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Eine Entlastung der Unis über die Fachhochschulen garantiert noch keine Strukturreform an den Universitäten.

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Eine Entlastung der Unis über die Fachhochschulen garantiert noch keine Strukturreform an den Universitäten.

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Die Probleme an und mit Österreichs Universitäten sind mittlerweile hinlänglich bekannt:

Durch die Kreiskysche Bildungsoffensive konnten die Universitäten in erster Linie für Frauen, teilweise aber auch für bildungsfremde und sozial schlechter gestellte Bevölkerungsgruppen geöffnet werden. Seit 1980 hat sich die Zahl der Hörerinnen auf 212.000 beinahe verdoppelt, das wissenschaftliche Personal stieg im gleichen Zeitraum lediglich um 30 Prozent. Ein Blick auf die Betreuung der Studierenden und auf die zur Verfügung stehende Infrastruktur fällt dementsprechend trist aus.

Österreichs Universitäten sollen mit immer weniger Geld nicht nur ße-rufsvorbereitung bieten, sondern die Werkzeuge zum Erkennen und zur Bewältigung gesellschaftlicher Probleme, Gefahren und potentieller Bisiken liefern. Wissenschaft soll gesellschaftlich relevante Fragestellungen aufgreifen und entsprechende Lösungsstrategien entwickeln. Gepaart mit den Forderungen nach mehr Praxis und Berufsvorbereitung in der Lehre, wird von den Universitäten damit eine Gratwanderung verlangt, die kaum bewältigbar ist.

Mit den stereotypen Antworten auf diese Probleme sind Interessierte ebensogut vertraut. Die einen rufen nach Zugangsbeschränkungen, Knock-Out-Prü-fungen und Studiengebühren, sie verstehen Universitäten als Eliten(re-)produk-tionsstätten. Die anderen fordern mehr Geld, um das Betreuungsverhältnis und die Ausstattung an den Instituten verbessern zu können. Forderungen, denen seit den großteils erfolglos gebliebenen Großdemonstrationen 1996 die Schlagkraft fehlt.

Die Vorschläge des zuständigen Bundesministers könnten in diese Diskussion belebenden frischen Wind bringen. Die Einrichtung von (berufs-)ausbildungsorientierten Fachhochschullehrgängen für Medizin und Bechtswdssenschaften könnte die Universitäten tatsächlich entlasten und dort wieder Baum für wissenschaftliches Arbeiten schaffen.

Zu viele Detailfragen sind von Caspar Einem bisher allerdings nicht beantwortet worden. Allein seine Aussagen über den Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten zeigen, wie vage seine Ideen zu einer Umstrukturierung der Bildungsinstitutionen einstweilen noch sind. Erstens stellt die freie Berufs- und Studienwahl ein wichtiges Grundrecht dar, weil die Entscheidung, welches

Ausbildungsangebot in Anspruch genommen wird, immerhin eine fürs Leben ist. Zweitens können die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten von niemandem besser beurteilt werden, als von den Betroffenen selbst, sofer-ne diese auch seriös über alle Optionen informiert werden.

Aber ganz abgesehen von diesen grundsätzlichen Überlegungen kann die Vorstellung, daß jene Medizin-Studierwilligen, die die Aufnahmekriterien der Fachochschulen nicht erfüllen, schließlich an die Universitäten strömen, einem Minister, dem es um die Verbesserung und Belebung des Systems geht, unmöglich gefallen.

Auch mit einem Bildungsscheck können die Probleme heute genausowenig gelöst werden wie in den 80ern, als diese Idee von der Wirtschaftskammer geboren wurde. Heute studiert niemand zum Zeitvertreib, immerhin ist der vorgewärmte Beamtensessel heute keinem/r Akademikerin mehr sicher.

Ein Doppelstudium ist eine gute Investition in die Zukunft. Wer will das verbieten?

Die Überlegungen unseres Ministers sollten nicht in altbekannter status-quo-erhaltender Manier als Hirngespinste abgetan werden. Der Versuch, einen offenen und öffentlichen Diskurs über Österreichs Bildungslandschaft zu führen, muß honoriert werden. Sie dürfen aber auch den Blick auf das Wesentliche nicht versperren.

Durch die Einrichtungen von Fachhochschulen können die Universitäten zwar langfristig entlastet werden. Das muß aber nicht zwangsläufig bedeuten, daß an den Universitäten selbst erstarrte Strukturen aufgebrochen werden.

Professorinnen, die die Lehre als einen Klotz am Bein bezeichnen, werden unabhängig davon, ob Fachhochschulen eingerichtet werden oder nicht, auch in Zukunft nicht für die (Wiederbelebung des Humboldtschen Systems eintreten. Nur die Evaluierung der Lehre und deren Berücksichtung bei der Bestellungspolitik können gewährleisten, daß die Lehre an Bedeutung gewinnt und als wechselseitig fruchtbare Auseinandersetzung honoriert wird.

Freilich wäre ein wissenschaftlicher Hochschulbetrieb, der sich mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzt auch für Studierende eine große Herausforderung. Immerhin werden sie in Österreichs Schulen zwölf Jahre lang gelehrt, keine Fragen zu stellen und überkommenes Wissen unreflektiert zu reproduzieren.

Aber irgendwann müssen die Weichen für ein innovatives Bildungsystem gestellt, muß der Kreislauf der Mangelverwaltung durchbrochen werden. Warum nicht jetzt?

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