Minimundus im Audimax

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Angesichts des Interesses an den "Kinderunis" scheint der wissenschaftliche Nachwuchs gesichert. Beim Nachwuchs der Forscherinnen und Forscher selbst sieht es nicht so rosig aus.

Kleinsein kann auch Vorteile haben - zum Beispiel wenn es darum geht, wer demnächst Platz in einem Hörsaal findet: Während sich Maturantinnen und Maturanten mit Lust auf Medizin kommenden Freitag in Wien und Innsbruck einem strengen, ganztägigen Eignungstest stellen müssen und in Graz bei "Kennenlern-Interviews" um die wenigen Studienplätze buhlen, stehen Kindern die universitären Pforten offen. Zumindest an der "KinderuniWien" - und zum jetzigen Zeitpunkt: Obwohl bereits über 3100 Anmeldungen eingegangen sind (ein neuer Höchstwert in der vierjährigen Geschichte dieser Initiative), hat die Wiener Alma Mater noch Platz für 900 Studierende zwischen sieben und zwölf Jahren. Bis 9. Juli läuft die Anmeldefrist. Wer bis dahin auf www.kinderuni.at "inskribiert", wird von 10. bis 21. Juli kindgerecht in die Welt der Wissenschaften eingeführt.

Qual der Wahl

Das bunte "Studienbuch" hat es in sich: Von der Theologie über die Wirtschafts-und Sozialwissenschaften bis hin zu Medizin und Kunst reicht die Palette der 331 Lehrveranstaltungen, die von "echten" Lehrbeauftragten der Universität Wien, der Medizin-Uni Wien und der Universität für angewandte Kunst angeboten werden. Die Frage "Was ist der Unterschied zwischen ,gut' und ,böse'?" wird ebenso umkreist wie "Warum tun Oma die Knie weh?" oder "Wie entsteht eigentlich ein Werbespot?". "Heuer haben wir auch den Schwerpunkt Demokratie neu dabei", erklärt Kerstin Kopf vom Kinderbüro der Uni Wien, das dieses Ferien-Projekt gemeinsam mit den drei beteiligten Universitäten veranstaltet. "Wie wählt man und warum?" lautet eine der demokratiepolitischen Fragen, die spielerisch behandelt werden. Wahlkampf inklusive.

Die jungen Studiosi haben also die Qual der Wahl. Nur die Aufteilung in eine "1er-Vorlesung" im größten Auditorium des Wiener Hörsaalzentrums, einen Workshop und fünf Seminare oder Vorlesungen ist fix. "Insgesamt geht es darum, dass die Kinder Spaß haben und ihre Neugier geweckt wird", betont Kerstin Kopf.

Nicht nur in Wien versucht man, schon die Kleinsten für Forschung zu begeistern. Auch in Salzburg, Innsbruck, Linz und Graz sowie an der Fachhochschule Steyr und der FH Vorarlberg gibt es ähnliche Konzepte. In Graz lockt man die Kids freilich nicht in den Ferien, sondern während des Studienjahres an die Uni. "Pro Semester gibt es eine Ringvorlesung, dazu kommen Workshopwochen", erzählt Martina Mayer-Krauss von der KinderUni Graz.

Wie in Wien zelebriert man auch hier am Ende eine Sponsion - samt Verleihung eines akademischen Titels. Und wie an allen Kinderunis versucht man, vermehrt Kinder aus Nicht-Akademiker-Familien anzusprechen. Um speziell Migrantenkinder und deren Eltern zu erreichen, werden etwa im Rahmen der "KinderuniWienbunt" Folder in 14 verschiedenen Sprachen verteilt. "Fremdsprachige Kinder sind zwar noch Einzelfälle - aber immerhin", meint Kerstin Kopf.

Die Organisation der "Kinderuni" ist freilich nicht die einzige Aufgabe der 15 Mitarbeiterinnen des Wiener Kinderbüros. Ebenso wichtig sind die Angebote zur Vereinbarkeit von Wissenschaft und Elternschaft. Als eigenständiges Unternehmen - unterstützt von der Uni Wien - bietet man Studierenden, Universitätsangehörigen und "externen" Eltern flexible Kinderbetreuung ab 2,50 Euro pro Stunde an. Insgesamt 200 Kinder zwischen null und zwölf Jahren werden derzeit im "Kinderzimmer" des Kinderbüros im achten Wiener Gemeindebezirk betreut, während ihre Mütter und Väter an den Computern im "Elternzimmer" arbeiten können. Auf Wunsch springen auswärts auch "Flying Nannies" ein.

"Behindert" durch Kinder

Immerhin zwölf Prozent der Frauen und 9,7 Prozent der Männer, die an österreichischen Unis studieren, sind Eltern. Blickt man an die Spitze der akademischen Karriereleiter, so dreht sich freilich die Geschlechterverteilung um: Laut einer Erhebung an der Uni Wien aus dem Jahr 2002 haben zwar 81,3 Prozent der Professoren, aber nur 52,2 Prozent der Professorinnen Kinder.

Wie unterschiedlich die Probleme und Bewältigungsstrategien bei der Vereinbarkeit von Forschung und Familie sind, zeigt die Broschüre "Eltern schaffen Wissenschaft!", die vom Wiener Kinderbüro im Vorjahr publiziert wurde. Einer der darin Porträtierten ist der evangelische Religionspädagoge und fünffache Vater Robert Schelander. "Egal ob für Wissenschafterinnen oder Wissenschafter: Kinder zu bekommen ist heute noch schwieriger geworden", meint er im Furche-Gespräch. "Mit Kindern ist man als Wissenschafter regelrecht ,behindert', also benachteiligt." Auch die Veterinärmedizinerin Susanne Huber kennt als Mutter einer Tochter die Mühen der Vereinbarkeit: "Man kann sich viel organisieren, aber die Publikationsliste ist natürlich nicht so lang wie bei Leuten, die sich zu 100 Prozent der Wissenschaft widmen können", klagt sie - und fordert eine stärkere Berücksichtigung von Elternschaft bei Bewerbungsverfahren.

Um solche Probleme verstärkt bewusst zu machen, hat die Grazer Juristin Anita Prettenthaler-Ziegerhofer das Projekt "Schaffen Eltern Wissenschaft?" ins Leben gerufen. "Oft werden Termine zu spät angesetzt, sodass Forschende mit Kindern ihn nicht wahrnehmen können", erklärt die Mutter einer Tochter, die selbst an der Grazer Kinderuni regelmäßig "Lehrveranstaltungen" über die Europäische Union hält. "Wenn man dann drei Mal keine Zeit hat, wird man gar nicht mehr gefragt." Auch die Kinderbetreuung während des Sommers oder bei Auslandsreisen werde oft zum Hindernis. In Gesprächsrunden mit Eltern soll nun dieser problematische IST-Zustand erhoben - und eine Liste von SOLL-Forderungen erstellt werden.

Männlich-lineare Karrieren

Um ihre wichtigste Forderung zu artikulieren, braucht Regina Polak, Leiterin des Instituts für Pastoraltheologie der Universität Wien, nicht lange nachzudenken: "Wir müssen wegkommen von der fixen Vorstellung, wie ein wissenschaftlicher Karriereverlauf auszusehen hat", meint Polak, die ihre Visionen über "Kinder als Geschenk der Zukunft" zuletzt in den morgendlichen Gedanken für den Tag auf Ö1 formuliert hat. "Das klassische Modell ist ja noch immer linear-männlich - und hier haben Kinder einfach keinen Platz." Sie selbst habe 1999, bei der Geburt ihres Sohnes Elias, von ihrem Arbeitgeber jede Menge Unterstützung und Möglichkeit zur Heimarbeit erhalten. "Die Schattenseite ist aber sicher, dass für einen selber und die Partnerschaft ganz wenig Zeit übrig bleibt", ist sie überzeugt.

Auch dem kleinen Elias geht der ständige Zeitmangel seiner Mutter langsam auf die Nerven: "Ich habe ihn gefragt, ob er sich an der Kinderuni etwas über den Weltraum anhören will", erzählt Polak. "Doch er hat nur erbost gemeint: Nein, auf die Uni geh' ich nicht, da muss man so viel arbeiten."

Infos unter www.kinderuni.at

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