6696347-1963_09_04.jpg
Digital In Arbeit

Arbeiter und Angestellte antworten

Werbung
Werbung
Werbung

Das Bildungsreferat der Wiener Arbeiterkammer hat unter Führung des Bildungsreferenten Dr. Hans Fellinger eine umfangreiche und in die Tiefe gebende Untersuchung des Freizeitverhaltens -der Wiener Arbeiter und Angestellten im Jahre 1961 vorgenommen, deren Ergebnisse nunmehr der Öffentlichkeit vorgelegt wurden.

Die Untersuchung hatte Fragebogen und Ergebnisse von persönlichen Befragungen als Urmaterial zur Verfügung. Befragt wurden nur Arbeiter und Angestellte in den Wiener Bezirken 1 bis 21, deren Berufsgruppe etwa 80 Prozent der Berufstätigen im Wiener Raum umfaßt. Das Verhältnis von Arbeitern und Angestellten beträgt 58:42. Entsprechend diesem Verhältnis und aufgegliedert in drei Altersschichten vom 18. bis zum 65. Lebensjahr, wurde eine Repräsentativerhebung vorgenommen. Ausgewertet konnten 2073 Fragebogen werden. Die gegebenen Antworten bieten keinen eindeutigen Durchschnitt, da zwischen der Sollbefragung entsprechend der Berufs- und Altersstruktur und den tatsächlich vollzogenen Befragungen Abweichungen bis zu zehn Prozent vorhanden waren. Ebenso war zur Befragungszeit das Fernsehen noch nicht von jener Gewichtigkeit wie heute. Trotzdem zeigen die ungemein gründlichen Befragungen und die hervorragende Auswertung der Ergebnisse durch die Wissenschaftler der Wiener Arbeiterkammer charakteristische Tendenzen im Freizeitverhalten der Mehrheit der Wiener Bevölkerung.

Das Ausmaß der Freizeit

Um die jeweilige Art des Freizeitverhaltens zu klassifizieren, muß man die Größe der effektiven Freizeit ermitteln, die nicht allein durch den Umfang der Sollarbeitszeit bestimmt ist.

Noch immer müssen, vor allem in Versorgungsbetrieben, 14.1 Prozent der Befragten Sonntagsarbeit leisten und haben daher nicht die Möglichkeit, in typischer Weise die Wochenendfreizeit zu genießen. Dpzu kommen jene 28.7 Prozent, die Überstunden zu machen haben (davon 5,6 Prozent mehr als acht Stunden in der Woche).

Auch der Weg zur Arbeitsstätte stellt eine verdeckte Kürzung der Freizeit dar. Die Mehrzahl der befragten Arbeitnehmer hatte zweimal 10 bis 30 Minuten je Tag auf dem Arbeitsweg zu verbringen, vier Prozent sogar bis 90 Minuten (mal zwei). Dabei benützen 10,3 Prozent einen Personenkraftwagen.

Der Urlaub, die „große Freizeit“, umfaßte im allgemeinen zwischen 8 und 28| Werktagen (31 Prozent hatten 15 bis 21 Werktage, 32,3 Prozent bis 28 Werktage), aber 4,4 Prozent hatten im Erhebungszeitraura' überhaupt keinen Urlaub gehabt beziehungsweise genommen (von den Achtzehn- bis Dreißigjährigen waren es sogar acht Prozent).

Die Freizeitbetätigung konzentrierte sich offenkundig auf den Samstag. An diesem Tag gingen 53,4 Prozent erst zwischen 21 und 23 Uhr zu Bett (sonst 44,6 Prozent), zwischen 23 und 24 Uhr 11,3 Prozent (sonst 3,3 Prozent). Was das Schlafengehen anlangt.

war dagegen der Sonntag von den Tagen der Arbeitswoche (Montag bis Freitag) nicht wesentlich verschieden.

Das Freizeitverhalten

In einem Verhaltenszeirraum von sechs Wochen befaßten sich nach Arbeitsschluß unter anderem 39,8 Prozent mit Lektüre, 34,5 Prozent „mit der Familie^ und 21 Prozent mit Radiohören. Manche Freizeitbetätigungen, wie das Radiohören, können auch in Verbindung mit anderen Verhaltensweisen, wie mit der Lektüre, ausgeübt werden. Die Folge sind Doppelzählungen.

Die Frage nach der „Liebhaberei“ zeigte, daß 35,4 Prozent sehr gerne basteln, 22,6 Prozent mit Spielen und anderem beschäftigt sind, aber (damals!) nur 0,9 Prozent mit Fernsehen-Null Prozent machen „gerne“ Besuche, und „ebenso viele“ erklären die Beschäftigung mit der Politik zur „Liebhaberei“.

94,7 Prozent lesen überhaupt eine Zeitung. Dabei ist interessant, zu erfahren, daß nicht mir 5,8 Prozent der Arbeiter, sondern auch 4,8 Prozent der Angestellten keine Zeitung lesen. Am wenigsten lesen die Achtzehn- bis Dreißigjährigen.

Täglich lesen nur 52,8 Prozent eine Zeitung. Mehr als eine Zeitung lesen dagegen 92.7 Prosent. Bemorkemwert int. dab Mehheit der Zeitden Morgenstunden. Dabeim legen die Zetung 68.5 Prosent und 6,4 Prosent auf dem Arbeitplate.

Zeitschriften kaufen sich 38,8 Prozent der Interviewten. Von den Angestellten erwerben nur 55,3 Prozent überhaupt eine Zeitschrift, ein Hinweis darauf, wie sehr die klassische

Einteilung in „manuelle“ und in „geistige“ Arbeiter sinnlos geworden oder zumindest reformbedürftig ist, wenn man bedenkt, daß nur 66,9 Prozent der Arbeiter keine Zeitschrift erwerben.

Von den gelesenen Zeitschriften sind 13,7 Prozent Wochenzeitschriften, 7,3 Prozent „österreichische Illustrierte“ (?), nur 4,4 Prozent „Deutsche Illustrierte“ (?) und 8;7 Prozent Familienzeitschriften.

Bei der Frage, was im Rundfunk gehört wurde, erklärten 27,1 Prozent der Befragten ihre Vorliebe für „bunte Sendungen“ und 24,5 Prozent für Nachrichten. Mehr als die Hälfte (51,9 Prozent) übt während des Rundfunkhörens nebenher keine andere „Tätigkeit“ aus, 16,4 Prozent lesen, und 11,4 Prozent verrichten Arbeiten, während sie dem Rundfunkprogramm „lauschen“.

Zu Sportveranstaltungen gehen 37,1 Prozent (von den Männern 45,9 Prozent), aber nur 28,5 Prozent betreiben selbst einen Sport (bei den Achtzehn- bis Dreißigjährigen sind es freilich 49,5 Prozent).

Die Sonntagstätigkeit ist bestimmt durch „Reisen und Ausflüge“ (22,5 Prozent), Besuchemachen (widerwillig?), für das sich 19,9 Prozent entschieden, und durch Spaziergänge (19,8 Prozent).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung