„Der freie Uni-Zugang ist nicht mehr zeitgemäß“

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Hochschulforscher Heinz Pechar lobt die UG-Novelle, sieht die Universitäten aber in der Zwickmühle. Schuld sei auch der freie Hochschulzugang. Das Gespräch führte Stefan Müller

Er arbeitete im Wissenschaftsministerium. Heute ist Hans Pechar Professor und Vorstand des Wiener Instituts für Hochschulforschung, das zur Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) der Uni Klagenfurt gehört. Im Moment erstellt er einen Organisationsplan für die Universität Wien. Warum er die Richtung der Novelle für gut hält.

DIE FURCHE: Die neue Uni-Novelle bringt mehr Leistungsdruck für die Studierenden. Können vor den neuen Zugangsverfahren zu Master und Doktorat schon die Studieneingangsphasen helfen, Kapazitätsprobleme der Unis zu lösen?

Hans Pechar: Die großen Probleme der Massenstudien werden damit nicht gelöst. Das sind zwar nur wenige Fächer, aber dort ist mindestens ein Drittel der Studierenden inskribiert. Daran hat sich nichts geändert, die Eingangsphase darf ja keine Knock-out-Prüfung sein. Auf der anderen Seite haben die Universitäten nun natürlich gewisse Möglichkeiten, sich über Kompetenzprüfungen von einem Teil der Studenten zu trennen. Es bleibt abzuwarten, wie das in den unterschiedlichen Universitäten und Fächern gehandhabt wird.

DIE FURCHE: Sie hätten ja, wie die Rektoren, lieber eine Studienplatzfinanzierung wie an den Fachhochschule.

Pechar: Die Finanzierung ist einer der großen Problempunkte. Eine Mittelverteilung über Leistungsvereinbarungen müsste anders gestaltet sein, damit diese auch wirklich greift. Derzeit findet eher eine Fortschreibung der alten Budgets statt. Wünschenswert wäre eine Studienplatzfinanzierung, die den wahren Belastungen durch die Lehre Rechnung trägt. Aber davor schreckt das Ministerium zurück, primär wegen dem offenen Hochschulzugang, an dem ja die Novelle festhält. Somit haben wir die Rhetorik des New Public Management, die aber in der Realität wenig Entsprechung findet.

DIE FURCHE: Geht es in Zukunft weg vom freien Hochschulzugang?

Pechar: In Bezug darauf gibt es eine groteske Verzerrung in der öffentlichen Wahrnehmung. Der freie Hochschulzugang wird als tolle Sache interpretiert, welche die Expansion der Universitäten erleichtert. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn die Universitäten ihre Studenten aufnehmen dürften und es eine transparente Finanzierung gäbe, würde der Finanzierungsbedarf klarer zutage kommen. Dann könnte man darüber diskutieren, wie viel Mittel nötig sind, ob die öffentliche Finanzierung das leisten kann oder ob es Studiengebühren braucht. Vor all dem drückt sich die Hochschulpolitik. Sie dekretiert den freien Zugang, finanziert die Universitäten aber so schlecht, dass sie sich mit all ihren historischen Folgelasten kaum bewegen können.

DIE FURCHE: Ist der freie Hochschulzugang eine heilige Kuh, die nicht mehr zeitgemäß ist?

Pechar: In den führenden Universitätssystemen ist es völlig unbestritten, dass die Universitäten ihre Studierenden aufnehmen können. Wir kommen aus einer anderen Tradition, die aber mit der zunehmenden Expansion immer stärker an ihre Grenzen stößt. Insofern ist diese Form des Zugangs nicht mehr zeitgemäß. Natürlich kann man auch wie die ÖH und einige Parteien reagieren, indem man sich für eine rein nachfrageorientierte Erweiterung des Angebotes ausspricht. Ob aber zum Beispiel ein Ausbau der Kapazitäten in Massenfächern vernünftig ist, deren Absolventen schon jetzt riesige Probleme am Arbeitsmarkt haben, wenn es zugleich in anderen Bereichen einen Absolventenmangel gibt, bezweifle ich.

DIE FURCHE: Sind der Bologna-Prozess und der freie Hochschulzugang per se ein Widerspruch?

Pechar: Nein. Eher wird das durch den offenen Hochschulzugang verursachte Chaos durch den Bologna-Prozess teilweise reduziert. Eine Zeit lang hat es – bei offenem und kostenfreiem Zugang – ja überhaupt keine Verbindlichkeit gegeben. Das hat eine Angebotsplanung durch die Universitäten fast unmöglich gemacht. Viele Studierende haben das sehr positiv interpretiert, wollten aber zugleich Serviceleistungen einklagen. Das ist völlig unvereinbar! Die eine Seite kann nicht alle Freiheiten beanspruchen, und von der anderen Seite strikte Verbindlichkeit verlangen. Jetzt kommt eine stärkere Strukturierung des Studiums. Noch immer nicht in der besten Form, es gibt einige Kinderkrankheiten. Die Umstellung eines so komplexen Systems ist ein aufwendiger, kollektiver Lernprozess, der aber auch dazu führen wird, dass die Anforderungen für die Studenten transparenter werden und besser zu bewältigen sind.

DIE FURCHE: Ist die Angst der Studierenden vor einer Auslese nicht verständlich?

Pechar: Teilweise schon. In der Öffentlichkeit ist aber zu wenig bekannt, dass die Studentenvertreter auf Ebene der Studienrichtungen, die mit den konkreten Problemen befasst sind, zum Teil eine andere Einschätzung haben. Ich bezweifle, dass ihnen mit der dogmatischen Position der Bundes-ÖH ein guter Dienst erwiesen wird.

DIE FURCHE: Erleben wir eine „Verfachhochschulisierung“ der Unis?

Das klingt mir zu sehr nach Kampfbegriff, sozusagen die FHs als das Banale und die Universitäten als das Hehre. Jeder der beiden Sektoren hat sein eigenes Profil, und das sollte auch so bleiben. Trotzdem könnten die Universitäten einige Stärken der Fachhochschulen in der Lehre nachvollziehen. Ohne Qualitätsverlust, und ohne ihr Profil einzubüßen.

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