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Vierte Österreichische Buchwoche

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Im Jahre 1948 fand die erste Österreichische Buchwoche statt. Es war ein kritisches Datum: das Interesse der Käufermassen hatte sich in weitgehendem Maße jenen Ver-braudhsgütern zugewendet, die — Jahre hindurch entbehrt — zum erstenmal wieder auf dem Markt auftauchten. Die Idee, daß Österreich das kommende deutsche Buchland sein werde, welcher Idee sich Viele Österreicher hingegeben hatten, begann sich als Illusion zu erweisen, da weder die technischen Voraussetzungen noch die Autoren in den kurzen Jahren nach dem ^Krieg herbeigeschafft Werden konnten. Viele Verlagsgründungen, die in der Nachkriegszeit entstanden waren, zeigten sich der neuen Realität nicht mehr gewachsen. Die Veranstalter der Buchwoche im Jahre 1948 gingen von der Idee aus, durch diese Ausstellung, die eine Art Messe war, dem Publikum den Stand der österreichischen Verlagsproduktion zu zeigen und sein Interesse am Buch wach zu halten. Der Erfolg der damaligen Buchwoche war bereits ein großer, so daß sie jedes Jahr wiederholt wurde. Im Jahre 1950, als die Ausstellung in dem Foyer der Oper untergebracht war, mußte der Zutritt zeitweise gesperrt Werden, da der Andrang derart stark war.

Die vierte österreichische Buchwoche, die dieses Jahr in Wien in den Räumen der Sezession untergebracht ist (Parallelausstellungen finden in den Landeshauptstädten und anderen österreichischen Städten statt), zeigt dem Besucher eine Tatsache, die er bereits in den letzten Jahren beobachten konnte: eine langsame, aber konstante Aufwärtsentwicklung des österreichischen Verlagswesens. Sowohl in bezug auf die Ausstattung der Bücher (dies fällt ja zuerst in die Augen) als auch auf die Autoren. Die Hoffnungen, das österreichische Verlagswesen — in seiner Art eine Neuschaffung seit 1945 — werde sich sofort eine führende Stellung erwerben, mußten sich als trügerisch erweisen, aber die Befürchtungen, daß es wieder verschwinden werde, haben sich ebenso als vollkommen verfehlt gezeigt. Denn die heute ausgestellten österreichischen Bücher zeigen sich noch mehr international konkurrenzfähig als letztes Jahr.

Die österreichischen Verleger haben ungefähr 1700 ihrer Werke zur Schau gestellt) wer die Produktion der Verlage kennt, weiß, daß in dieser Zahl lange nicht alle Bücher vertreten sind. Unter den ausgestellten Büchern nimmt die Schöne Literatur den größten Raum ein. Innerhalb dieser Sparte wieder die Ubersetzungen fremdsprachiger Autoren und historische Romane, die unsere Zeit besonders liebt.

Eine besondere Bereicherung der heurigen Ausstellung bildet das Interesse, daß sie dem Schutzumschlag der Bücher widmet. Mit Recht, denn der Schutzumschlag hat eine ganz eigenartige Entwicklung mitgemacht. Wer je im Sortiment gestanden hat, weiß, Wie viele Menschen ein Buch nach dem ersten optischen Eindrück kaufen. Der deutschsprechende Leser interessiert sich nicht nur um den Inhalt des Buches, er will auch Freude am Besitz haben. Deswegen sein großes Interesse für das

äußere Aussehen eines Buches, und deswegen auch die große Sorgfalt, die alle Verlage dem Schutzumschlag angedeihen lassen müssen, da er ja das erste ist, was dem Käufer in die Augen fällt. Leider Wird nur dadurch manchmal die Sorge um einen schönen Einband in den Hintergrund gedrängt und es wäre deshalb vielleicht zu wünschen, daß bei den kommenden Buchwochen die Verleger in einigen Vitrinen auch Bücher mit den schönsten Einbähden zur Schau stellen. Die Schutzumschläge, die heuer zu sehen sind, sind, soweit es sich um bildmäßige Darstellung handelt, fast immer gelungen, ja oft von erstaunlicher Schönheit. Nicht von gleicher Qualität zeigen sich dagegen vielfach die Schriften auf den Schützumschlägen. Ja, reine Schriftschutzumschläge in erster Qualität sind nur wenigen Verlagen gelungen. Die Aufwärtsentwicklung des österreichischen Verlagswesens wird sich aber gewiß auch noch auf diesem Gebiet gühstig auswirken.

Eine weitere Bereicherung der heurigen Ausstellung ist auch die angeschlossene Schau Schweizer Bücher. Ihre rund 1700 Werke sind allerdings nur ein kleiner Querschnitt durch das schweizerische Buchschaffen, das als einziges in deutscher Sprache das letzte Jahrzehnt praktisch ohne Hindernisse produzieren konnte. Dem Besucher wird nicht nur die hohe Qualität der Werke der Schönen Literatur, sondern vor allem der Kunstbücher und der Wissenschaftlichen Werke auffallen. Dank der Devisen, die der Absatz des österreichischen Buches in der Schweiz erbringt, wird auch Österreichern in stärkerem Maße als bisher die Möglichkeit, sich Schweizer Bücher zu erwerben, offenstehen. Das Ideal allerdings wäre, daß nicht nur zwischen Österreich und der Schweiz, sondern zwischen allen Ländem der Welt ein freier Handelsverkehr mit Büchern möglich wäre. Ein Ziel, dem die UNESCO ihr besonderes Augenmerk zuwendet. Denn gute Bücher, so betonte der Präsident des Schweizer Verlegerverbandes in seiner Ansprache, sind eines der Mittel, die der Welt den Frieden erhalten können.

Dle Nibelungeh. Von Auguste Lechner. Mirabell-Verlag, Sahburg.

Ein Volk, das seine frühe Dichtung nicht mehr kennt, hat den Boden verloren, in Welchem es wurzeln muß, wenn es nicht zur geschiditelosen Masse werden will. Darum ist es notwendig, daß seine Sagen und alten Lieder immer wieder neu erzählt werden und daß vor allem die jungen Leute den Hort kennen lernen, von dessen Reichtum wir leben.

In vorbildlicher Weise hat Auguste Lech-h e r der heranwachsenden Jugend den Stoff des Nibelungenliedes wiederum nahegebracht. Vorbildlich ist vor ailem die erfrischende Natürlichkeit ihres Erzählens, das alles Reflektorische vermeidet und durch Knappheit, Ubersicht, Konseqenz sowohl einen hohen Grad epischer Spannung als auch eine plastische Deutlichkeit der Figuren erreicht, wie Sie den herkömmlichen Nacherzählungen zumeist fehlt. Das Geschehen rollt rasch und farbig vor uns ab, nirgends ein Anklang an den oft so tötenden Schulton, kein sentimentaler Zug in der 6auberen, lebendigen Sprache, der es gelingt, uns von Anfang an zu fesseln und bis zum grausamen Ende nicht mehr loszulassen. Noch einmal: eine vorbildliche Leistung, für die besonders jeder Erzieher aufrichtigen Dank wissen wird.

Dr. Josef L e i t g e b

Die Galgenfrist. Roman. Von Franz Nabl. Leykam-Verlag, Graz.

Die „Galgenfrist“ gehört nicht zu den hervorstechendsten Werken des höchst schätzenswerten Autors. Eine kurze Inhaltsangabe 6agt zur Genüge, warum das so ist: Ein sehr Wohl-situierter wird von seinem Arzt überzeugt, daß er in Kürze zu sterben habei diese Kur, die den Patienten von Feiner Weltüberdrüe-sigkeit heilen soll — was sie erst auf den letzten Seiten des Buches tut —, gibt Anlaß ZU ziemlich langatmigen Auseinandersetzungen, in der sich der Kranke wie ein Hysteriker benimmt. Nein, leider, heute stirbt „man“ nicht mehr so. Und die Psychopathologie ist seit dem schon Jahrzehnte zurückliegenden Ersterechemungsdatum des Romans zu weit fortgeschritten, um seitenlange Passagen dieses Buches nicht unglaubwürdig sein zu lassen. Schade, e6 hätte Besseres aus der Feder dieses Dichters neu aufgelegt werden können als dieses In seinem Schaffen eher nebensächliche Frühwerk. Dr. Jörg Mauthe

Das Ende vom Lied. Romantrilogie von John Galsworthy. Paul-Zsolnay-Verlag, Wien 1951. 950 Seiten.

Nach der „Forsyte Saga“ und der „Modernen Komödie“ ist die6 die dritte Trilogie des großen Chronisten der „oberen Zehntausend“. Sie umfaßt die drei Romane „Ein Mädchen wartet“, „Blühende Wildnis“ (der übrigens zum Teil in Bad Ischl geschrieben wurde) und „über den Strom“, den Galsworthy in seinem letzten Lebensjahr vollendete. Von den leidenschaftlichen Anfängen des jungen Gesellschaftskritikers fühlt ein weiter Weg zur duldsamen Menschenliebe, mit der in den drei vorliegenden Romanen das Bild der englischen Jugend nach dem eisten Weltkrieg gezeichnet wird, einer Gruppe von jungen Leuten „vornehmer Herkunft“, die in der unheimlich-tüchtigen Welt Von heute leben müssen „und eich in ihrer Umgebung nicht übermäßig wohlfühlen*. Wieder steht, wie in den vorausgegangenen Zyklen, eine Frauengestalt im Mittelpunkt: Dinny, „die Seele der Familie, die so viel gibt, aber so wenig datur nimmt . An ihr vor allem ist, wenn man sie mit ihren Vorgängerinnen Irene und Fleur vergleicht, die Wandlung im Lebensgefühl des Dichters Galsworthy abzulesen. Maria Vetter

Literaturmetaphysik. Von Max Bense.

Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1950. 98 Seiten.

Der bekannte Autor, Professor für Philosophie an der Technischen Hochschule in Stuttgart, gab dieser Schrift den Untertitel „Der Schriftsteller in der technischen Welt“, Er erhebt die frage nach der Funktion der Literatur in der modernen, technisch zivilisierten Welt und zeigt, wie im Verlaufe der Entwicklung eine bestimmte Prosaliteratur die Bestrebungen der Philosophie übernimmt, ämlich die metaphysische Deutung des Daseins. Damit ergibt sich ein neues geisteswissenschaftliches Gebiet, die sogenannte „Literaturmetaphysik“, eine Disziplin zwischen Philosophie und Literaturwissenschaft. Die Philosophie, die Metaphysik, verläßt die Form der Theorie und gewinnt die Form einer metaphysischen Prosa, die „augenscheinlich der ontologischen Transparenz der Dinge gewidmet ist“. „Die Kriterien der aussagenlogischen Wahrheit verschieben sich in die Kriterien der aussagenästhetischen Schönheit, und die ontologische Transparenz, Um die es geht, bedeutet hier nicht mehr ausschließlich die deduktive, sondern die deskriptive Klarheit der Dinge, die Präzision in der konkreten Fülle, nicht die Präzision in der abstrakten Form“ (S. 49). Nach der Meinung des Verfassers lassen Sich in der Literaturmetaphysik die Elemente der Metaphysik „nicht mehr durchgängig von den Elementen der Literatur trennen“ (S. 66). Ontologie und Literatur weiden in ihrer engen Beziehung gedeutet. Der Autor e/itwickelt seine Thesen in kurzen Kapiteln an Beispielen der neueren Literatur, besonders von E. A. Poe, Melville und Kafka. Er zieht die geistesgeschichtlicheh Verbindungslinien und erörtert verschiedene Fragen im Zusammenhang mit seinem Thema, «o unter anderem auch die Eigentümlichkeiten der „existentiellen Prosa“, die, wie er ausführt, nicht .erst bei Kierkegaard beginnt, sondern bereits in der antiken Tragödie vorbereitet ist. Diese Schrift Benses bietet neue Aspekte, sie ist aber auch ein Zeichen für die heute in der Literaturbetrachtung herr-sdiende Tendenz zur einseitigen philosophischen Interpretation der Diditung. Auf engem Raum wird hier sehr viel zusammengedrängt, und Benses Stil macht die Lektüre nicht eben leicht. Dr. Theo Trümmer

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