6781127-1969_44_11.jpg
Digital In Arbeit

Eine Statistik und ihre tiefere Bedeutung

Werbung
Werbung
Werbung

Als ich vor zwölf Jahren beim Dreiländertreffen des katholischen Buchhandels Deutschlands, Österreichs und der Schweiz einen Vortrag über das Thema „Ende des Lesezeitalters“ hielt, wurde ich wegen meines Pessimismus verurteilt. Als ich in den darauffolgenden Jahren immer wieder das gleiche Thema aufgriff, meinte der eine oder andere, ich sollte mir doch endlich etwas anderes einfallen lassen.

Wie steht es nun heute tatsächlich um das Österreich Verlagswesen? Der Österreicher ist keine Leseratte. Wie Dr. Richard Bam- berger, der Generalsekretär des österreichischen Buchklubs der Jugend, bei einer Tagung der Lektoren zum Thema „Die Position des Jugendbuchklubs in der kulturellen Welthaerarchie“ am Freitag in Ottenstein erklärte, wurden laut einer Statistik des Büchereiverbandes 1968 von 587.570 Einwohnern in Österreich 7,887.355 Bücher entlehnt. Das bedeutet, daß auf einen Leser rund 13, auf einen Einwohner sogar nur 1,2 Bücher kommen. Demnach sind — von den Büchereien aus gesehen — nur 8 Prozent aller Österreicher als echte Leser zu betrachten.

Wie der Experte betonte, zeigt diese Statistik den Österreicher in noch schlechterem Licht als die vor kurzem durch die Presse gegangene Untersuchung des Fessel-Institutes. Der Fessel-Untersuchung zufolge lesen 21 Prozent der Österreicher regelmäßig ein Buch. Bei 42 Prozent liegt die letzte Buchlektüre übeir ein Jahr zurück. 70 Prozent konnten nicht einmal den Autor des zuletzt gelesenen Buches angeben. Angesichts dieser Tatsachen, so betonte Dr. Bamberger, hätten die Erwachsenen gar keine Ursache, sich über das geistige Desinteresse der Jugend zu beklagen.

Wie Österreich im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern in der Leseliste rangiert, zeigen Erhebungen, wonach in der Bundesrepublik Deutschland auf 100 Einwohner 68 Buchleser kommen — in Österreich sind es laut Fessel-Bericht 21, Die Zahl der Buchleser in Frankreich ist sowohl bei der Jugend als auch bei den Erwachsenen doppelt so hoch wie in Österreich. Noch trauriger erscheint das österreichbild im Vergleich mit den skandinavischen Ländern. Während bei uns rund 10 Prozent der Kinder wöchentlich ein Buch oder mehr lesen, sind es in Skandinavien etwa 40 Prozent. Die gleiche Relation ergibt sich gegenüber England und der UdSSR.

Dazu kommen andere betrübliche Erscheinungen im österreichischen Verlagswesen. Die Produktionskosten im graphischen Geiwerbe sind schon so hoch gestiegen, daß der Export österreichischer Bücher ins Ausland immer schwieriger wird. Zu diesen hohen Produktionskosten kommen noch die hohen Rabatte, die der österreichische Verleger den ausländischen Auslieferungsfirmen geben muß. 53 bis 60 Prozent sind keine Seltenheit. Der österreichische Verleger bekommt für ein Buch, das vielleicht 100 Schilling brutto kostet, von der ausländischen Auslieferungsfirma eventuell nur 40 Schilling. Von diesem Betrag sollen Autorenhonorar, Herstellungskosten, Umsatzsteuer, Regien usw. gedeckt werden. Kapital, um renommierte Unternehmungen aufzukaufen, ist in Österreich kaum genügend vorhanden, was bewirkt, daß immer mehr fremdes Kapital hereinströmt. Die Buchgemednschaft „Donauland“ gehört bereits zu 60 Prozent dem Verlag Bertelsmann, der außerdem noch ein Vorkaufsrecht für weitere 30 Prozent besitzt, und die einzige katholische Buchgemeinschaft Österreichs steht vor dem Problem, ob sie in nichit- österreichische und nichtkaithoii- sche Hände übergehen soll. Auch beim Verkauf der Molden-Druk- kerei soll ausländisches Kapital eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben.

Als die „Furche“ vor sechs Jahren versuchte, in Süddeutschland Fuß zu fassen, wurde dies als Hochverrat bezeichnet. Jetzt, da die Gefahr eines wirklichen Ausverkaufes heraufdämmert, entsteht interessanterweise keine ähnliche Volksfront, die sich damals so spektakulär zum Sturm erhob.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung