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Feuer am Dach und Wasser im Keller

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Die Sprecher der Akademie der Wissenschaften und der Universitäten schlagen Alarm: Die Vernachlässigung der Forschung gefährdet die Zukunft.

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Die Sprecher der Akademie der Wissenschaften und der Universitäten schlagen Alarm: Die Vernachlässigung der Forschung gefährdet die Zukunft.

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Es ist nicht nur Feuer am Dach, es steht auch das Wasser im Keller", umriß Werner Welzig plastisch die Lage der Forschung in Osterreich angesichts des Wahlkampfes und der Einbindung des Landes in die EU. „Die Zukunft der Forschung ist kein Thema für die Politik", kritisierte er. Die Forschungspolitik habe keinen Stellenwert in der Werteskala der politischen Aufgaben.

Es muß wohl etwas faul sein im Staat, wenn sich der Präsident der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften in halbseitigen Inseraten in den Tageszeitungen und mit Appellen vor Wissenschaftsjournalisten an die Öffentlichkeit wenden muß, um sie auf existentielle Fragen aufmerksam zu machen. Und wenn unmittelbar davor Rektoren und Gewerkschaftsvertreter, Professoren, Dozenten und Verwaltungsbeamte der Universitäten als Vertreter ihrer Gremien gemeinsam die Journalisten über ihre - und der Universitäten -Sorgen im Zusammenhang mit den Neuwahlen, der Regierungsbildung und der Fortsetzung der Universitätsreform informieren.

Die eineinhalb Millionen Österreicher, die vor den Wahlen die Fernsehdiskussionen zwischen den Spitzenpolitikern verfolgt haben, warteten vergeblich darauf, daß auch die Probleme der Forschung und der Lehre an den Universitäten und damit die Zusammenhänge zwischen diesen und der Sicherung der Arbeitsplätze zur Sprache gekommen wären. Und das bereitet den für die Wissenschaft verantwortlichen Funktionären Unbehagen beim Gedanken, wie angesichts der Sparvorhaben dann die Ansätze für die Forschung, für die Universitäten aussehen werden.

Österreich sei das drittreichste Land in Europa und keine „Horrorszenarien" wären berechtigt, suchte Bundeskanzler Franz Vranitzky zu beruhigen. Aber das Budget der Akademie der Wissenschaften geht - nach dem letzten Jahr der Zuständigkeit Erhard Buseks, das eine echte Steigerung brachte - konstant zurück:

Für 1995 unverändert gegenüber 1994, trotz der steigenden Kosten. Für 1996 gibt es wegen des Budgetkrachs zunächst Zwölftelzuteilungen der bisherigen Ansätze - für die aber, wie verlautet, eine 25prozentige Bindung drohe. Das würde, kommt es dazu, allein für die ersten drei Monate ein Minus von 20 Millionen ausmachen -bei einem Budget, das aus 334 Millionen aus Ermessenskrediten des Wissenschaftsministeriums und Drittmitteln aus Forschungsaufträgen besteht - diese brachten 1994 122 Millionen. 20 Millionen weniger - das bedeutete Sperre von Instituten, stellt Akademie-Generalsekretär Herbert Mang klar.

50 Jahre Zweite Bepublik - 50 Jahre Klagen über zu geringe Berücksichtigung der Aufgaben der Universitäten, von Forschung und Lehre, der Anliegen der dort Wirkenden.

Um 1950 demonstrierten Junglehrer und Jungärzte, um eine Bezahlung ihrer Ausbildungszeit zu erreichen. In den fünfziger Jahren kämpften Professor Hubert Rohracher und die Arbeitsgemeinschaft für Wissenschaft und Kunst für die Anliegen der Universitäten, bis endlich 1966 das For-schungsorganisationsgesetz ihren Kampf anerkannte.

Erstmals war es die Regierung Klaus 1964 und dann die ÖVP-Alleinregierung ab 1966, die den Vorrang von Bildung und Forschung in der Regierungspolitik festschrieb. Unter Unterrichtsminister Theodor Piffl-Percevic erfolgte der Ausbau der Universitäten und der Akademie der Wissenschaften - diese mauserte sich von der „Gelehrtenrepublik" zur modernen Forschungsorganisation. Herta Firnberg, erste Wissenschaftsministerin in der Ära Kreisky, setzte den Ausbau fort.

1997 begeht die Akademie ihr 150jähriges Bestehen, kündigte Vizepräsident Otto Hittmair vor dem Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten an. Aus der Vormärzgründung, die sich noch vor gut 30 Jahren als Exklusivklub greiser Gelehrter verstand, ist eine Institution geworden, die über ein Netz von Forschungseinrichtungen in ganz Österreich verfügt - neun von ihnen sind an EU-Programmen beteiligt. Eine Akademie, die in sieben internationale Vorhaben eingebunden ist und sich gleichberechtigt neben entsprechende Einrichtungen anderer Länder stellen könnte: wenn eben ihre Ressourcen auch nur annähernd den dortigen entsprächen.

Aber nicht nur das fehlende Geld macht den österreichischen Wissenschaftsfunktionären Kopfzerbrechen. Soweit es überhaupt Äußerungen zur Wissenschaftspolitik gibt, lassen sie nichts Gutes ahnen. Die Idee einer Konzentration aller Forschungsaktivitäten in einem „Zukunftsministerium" brächte die Gefahr einer Überbetonung der angewandten Forschung, einer Vernachlässigung der Grundlagenforschung und hier vor allem der Geisteswissenschaften.

Die Notwendigkeit der Einheit von Forschung und Lehre wird ebenso vom Akademiepräsidium wie von den Standesvertretern betont. Ohne Forschung an den Universitäten bekäme auch die Lehre keine Impulse, könnten keine zukünftigen Forscher ausgebildet werden. Aber nicht alle (Grundlagen-)Forschung kann an der Universität erfolgen. Beides ist unerläßlich. Wie immer: sowohl - als auch; nicht: entweder - oder.

„Österreichs Universitäten müssen Arbeitsbedingungen und finanzielle Anreize bieten können, die es für die besten Köpfe attraktiv machen, hier als Forscher und Lehrer zu arbeiten", fordert Welzig, der als international bekannter Literaturforscher ebenso in der Universität wie in der Akademie zu Hause ist.

Die Forschung braucht Planungssicherheit und Verläßlichkeit; auch Länder und Gemeinden sollten für Forschungsaktivitäten Verantwortung übernehmen. Gemeinsam sollten in den nächsten vier Jahren die Forschungsinvestitionen - wenigstens - auf europäisches Durchschnittsniveau gehoben werden. Steuerliche Anreize sollten auch privates Mäzenatentum anregen.

Die Sprecher der Standesvertretungen der Wissenschaftler haben eine Punktation zum Einbau in die Regierungserklärung der nächsten Bundesregierung zusammengestellt, die für Forschung und Lehre „Ressourcen und Freiraum" sicherstellen soll.

Darin wird nicht nur die Einheit von Forschung und Lehre verteidigt und vor der Zurückdrängung der unabhängigen Grundlagenforschung gewarnt. Darin wird weiter zwar die Verkürzung der tatsächlichen Studienzeiten als notwendig erachtet, aber die Verringerung der Normstudienzeiten - also die Einführung von „Einfach-Studien", die mit sechs Semestern zum Magister führen sollen - abgelehnt. Nur mit einer Verbesserung der Ausbildungsqualität können Österreichs Diplome auch im Ausland konkurrenzfähig bleiben.

Präsident Welzig betont in seinem Appell an die Politiker, die wissenschaftlichen Einrichtungen müßten sich der Verantwortung für die ihnen zugeteilten Mittel bewußt sein und sie müßten lernen, der Öffentlichkeit verständlichen Bericht zu erstatten.

Seine Klage, daß auch die Medien zu wenig Verständnis für die Anliegen der Wissenschaft aufbrächten, ist zum Teil berechtigt. Liegt es aber nicht auch daran, daß in den wissenschaftlichen Einrichtungen selbst zu wenig für die Information der Öffentlichkeit getan wird? Daß auch die Akademie der Wissenschaften bei weitem nicht über jene Einrichtungen der Öffentlichkeitsarbeit verfügt, wie sie bei vergleichbaren Institutionen des Auslandes selbstverständlich sind? (Auch wenn anerkannt wird, daß jene über wesentlich mehr Geld verfügen.)

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