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Neue Akzente setzen
Der neue Wissenschaftsminister Heinz Fischer baut auf dem auf, was ihm Herta Firnberg hinterlassen hat — und an der Konstruktion des Herzstücks dieses Erbes, der Universitätsreform, hat er selbst einst als Mitglied der Hochschulreformkommission aktiv mitgearbeitet.
Trotzdem kann erwartet werden, daß ein neuer Mann auch neue Akzente setzt — und daß er dabei vor dem Problem steht, Ideologie und Sachverstand des Hochschullehrers unter einen Hut zu bringen.
Fischer, selbst habilitierter Staatsrechtler, wird aus eigener Erfahrung und vielen Äußerungen der Kollegen sehen, wo die Veränderungen des letzten Jahrzehnts in die Irre gegangen sind und nun ohne Rücksicht auf Prestige zurechtgerückt werden sollten, aber auch wo nach dem Aufbruch der siebziger Jahre nun neue Impulse gesetzt werden müssen, um auch die achtziger und neunziger Jahre bewältigen zu können.
Der Langzeitrektor der Universität für Bodenkultur, Mänfried Welan, hat in der „Österreichischen Hochschulzeitung“ etliche Anregungen hierzu zusammengestellt, ohne noch zu wissen, an wen sie gerichtet sein würden.
Da gibt es zunächst einmal das quantitative Problem der Universität. Im kommenden Herbst dürften 150.000 Studenten inskribiert werden, ohne daß man bereits am Höhepunkt angekommen sein dürfte.
Niemand denkt an einen nume- rus clausus. „Eine zentrale Vergabestelle für die Studienplätze wäre ein bildungspolitisches Fiasko“, schreibt Welan. Niemand, ^ der Eignung und Neigung zum Studium hat, soll entmutigt werden. Aber jedes (später als nach einer Anlauf- und Informationsphase) abgebrochene Studium bedeutet eine Frustration des Gescheiterten, die oft ein ganzes Leben lang nachwirkt.
Das Wissen über die Vielfalt der Berufe und Studien muß bei Schülern und Eltern größer werden, schreibt Welan. Bildungsund Studienberatung an der Schule wie an der Universität selbst müßte mehr als bisher Fehlleitungen, Irrwege ausschalten.
Praxissemester nennt Welan als guten Weg, die Wirklichkeit des Berufs schon vor dem oder während des Studiums kennenzulernen.
Als der Präsident der Ärztekammer für die Mediziner ein Praktikum im Spital vor der Inskription forderte, war der Protest laut. Warum? Bauingenieure, Agraringenieure absolvieren dieses Praktikum seit je vorher auf dem Bau oder dem Bauernhof. Und keiner der zahllosen Publizistikstudenten hat heute eine Chance, in die Medienpraxis einzusteigen, wenn er nicht während des Studiums volontiert hat.
Mit der Quantität ist die Frage nach der Qualität untrennbar verbunden. Die Lehrstäbe der Universitäten sind in den vergangenen Jahren stark ausgebaut worden — aber doch nicht im Verhältnis der gestiegenen Hörerzahlen.
Aber auch ohne eine weitere Vermehrung der Dienstposten könnte durch den Einsatz von Studenten der höheren Semester als Tutoren ihrer jüngeren Kollegen der Lehrbetrieb erleichtert werden, meint Welan. Ganz abgesehen davon, daß die aus der Tu- torentätigkeit heranwachsenden jungen Wissenschaftler hier eine Schulung ihrer pädagogischen Fähigkeiten erführen.
Die Forderung der Studenten, Professoren „auf Zeit“ zu ernennen, findet Welan durchaus diskussionsfähig (aber vielleicht nicht so, wie die Studenten dies verstanden wissen wollen). Dadurch wie durch Teilzeitbeschäftigung könnte der Austausch von Wissenschaftern zwischen Universitäten und Wirtschaft erleichtert werden.
Die Qualität der Universität hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie sehr ihre Funktionäre durch Bürokratismus von ihren eigentlichen Aufgaben, der Forschung und der Lehre, abgehalten werden.
Niemand denkt heute mehr daran, die Mitsprache von Assistenten und Studenten im Hochschulgeschehen wieder abschaffen zu wollen. Aber die Gremien müssen kurzfristig entscheidungsfähig sein.
Universitätsprofessoren sind Beamte — aber mit andern Aufga ben als jene in der allgemeinen Verwaltung. Deswegen brauchen sie auch andere Dienstrechtsbestimmungen. Der vorliegende Entwurf eines neuen Dienstrechts stammt zwar aus dem Bundeskanzleramt. Die eindeutige Ablehnung der Betroffenen sollte jedoch auch den neuen Ressortchef beeindrucken.
Das Stichwort „Hochschulautonomie“ sollte nicht mehr unter dem Aspekt einer „Entmachtung“ der Professoren behandelt werden, sondern allein danach, was sie für die Funktionstüchtigkeit der Universität bringt. Dazu gehört eine weitgehende Freiheit der Universität beim Budget, beim Stellenplan und der Verteilung, bei der Ausschreibung von Dienstposten und vor allem bei der Selbstergänzung der Lehrkörper.
Viele Wünsche der Universitäten können nur mit mehr Geld erfüllt werden. Vom Staat wird nicht viel mehr zu haben sein. Daß aber ein besserer Kontakt mit der Wirtschaft auch den Universitäten Vorteile brächte, hat sich in den vergangenen Jahren bei etlichen Aktionen bewiesen.
Deswegen wäre nicht zuletzt zu wünschen, daß der neue Minister mehr als seine Vorgängerin Verständnis dafür aufbringt, wenn die Universitäten durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit von sich aus die Gesellschaft mit ihren Problemen bekanntmachen.
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