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Studenten:,Karriere am ehesten mit Protektion

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1315 Kärntner legten 1973 die Matura ab. Wie verläuft ihr weiterer Lebensweg? In welchem Ausmaß ist ihre Tätigkeit bestimmend für das Sozialbewußtsein, das sie entwik-keln? Ein Team der Klagenfurter Universität für Bildungswissenschaften geht diesen Fragen im ersten Teilprojekt des Forschungsschwerpunktes „Universitäre Bü-dung und Beschäftigungssystem“ nach.

Es handelt sich dabei um eine „Panel-Studie“, was besagt, daß über einen längeren Zeitraum (bis 1984) in regelmäßigen Abständen (alle zwei Jahre) neue Erhebungen gemacht werden.

Es überrascht wenig, daß zwei Jahre nach der Matura schon ein Viertel der erwerbstätigen Maturanten verheiratet war, aber nur 8 Prozent der Maturanten in nichtwissenschaftlicher Ausbildung und nicht einmal 2 Prozent der an Universitäten studierenden. Nur mehr 41 Prozent aller Maturanten lebten 1975 noch in Kärnten, dagegen 30 Prozent in Graz, 18 Prozent in Wien, 8 Prozent im übrigen Österreich und 3 Prozent im Ausland. Von den studierenden Maturanten hielten sich gar nur 8 Prozent in Klagenfurt, aber 54 Prozent in Graz und 30 Prozent in Wien auf.

Zum deutlichsten Wandel in der Einstellung zu bestimmten Lebensbereichen kam es in den ersten beiden Studienjahren bei den Studenten der Klagenfurter Universität - der Bereich „eigene Familie und Kinder“ fiel vom ersten auf den vierten Platz hinter „Freunde und Bekannte“, „Freizeit und Erholung“ sowie „Beruf und Arbeit“ zurück. Bei den anderen Gruppen blieb die Einstellung relativ stabü, nur bei den Maturanten mit nichtakademischer Weiterbildung überraschte das relative Ansteigen der Bedeutung der Religion.

Es hängt wohl mit dem gesamtösterreichischen Phänomen der Ver-politisierung des Pflichtschulwesens zusammen, daß zwei Jahre nach der Matura 42 Prozent der in nichtwissenschaftlicher Ausbüdung stehenden Maturanten (meist Studenten Pädagogischer Akademien) politischen Parteien angehörten, aber nur 8 Prozent der Studenten der Klagenfurter Universität, nur 5 Prozent der Studenten an anderen Hochschulen, 11 Prozent der ab Matura Erwerbstätigen, 13 Prozent der Erwerbstätigen nach nichtakademischer Weiterbildung.

Geradezu alarmierend änderten sich die Antworten auf die Frage, wie man in unserer Gesellschaft am ehesten nach oben komme. Vor allem die Studenten der Klagenfurter Universität nannten hier in erster Linie negativ besetzte Begriffe: Beziehung und Protektion, politische Betätigung, Geld und Vermögen sowie Opportunismus und Rücksichtslosigkeit. Bei den anderen Gruppen fiel das Urteil weniger drastisch aus, aber auch dort wurde positiven Faktoren wie Intelligenz und Begabung, Leistung und Fleiß sowie Initiative und Durchsetzungsvermögen mehr Skepsis entgegengebracht als 1973.

Im zweiten Teilprojekt geht es um den Hochschulzugang, exemplifiziert an der Klagenfurter Universität, die sicher eine Sonderstellung einnimmt. Zunächst ist sie die einzige wissenschaftliche Hochschule Österreichs mit einem quantitativen Ubergewicht an weiblichen Hörern. Da eine überwiegende Mehrheit der Studenten ein Lehramtsstudium betreibt, gilt sie als „höhere Lehrerbildungsanstalt“. Nach wie vor kommt der überwiegende Teil der Studenten (über 80 Prozent) aus Kärnten oder sogar dem Bezirk Klagenfurt selbst.

Sicher gerecht geworden ist die Klagenfurter Universität der Aufgabe, bisher benachteiligten Bevölkerungskreisen größere Chancen zu bieten. Denn der Anteil jener Erstin-skribenten, von denen kein Elternteil Akademiker war, stieg vom Wintersemester 1973/74 bis zum Wintersemester 1976/77 von 81 auf 89 Prozent, allerdings erwarb nur 1 Prozent der Studienanfänger die Studienberechtigung auf dem „Zweiten Büdungs-weg“.

Nicht übersehen werden sollte, daß das Gros aller Kärntner Maturanten -insbesondere aus „bürgerlichen“ Kreisen - nach wie vor an anderen österreichischen Universitäten studiert. Von den Klagenfurter Studenten sahen jedoch noch 1976/77 60 Prozent keine Alternative zur Klagenfurter Hochschule; vermutlich hätten sie alle, wenn die Universität

Klagenfurt nicht bestünde, auf ein Studium verzichtet.

Im dritten - international verankerten, weil in mehreren anderen Ländern mit ähnlichen Methoden betriebenen - Teilprojekt wird (Vorstudien laufen seit 1968) die Entwicklung des gesellschaftlichen Bewußtseins von Sudenten und Akademikern untersucht. Daß dabei besonders Studenten der Universität Wien (Lehramt Germanistik), der Technischen Universität Wien (Elektrotechnik, Bauingenieurwesen), der Wiener Wirtschaftsuniversität und alle Studienrichtungen der Pädagogischen Akademien des Bundes in Wien herangezogen wurden, hegt nahe, heißt es doch auch im letzten Zwischenbericht zu diesem Projekt: „Die Hauptabteilungen der Intelligenz in Österreich werden 1981 die Lehrer (etwa 90.000), gefolgt von den Ingenieuren

(etwa 80.000) und den Ökonomen (etwa 50.000) sein.“ '

Daß die Wohnsituation der hier befragten 1130 Studenten von der eingangs erwähnten der studierenden Kärntner Maturanten abweicht, liegt daran, daß an den Wiener Hochschulen viele Wiener studieren, die nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen noch bei den Eltern wohnen. 56 Prozent der für diese Studie Befragten wohnten bei den Eltern, von den Studenten Pädagogischer Akademien sogar 70 Prozent!

Wie lange dauert es, bis sich ein Student an der Universität zurechtfindet? 40 Prozent wollen es in einer Woche, 45 Prozent in einem Monat und nur knappe 5 Prozent „bis heute nicht“ geschafft haben. Am schnellsten ging es bei Medizinern und Studenten Pädagogischer Akademien, weil dort die Studienpläne am „schulmäßigsten“ sind.

Die Tatsache, daß trotz großen Interesses an studentischen Vereinigungen nur wenige Studenten aktiv in solchen Vereinigungen mittun, läßt darauf schließen, daß die idealen Formen des Zusammenlebens im Hochschulbereich noch gefunden werden müssen! So stellt der Zwischenbericht fest: „Die Universität braucht Organisationsformen, die den Erwerb von Wissen und Fertigkeiten mit den sozialintegrativen Bedürfnissen der Studenten verbinden können.“

Der Vorstand des Klagenfurter Instituts für Bildungsökonomie und Bildungssoziologie, Univ.-Prof. Hans-Joachim Bodenhöfer, der den gesamten Forschungsschwerpunkt koordiniert, verweist darauf, daß das vierte Teilprojekt, der Zusammenhang zwischen Bildungssystem und Arbeitsmarkt, noch am Anfang stehe. Die Gefahr einer größeren Akademikerarbeitslosigkeit - die FURCHE wird auf diese Thematik schon bald ausführlich eingehen - sieht er jedenfalls nicht kommen - mit einer großen Ausnahme.

Was die Lehrer anlangt, wird es in den nächsten Jahren noch große Schwierigkeiten geben, die Bodenhöfer auch durch ein Senken der Klassenschülerzahlen für nicht langfristig lösbar hält. Er plädiert für eine Studienreform, damit man Lehramtsstudenten mehrere Einmündungsmöglichkeiten ins Berufsleben verschafft.

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