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Im Würgegriff der Mini-Bürokraten

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Der Lehrbetrieb für Techniker, Pädagogen und Mediziner steht vor dem Zusammenbruch. Was die Universitäten jetzt dringend brauchen, ist ein Krisenmanagement.

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Der Lehrbetrieb für Techniker, Pädagogen und Mediziner steht vor dem Zusammenbruch. Was die Universitäten jetzt dringend brauchen, ist ein Krisenmanagement.

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Der materielle Teil der gegenwärtigen Universitätsmisere ist bekannt: zu wenig Lehrpersonal, zu wenig Geräte und zu wenig Raum. All diese Mängel haben bereits zu versteckten Zugangsregelungen geführt. Dieser faktische Numerus clausus bedeutet aber gleichzeitig auch das Ende der offenen Universität.

Die bisher einzige Antwort des zuständigen Wissenschaftsministers Heinz Fischer: eine Budgeterhöhung von nicht einmal zehn Prozent — also keine Antwort! Denn wenn man die Geldentwertung abzieht und die Steigerung der Studentenzahlen einberechnet, bleibt von einer Budgetsteigerung nichts mehr übrig.

Neben den materiellen Schwierigkeiten macht sich eine noch nie dagewesene Konzept- und Phan-tasielosigkeit zur Weiterentwicklung der Universitäten breit.

Neue Gesetzesentwürfe beinhalten keinerlei Universitätsreform, sondern lediglich Verdatung und Vernetzung bis hin zur totalen Überwachung der Studenten, wie etwa der Entwurf für ein Allgemeines Universitätsstudien-Gesetz (AUStG) oder gar „Zulassungsprüfungen“ (zum Beispiel im Geisteswissenschaften-und Naturwissenschaften-Gesetz).

Nach Möglichkeiten, wie man unter den derzeitigen Voraussetzungen noch einen effizienten, zukunftsweisenden Universitätsbetrieb abhalten könnte, wird nicht einmal gesucht.

Gerne versuchen einige „Ewiggestrige“, die Wurzel der Misere in der Universitätsdemokratie zu finden. Der Begriff „Student“ ist in ihren Köpfen ein Synonym für „Kontra-Produktivität“. Doch das ist leicht zu widerlegen: Derzeit klagen Professoren, Assistenten und Studenten unisono die Ausbildungsqualität bei den Behörden ein, ohne entsprechend gehört zu werden.

Die Demontage der offenen Universität geht also Hand in Hand mit einer Demontage der freien Universität. Wo liegt dafür der Grund?

Das Universitätsorganisations-gesetz (UOG) hat eine starke Mitwirkung aller in den Hochschulen tätigen Gruppen gebracht. Keiner der Beteiligten leugnet die Sinn-haftigkeit und den Erfolg dieses Unternehmens.

Gleichzeitig nahm aber auch der staatliche Einfluß auf die Universitäten zu, der nun seinerseits durch seine Bürokratie die Universitätsdemokratie ad absurdum führen kann und dies auch tatsächlich tut:

Hinterherhinken

Da mischt sich das Ministerium in die Reihung von Beruf ungsvorschlägen für neue Lehrstühle ein; da müssen alle Beschlüsse der Universitätsgremien kompliziert genehmigt werden; da kann die Universität nur mit großen Mühen Maßnahmen des Ministeriums, die gegen ihren Willen geschehen, abwenden.

Die Bürokratie hält die Universität fest umklammert. Das führt dazu, daß die Universität anstatt vorzudenken, ihrer Zeit nachhinkt — die Krankheit jeder Bürokratie. So wurde aus einem Lehrermangel eine Lehrerschwemme. Und zu dem einzigen Zeitpunkt, da das Zahlenverhältnis zwischen benötigten und vorhandenen Lehrern stimmte, waren diese nicht optimal ausgebildet.

Die Bürokratie hält die Universität fest im Würgegriff - das führt zum Verlust der politischen Relevanz und der Zivilcourage der Universität. Mehr und mehr degeneriert sie dazu, von der Politik angeforderte und durchaus widersprüchliche Gutachten abzuliefern, anstatt selbst die relevanten gesellschaftspolitischen Fragen zu analysieren und Lösungsmöglichkeiten anzubieten.

Der Weg aus der Misere, der Weg zur offenen und effizienten Universität kann somit nur über die freie Universität führen. Der Geist des UOG muß endlich erfüllt werden. Die akademischen Senate brauchen volle Budget-und Entscheidungsautonomie.

Das Ministerium hat sich auf seine wahre Rolle zu besinnen — auf eine dienende (man nehme bloß die wörtliche Ubersetzung des lateinischen „ministerium“).

Es muß endlich ein Ende haben, daß das Ministerium nach der Devise „divide et impera“ (Teile und herrsche) die Fakultäten gegeneinander ausspielt, indem man Fakultäten Dienstposten unter dem Siegel der Verschwiegenheit verspricht, um sie einer anderen zu nehmen, die sie ebenso dringend braucht.

Wir brauchen daher die freie Einzeluniversität. Wir brauchen aber auch die freie Universität insgesamt.

Ein akademischer Rat, der sich universitätsübergreifend zusammensetzt, der aber nur einmal jährlich tagt, bringt natürlich wenig. Bei den heutigen Möglichkeiten des Managements und der Zusammenarbeit ist es durchaus möglich, daß ein etwa zwölf köpf i-ges Gremium die Leitung der österreichischen Universitäten

übernimmt und für diesen Bereich die Entscheidungen und die Budgethoheit dem Ministerium abnimmt.

Diese Gruppe von Leuten müßte einen Universitätsausbau- und -investitionsplan erarbeiten. Dazu sollten die Betroffenen (Studenten, Assistenten, Professoren) auch Spitzenleute beiziehen. Ich sage bewußt Spitzenleute und nicht Fachleute (Jörg Mauthe, Christine Nöstlinger und Leopold Ungar zum Beispiel sind Spitzenleute, aber sicher keine Fachleute).

Dieses Gremium müßte gleichzeitig die Priorität der Bildungspolitik zu anderen Bereichen abgrenzen. Denn eines stellen alle renommierten Untersuchungen (Club of Rome, OECD) klar: Die einzige Zukunftsversicherung für ein kleines Land wie Österreich ist die Investition in die Bildung!

Anwalt gesucht!

Nach einem solchen Ausbauplan können in Zukunft alle Universitätsstädte Volluniversitäten erhalten und neue Universitäten gegründet werden. Nur in diesen kleinen Einheiten, die aber eine möglichst breite Streuung von Tätigkeitsfeldern wahrnehmen, ist jene fruchtbare wissenschaftliche Arbeit zu erwarten, die jene Spitzenergebnisse erbringt, die unser Land braucht.

Der Begriff Massenuniversität muß nichts mit dem Begriff Monsteruniversität gemeinsam haben!

Nach einer solchen Entwicklung können die Universitäten den Anspruch, Zentren der Forschung und Lehre zu sein, von den multinationalen Konzernen zurückgewinnen.

Was wir dann noch brauchen, ist ein Wissenschaftsminister, der guter Anwalt der freien Universität in der Regierung ist; einen Minister, der die Zivilcourage entwickelt, der Universität ihre volle Freiheit zu übergeben, und der sich für die Konzepte der Studienreform und der Generalsanierung und Technisierung der Universität, die von dem Krisenmanagement entwickelt wurden, einsetzt, ohne Angst zu haben, da und dort einmal in der Öffentlichkeit oder in der Regierung anzuecken.

Der Autor, Mitglied der OVP-nahen Studentenfraktion „Aktionsgemeinschaft“, ist Vorsitzender der Hochschülerschaft an der Universität Wien.

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