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Das Südtirol von morgen

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Von jeher ist die Hochschuljugend ein Spiegel der geistigen Entwicklung eines Landes gewesen.

Das Organ der Südtiroler Hoch- schülerschaft, „Der fahrende Scholar”, schreibt darüber in seiner Nummer vom Dezember 1957, Nr. 7 11: „Die Betrachtungen bzw. Gegenüberstellungen der Ergebnisse solcher jährlich durchgeführten Erhebungen werden es erlauben, die Entwicklung der Erscheinung zu verfolgen und es ermöglichen, Schlüsse über den Wechsel der sozialen Struktur unserer Studentenschaft, die progressive, stationäre oder regressive Entwicklung des Zustromes zu den verschiedenen Fachgruppen, die Veränderung der Vorliebe der Studenten verschiedener Herkunft, sozial und geographisch gesehen, für bestimmte Fachgruppen zu ziehen.”

Die Südtiroler Hochschülerschaft betrug im Jahr 1959 60 490 und wies einen Zuwachs von nicht weniger als 60 Studenten gegenüber 1958 59 auf, was einem Prozentsatz von rund 14 Prozent entspricht.

Von den 490 Hochschülern studieren 138 oder 28,2 Prozent an italienischen Hochschulen, in Österreich ’ 285 oder

58.2 Prozent, in Deutschland ‘64 oder 13 Prozent, in der Schweiz 2 (0,4 Prozent) und in den LISA 1 Hochschüler (0,2 Prozent); insgesamt also studieren im Ausland 71,8 Prozent.

Aufstieg in vier Jahren.

Es ist ganz interessant, die Entwicklung in den Jahren 1956 bis 1960 zu untersuchen. Noch im Jahre 1956 57 studierten in Italien 128 (42,4 Prozent), während im Ausland 174 oder 57,6 Prozent studierten, im Studienjahr 1957 58 studierten in Italien 130 (35,2 Prozent), im Ausland aber 174 (64,8 Prozent), im Studienjahr 1958 59 studierten in Italien gleichviel, nämlich 130 (30,2 Prozent), während im Ausland bereits 300 immatrikuliert waren (69,8 Prozent); im Jahre 1959 60 betrugen die Zahlen der in Italien Studierenden 138 (28,2 Prozent), im Ausland aber 352 oder 71,8 Prczent.

Davon studierten im letzten Studienjahr in Innsbruck 138 Hochschüler (28,2 Prozent), in Wien 109 (22,3 Prozent), in Graz und Florenz je 34 (je 7 Prozent), in Padua 28 oder 5,7 Prozent, in Mailand 22 oder 4,5 Prozent, in Rom 21 oder 4,3 Prozent, und in Bologna 19 oder 3,9 Prozent.

Nach Fakultäten aufgeteilt sind die stärkste Gruppe die Philologie- lind Philosophiestudenten mit 117, also 23,9 Prozent aller Hochschüler, es folgen mit Abstand die juridische Fakultät mit 68 Studenten oder 13,9 Prozent, die Technik mit 67 oder 13,7 Prozent, die WirtSchafts- und Sozialwissenschaften mit 55 Studenten oder.

11.2 Prozent, die Naturwissenschaften mit 52 oder 10,6 Prozent, Medizin mit 45 oder 9,2 Prozent und Forstwirtschaft mit den restlichen 40 Studenten (8,2 Prozent).

Es ist interessant, daß in Italien die meisten Südtiroler in den Fakultäten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit 36 oder 26,1 Prozent vertreten sind, es folgen die Rechtswissenschaften mit 31 oder 22,5 Prozent, die Philosophie und Philologie mit 21 oder 15,2 Prozent.

Die Aufgliederung an ausländischen Universitäten sieht so aus: Philosophie und Philologie 96 Hörer oder 27,3 Prozent, Technik 58 Hörer oder 16,5 Pro zent, Naturwissenschaften 46 oder 13.1 Prozent, Mediziner 40 oder 11,4 Prozent, Rechtswissenschaften 37 oder 10.5 Prozent (gegen 68 oder 13,9 Prozent in Italien selbst), Land- und Forstwirtschaft 31 oder 8,8 Prozent.

Aus der Statistik ergibt sich die Aufgliederung, welche Studierende mehr in italienischen Hochschulen und welche mehr an ausländischen, hauptsächlich österreichischen, Universitäten inskribiert haben, und zwar sind an italienischen Universitäten eingeschrieben: Staatswissenschaft 66,7 Prozent, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 65.5 Prozent, Theologen 65 Prozent, während an ausländischen Universitäten in der Mehrzahl studieren: Kunstakademiker 90 Prozent, Mediziner 88,9 Prozent, Naturwissenschaften 88,5 Prozent, Philosophen und Philologen 82.1 Prozent, Pharmazeuten 80 Prozent, Land- und Forstwirtschaftler 77,5 Prozent, Veterinärmediziner 60 Prozent und Juristen 54,4 Prozent. Diese letzte Zahl ist eigentlich nicht recht zu verstehen, da das Jusstudium gerade Kenntnisse in den Landesgesetzen erfordert, während ausländisches Recht vielfach in Italien,nicht in Geltung ist und daher das italienische Rechts- studium erst nachgeholt werden muß.

Merkwürdig ist, daß die modernen Disziplinen, wie Sprachen, Zeitungs-Wissenschaft, Dolmetscher und Leibeserziehung, hinter den ausgesprochenen philosophischen Fächern Zurückbleiben. Von der philosophischen Fakultät entfallen auf Altphilologie 14 Hörer oder 12 Prozent, auf neue Philologie und Geschichte 59 Hörer oder 50,4 Prozent, auf reine Philosophie 8 Hörer oder 6,8 Prozent, auf Pädagogik 14 Hörer oder 12 Prozent, auf Fremdsprachen lediglich 12 Hörer oder 10,2 Prozent, auf Leibeserziehung 4 Hörer oder 3,4 Prozent, auf Zeitungswissenschaften 3 Hörer oder 2,6 Prozent und ebenso auf die Dolmetscher 3 Hörer oder ebenfalls 3 Prozent.

Soziale Herkunft

Wenn man die soziale Herkunft der Studierenden untersucht, so kommen von den 490 Hochschülern nicht weniger als 135, das sind 27,6 Prozent, aus dem Bauernstand, von Eltern aus freien Berufen 77 Studenten oder 15,7 Prozent, aus kaufmännischen Berufen 69 Hörer oder 14,1 Prozent und aus dem Beamtenstand 68 Hörer oder 13,9 Prozent, während sich der Rest auf Angestellte, Gewerbetreibende und Arbeiter aufteilt.

Die Studenten aus dem Bauernstände zogen in erster Linie das Studium der Philosophie und Philologie vor, und erst in zweiter Linie die Agrarwissenschaften (Philosophie und Philologie 28 und Agrarwissenschaften 23 Studenten); die Söhne und Töchter aus freien Berufen gingen in erster Linie an die juridische Fakultät (18), dann auf die Technik (13), und in dritter Linie bevorzugten sie das Studium der Philosophie und Philologie (12), während die Studenten aus dem Beamtenstand vorwiegend Philosophie studierten (17), und dann Rechswissenschaf- ten (15).

Aus dem humanistischen Gymnasium kam der größte Teil der Hochschüler, nämlich 312 oder 63,7 Prozent, aus dem Realgymnasium kamen 42 Hörer oder 8,6 Prozent, aus Lehrerbildungsanstalten 26 oder 5,3 Prozent, aus der Handelsoberschüle I (Handelsakademie) gingen 25 auf die Hochschule oder 5,1 Prozent, während der Rest sich auf andere Mittelschulen und höhere Fachschulen aufteilte. Dabei ist zu bedenken, daß verschiedene Fakultäten nur Studenten mit einer bestimmten Reifeprüfung aufnehmen; zum Beispiel können sich die Absolventen der Lehrerbildungsanstalten, höheren Fachschulen und der Handelsoberschule nur wenigen Fakultäten zuwenden.

Eine Universität für Bozen?

Man hat in italienischen Regierungskreisen sehr die Schaffung einer Universität in Bozen propagiert. An und für sich wäre gegen die Schaffung einer solchen Universität in Bozen nichts einzuwenden, da die Statistik zeigt, daß die weit größere Mehrheit der Südtiroler Studenten bisher im Ausland studieren mußte. Dahinter aber steht die Gefahr auf, daß sich durch den Zugang von Professoren und ihrer Familien sowie durch den Zustrom von Hochschülern aus den alten Provinzen die italienische Bevölkerung in Bozen wieder vermehrt und man so ein Stück weiter auf dem Wege zur italienischen Mehrheit in Südtirol gelangt. Weitere Befürchtungen gegen eine Schaffung einer italienischen Universität in Bozen sind, daß der Unterricht in erster Linie Tein italienisch wäre und die Propaganda auch vor den Toren der Aula kaum haltmachen dürfte.

Wenn man sich ernstlich mit der Schaffung einer Universität in Bozen auch von seiten der Südtiroler Bevölkerung befassen sollte, dann nur aus dem Blickpunkt einer internationalen Universität heraus, das heißt, es müßten in erster Linie internationale Professoren und von allem ein internationaler Lehrplan geschaffen werden, der nicht nur italienische Wissenschaft und italienische Politik auf seine Fahnen schreibt, sondern der wirklich international sein müßte, sowohl was Professoren als auch was Lehrplan am- langt.

Diese Statistik soll die Entwicklung der Südtiroler Hochschülerschaft in aller Öffentlichkeit bekanntmachen, damit sich die Welt daraus ein Bild Von der Entwicklung der jungen Südtiroler Intelligenz machen kann.

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