Keine Zeit für Wünschelruten

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Mehr als 60.000 drängten sich durch das Labyrinth in der Wiener Stadthalle, stopften Informationsmaterial in ihre Taschen und erwarteten sich Antworten auf mehr oder weniger konkrete Fragen. Zum 16. Mal ging die "BeSt" über die Bühne, die Messe für Beruf und Studium, veranstaltet von Bildungsministerium und Arbeitsmarktservice Österreich. Über 500 Experten, darunter Vertreter aller österreichischen Universitäten sowie der meisten Fachhochschul-Studiengänge und Kollegs, priesen Unschlüssigen ihre Bildungswege an. Das AMS eröffnete ihnen schließlich das, was die Wirtschaftswelt von idealen Akademikern - also ihnen - erwartet: einschlägige Berufserfahrung, ein mit 26 Jahren junges Alter, Fremdsprachenkenntnisse (zumal im heurigen "Jahr der Sprachen"), Flexibilität sowie Interesse für neue Medien. Durchschnittlich 26.000 Schilling brutto stehe ihnen dafür ins Haus, erklärt die nette Dame und verweist völlig Ratlose auf die 52 Berufsinformationszentren des AMS oder die Informations-Homepage mcjob.htm.

Klare Präferenzen So bunt die Bildungs-Palette auch ist: Noch sind die Präferenzen der heimischen Schulabgänger klar. Im Rahmen einer Maturantenbefragung des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) gaben 40,8 Prozent der Schülerinnen und Schüler an, nach der Matura ein Universitätsstudium anzustreben. Bereits 17,8 Prozent votierten für eine Fachhochschule, 5,8 Prozent für eine pädagogische oder Sozialakademie und 5,5 Prozent für eine andere Form der Weiterbildung. Ein Drittel der über 2.000 befragten Schüler unterschiedlichster Schulformen gab schließlich an, direkt in den Beruf einsteigen zu wollen. Am klarsten fiel das Votum der AHS-Abhänger aus: Hier zieht es gut zwei Drittel zur Alma Mater und nur einen von hundert Absolventen direkt in den Job.

Weiterbildung ist also angesagt. Doch was tun? War die Universität lange Zeit unangefochtenes Karrieresprungbrett Nummer eins, ist ihr seit 1994 kontinuierlich ein Konkurrent am Bildungsmarkt erwachsen: die Fachhochschulen. Wagten damals gerade 700 den ungewöhnlichen Schritt auf die FH, so herrscht heute um die rund 11.000 Studienplätze ein heftiges Gerangel. Bis 2004 schätzt man mit einer weiteren Verdoppelung der vom Bund mitfinanzierten FH-Plätze: Immerhin 80.000 Schilling jährlich kostet dem Steuerzahler ein Wirtschafts- und 95.000 Schilling ein Technik-Student. Vergleichbar günstig, liegen ihnen doch Universitätsstudierende mit 110.000 Schilling pro Jahr auf der Tasche.

Ist die harte (Fachhoch)-Schule samt Praxissemester erst einmal überstanden, sind die Jobaussichten durchwegs rosig: Ganze 0,03 Prozent der FH-Absolventen sind unfreiwillig arbeitslos, während an den Unis immerhin 2,8 Prozent der frisch gebackenen Akademiker joblos bleiben. Auch beim Einstiegsgehalt machen Fachhochschulabgänger gute Figur: Nach einer aktuellen AMS-Studie liegt der Lohn von FH-Absolventen im Bereich Wirtschaft mit 25.000 Schilling nur knapp hinter jenem ihrer universitären Kollegen mit 27.500. Techniker liegen in beiden Hochschulsparten bereits gleichauf. Der Boom an den FHs ist indes ungebrochen: Schon im kommenden Herbst könnten sich zu den bestehenden 67 Fachhochschul-Studiengängen über zehn weitere hinzugesellen: "Insgesamt haben wir derzeit 29 Anträge in Bearbeitung", bilanziert Claus Raidl, Präsident des für die Akkreditierung zuständigen Fachhochschul-Rates (FHR), nicht ohne Stolz.

Neue Sparten Liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf den Bereichen Wirtschaft und Technik, so wird ab dem kommenden Wintersemester ein neues Kapitel aufgeschlagen: In St. Pölten, Linz, Graz und Salzburg sollen nach den Plänen des FHR die bestehenden Sozialakademien zu Fachhochschulen für Soziales werden. Noch ist aber ihre Finanzierung nicht gesichert, mahnt Raidl. Eine Entscheidung werde in den nächsten Wochen fallen. Der Gründerboom an den Fachhochschulen bringt indes nicht nur Wirtschaftsbosse zum Jubeln. Auch an den Universitäten hinterlässt die Entwicklung ihre (positiven) Spuren, weiß ÖH-Bundesvorsitzender Martin Faißt aus Erfahrung: "Den Universitäten hat die Diskussion um die Fachhochschulen sehr gut getan. In meiner Studienrichtung, der internationalen Betriebswirtschaft, war man noch vor wenigen Jahren der Meinung: Es ist alles toll und nichts zu ändern. Jetzt merken wir den Druck der Fachhochschulen. Es ist sehr befruchtend." Konkurrenz sei im Übrigen absolut kein Thema. Eine Überzeugung, die Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (VP) nur teilen kann: "Wenn man es definieren möchte, bildet die FH auf ein Berufsbild hin aus, während die Universität eine breite, wissenschaftliche Vorbildung für viele Berufe bietet. Das ist der Unterschied, und so muss es auch bleiben."Merkliche Unterschiede herrschen derzeit auch, was die Stimmungslage betrifft: An den heimischen Universitäten gehen die Wogen hoch. Haben die Studierenden der Bildungsministerin bis heute nicht ihr "Ja" zu Studiengebühren verziehen und mittlerweile Unterstützungslisten für ein Bildungs-volksbegehren aufgelegt, drohen die Uni-Lehrer angesichts der geplanten Dienstrechtsreform gar mit Streik. Ein Vorhaben, das nicht nur die Bildungsministerin zur Weißglut treibt: "Wenn es wirklich so weit kommt, ist das eine Katastrophe für die Studierenden", übt ÖH-Chef Faißt heftige Kritik.

Auch in einem weiteren Punkt stimmt er mit Gehrer überein: "Eine Universitätsreform tut Not." Seine Vorschläge: mehr studentische Mitbestimmung, eine neu strukturierte Studieneingangsphase und ein Bonus-Malus-System für Universitätslehrer. Studiengebühren dagegen seien fatal und kein guter Beitrag zur Senkung der durchschnittlichen Studiendauer von über sieben Jahren. Anders dazu die Meinung der Ministerin: "Bei den Gesamtkosten für ein Studium liegt Österreich in Europa an der Spitze. Die 5.000 Schilling pro Semester sind davon nur ein kleiner Teil." Schlussendlich würden die österreichischen Unis "zu Unrecht ständig in Bausch und Bogen verurteilt."

Eine aktuelle Studie des Instituts für Soziologie der Universität Klagenfurt gibt ihr Recht: So rühmten fast 80 Prozent von über 2.000 befragten Uni-Absolventen das hohe vermittelte Faktenwissen und katapultierten die heimischen Unis damit an die europäische Spitze. In Sachen Beratung lassen die Hohen Schulen jedoch zu wünschen übrig: Nur 20 Prozent ihrer Absolventen zeigen sich nachträglich mit der Betreuung zufrieden.

Dennoch: Die heimischen Universitäten sind vielfach besser als ihr Ruf und - es sei wiederholt - noch immer Ziel fast jedes zweiten Maturanten. Das genaue Studium ist anfänglich oft sekundär. Auch in der Wiener Stadthalle waren so manche noch mit sich im Zweifel, wohin der Zukunftswind sie wehen soll. Den ersten Schritt haben sie jedenfalls getan: Information und Beratung sind unerlässlich, wenn der erste Schritt nach der Matura nicht in einen Zufalls-Marsch mit Wünschelrute münden soll.

Infos unter www.studieren.at www.fhr.ac.at www.fh-s.ac.at www.oeh.ac.at

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