Der Minister darf sich um die Unis kümmern

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Was Wissenschaftsminister Caspar Einem wirklich meint, wenn er von einer "Kontrolle" der Universitäten spricht.

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Was Wissenschaftsminister Caspar Einem wirklich meint, wenn er von einer "Kontrolle" der Universitäten spricht.

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Einige Rektoren hatten wenig Zeit. Schnell mal die Schlagzeile auf der Titelseite des "Standard" gelesen ("Einem plant Lauschangriff auf die Unis"), das von der Redakteurin als feiner Köder ausgelegte Wort "Spione" erblickt und schon ging es mit bebender Empörung ab in die Medien.

Viele Studenten, Eltern, Professoren und Angehörige des Mittelbaus konnten im Gegensatz dazu auch noch wahrnehmen, was im Artikel wirklich stand. Und melden sich seither im Büro von Minister Caspar Einem, um ihn in seinen Absichten zu bestärken.

Zum besseren Verständnis einige Vorbemerkungen: Die Studiendauer an Österreichs Universitäten ist nicht nur im internationalen Vergleich besonders hoch, sondern hat auch im nationalen Vergleich seit Anfang der achtziger Jahre stetig zugenommen. Obwohl heute nur um etwa 30 Prozent mehr junge Leute immatrikulieren, als vor fünfzehn Jahren, ist die Zahl der Studierenden in der gleichen Periode um über 90 Prozent gewachsen, die Verweildauer also rasant angewachsen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die Lage am Arbeitsmarkt, die manchen Studenten dazu bewegt, lieber in der Uni zu bleiben, dann die Wissenexplosion, die zu immer mehr Lernstoff führt, wenn gleichzeitig das "Entrümpeln" verabsäumt wird und last not least: bürokratische Hürden.

Wer mit Studierenden spricht oder die Fälle kennt, die an das Wissenschaftsministerium herangetragen werden, kann sich nur wundern, wie an manchen Unis, wohlgemerkt nicht an allen, mit den "Kunden" umgesprungen wird.

Eine Prüfung wird fünfmal verschoben, weil immer ein anderes Kommissionsmitglied absagt; eine Bibliothek just dann renoviert, wenn die Studenten ihre Diplomarbeiten schreiben; ausfallende Lehrveranstaltungen werden nicht abgesagt, für den Studienfortgang notwendige Übungen nur jedes zweite Semester angeboten; eine Prüfungsarbeit wird sieben Monate lang nicht verbessert, und so weiter, und so weiter. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen und jede Position verursacht längere Studienzeiten, beraubt die Studenten der ihnen zustehenden Beihilfen und erhöht die Rechnung der Steuerzahler. Gründe genug also für den verantwortlichen Minister, entschieden einzugreifen.

Und damit zu seinem Plan, oder halt: Zuerst noch, was nicht kommen wird, dem Minister jedoch seit zwei Wochen ständig vorgeworfen wird: Es wird keine Kontrolle der Lehre geben. Dazu hat der Minister 1997 eine Evaluierungsverordnung erlassen, zu der er vollinhaltlich steht. Die Studierenden selbst sollen ihren Professoren die Qualität und Verständlichkeit der Vorlesungen spiegeln. Die Freiheit der Lehre bleibt unberührt.

Und damit zum Vorschlag: Der Wissenschaftsminister wird Unternehmensberater damit betrauen, sich das Universitätssystem aus dem Blickfeld seiner Kunden, der Studierenden, anzuschauen, um zu einer Auflistung der organisatorischen Schwachstellen zu kommen.

Als nächster Schritt, der auch verstehen läßt, warum nicht die Studierenden selbst diese Aufgabe erfüllen können, folgt dann eine Problemanalyse, die feststellt, warum es zu den bürokratischen Auswüchsen kommt, was an der organisatorischen Struktur die vielen, kleinen Fehler auslöst und geändert werden muß, um das System effizienter zu gestalten. Schwachstellen werden derart in einer ganzheitlichen Sicht als Symptome einer Fehlentwicklung erkannt, die es zu verändern gilt.

Die jeweilige Stelle (Uni, Fakultät, Institut) wird über den Beginn der Untersuchung informiert und erhält, ebenso wie der Minister, die Ergebnisse samt Verbesserungsvorschlägen. Schließlich liegt es an den universitären Einrichtungen, die strukturellen Schwächen im Sinne einer "lernenden Organisation" selbst zu beseitigen, wiewohl der politisch verantwortliche Minister den Fortgang zu beobachten haben wird. Es ist einsichtig, daß eine Kooperation mit den Unis sinnvoll wäre und man darf auch annehmen, daß es dazu kommen wird, wenn die erste rektorale Aufregung sich gelegt hat und der bedenkliche Anpassungsdruck auf jene nachläßt, die eine Hilfe zur Qualitätsverbesserung gerne annehmen würden.

In den Medien ist im Zusammenhang mit Caspar Einems Vorschlag viel von Professoren geschrieben worden, die ihrer bezahlten Arbeit nicht angemessen nachkommen. Auch wenn sich der Plan des Ministers nicht hauptsächlich auf sie bezogen hat - schon deshalb weil er ihre Zahl für äußerst gering hält - wird er wohl mit Interesse verfolgen, wie die Universitäten mit jenen Fällen umgehen, die ihnen jetzt durch Zeitungsberichte bekanntgeworden sind.

Der Wissenschaftsminister hat dafür zu sorgen, daß Österreichs Studenten effizient und rasch studieren können. Seine Überlegungen zur Verbesserung der Abläufe an den Unis verstehen sich aus dieser Verantwortlichkeit und greifen in keiner Weise in die Autonomie ein. Im übrigen stünde es den entrüsteten Überschriftenrezipienten besser an, die universitäre Freiheit nicht nur als ein System von Rechten, sondern ebenso sehr als eines von Verpflichtungen zu verstehen.

Der Autor ist Sprecher von Wissenschaftsminister Caspar Einem.

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