Prüfungswesens nicht reformierend aufgegriffen hat: Die Zahl der Prüfungswiederholungen. Ich glaube, es wäre menschlich wie volkswirtschaftlich sinnvoller, hier andere Wege zu beschreiten: Von einigen wird etwa überlegt, nicht die Höchstzahl der Antritte pro Prüfung, sondern die Höchstzahl der Wiederholungen im Studium oder im Studienabschnitt zu limitieren.

In diesem Zusammenhang scheint mir auch wichtig, weiterhin von Studierenden Pflichten einzufordern. Wenngleich es nur wenig praktische Redeutung haben mag, so meine ich doch, daß manches dafür spricht, die Pflicht zu lernen und zu adäquater Beteiligung am Studium gesetzlich einzufordern: Immerhin fordern wir ja auch von den Universitäten und den Universitätslehrern per gesetzlicher Pflicht vielfach Verhalten ein, das ein vernünftiger Mensch ohnedies von sich aus setzt.

Wir alle wissen aber, daß es auch ein Zeichen ist, das der Gesetzgeber setzt - oder eben verweigert - wenn er Pflichten von Hochschullehrern zwar einfordert, Studierenden aber nur Bechte zubilligt. Es geht an der Realität der Studierenden vorbei und wird ihrer konkreten Lebenssituation nicht gerecht, wenn man nicht auch durch sanfte Regulierung hilft, entweder den Weg durch einen Ausbildungsgang zielstrebig zu gehen, oder ihn so zeitgerecht abzubrechen, daß nicht fruchtlos Lebenszeit vertrödelt wird.

Was die Studiendauer betrifft, liegt auf der Hand, daß der Entwurf es nicht erwarten läßt, daß es zu einer radikalen Verkürzung der tatsächlichen Studienzeiten kommen wird. Wie die Beratungen der Vorbereitungsphase im Hinblick auf die Studienzeitenproblematik deutlich gezeigt haben, ist ein entsprechendes Patentrezept noch nicht gefunden.

Bei der Regelung der gesetzlichen Studienzeit hat der Entwurf durch den Entfall der Kombinationspflicht bei den geisteswissenschaftlichen Nicht-Lehramtsstudien zu Tage gefördert, daß die Studienzeit bei bestimmten Fächern nicht ausreichend ist, ohne Kombination mit anderen' Fächern einen international akzeptablen akademischen Grad und den Studierenden reelle Arbeitsmarktchancen zu vermitteln.

Ich stimme mit vielen wohl darin überein, daß es unsinnig wäre, wollte der Gesetzgeber hier einfach eine Verlängerung der gesetzlichen Studienzeit im Vergleich zum Status quo vorschreiben, damit man auch hier acht Semester Mindeststudiendauer erreicht. Umgekehrt ist es mir aber wichtig, daß wir alle die Anliegen dieser Fächer und Studien ernst nehmen und sie nicht durch schematische Ableitung der Studienzeiten aus dem derzeitigen Recht in ihrer Bedeutung reduzieren.

Insbesondere will ich die in der bisherigen Begutachtung vorgebrachten Argumente für den wissenschaftlichen Bildungsauftrag dieser Fächer unterstreichen: Eine Gesellschaft muß hier sensibel sein, will sie sich nicht ihrer Wurzeln und ihrer Humanität berauben. Ich glaube allerdings andererseits, daß die Beibehaltung der Kombinationspflicht nicht das einzige Mittel dazu ist, diesen Anliegen Rechnung zu tragen. Wie dies geschehen kann, wird noch Gegenstand weiterer Beratung sein und unser aller Kreativität fordern.

Der Autor ist

Professor am Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien.

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