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Rationalisierungen bei Druck und Vertrieb von Büchern, höhere Auflagen, Erschließung neuer Leserschichten - was hilft den Verlagen aus ihren Schwierigkeiten?

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Rationalisierungen bei Druck und Vertrieb von Büchern, höhere Auflagen, Erschließung neuer Leserschichten - was hilft den Verlagen aus ihren Schwierigkeiten?

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österreichische Verlage sind in finanziellen Schwierigkeiten: die spektakuläre Molden-Pleite, der überraschende Besitzwechsel des Residenz-Verlages, die Rettung von Böhlau in letzter Minute, andere Verlage kämpfen ums Uberleben. Dabei steigen die Umsätze des Buchhandels, 5,2 Milliarden Schilling waren es 1986. Aber die Umsatzsteigerung kommt in erster Linie Verlagen in der Bundesrepublik zugute, denn 80 von 100 in Österreich verkauften Büchern werden dort verlegt. Um rund 1,677 Millionen Schilling hat Österreich 1985 Bücher aus der Bundesrepublik importiert, 83 Prozent der nach Österreich eingeführten Bücher kommen vom deutschen Nachbarn. 1986 wurden in 479 österreichischen Verlagen 9.584 Werke — um 10 Prozent mehr als 1985 - verlegt.

Sind die Kosten für Herstellung und Vertrieb von Büchern in den letzten Jahren explodiert? Von den — gar nicht so niedrigen — Buchpreisen müssen Autorenhonorare beziehungsweise Verlagsrechte, Druck-, Reproduktionsund Papierkosten sowie Verlagsunkosten (Lektorat, Werbung, Vertrieb) gedeckt werden. „Heute ein Buch zu produzieren, bedeutet eine Kapitalbindung von 300.000 bis 400.000 Schilling”, meint Gerhard Prosser, Generalsekretär des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels.

Besonders die Kosten für den Vertrieb hätten in den letzten Jahren pro Buch die Höhe der Herstellungskosten erreicht, die Aufwendungen für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit im Ausland seien überproportional gestiegen. Während immer intensiver und differenzierter und damit aufwendiger geworben wird, kann eine Kostensenkung durch Druckrationalisierung (Computersatz) nur dann eintreten, wenn die Zahl der gedruckten Bücher, also die Auflage, steigt. Eine höhere Auflage setzt aber eine immer größere Zahl von Buchkäufern, Buchlesern voraus. Gibt es die?

Der „Anzeiger des österreichischen Buchhandels” veröffentlicht demnächst eine deutsche Studie über den „Wert des Buches heute”, die die deutschen Buchhändler beim Allensbacher Demoskopie-Institut in Auftrag gegeben haben. Sie gibt Aufschluß über die unterschiedliche Wertschätzung von Büchern unter rund 2000 befragten Deutschen, kann aber vermutlich auch für den österreichischen Buchmarkt höchst hilfreich sein. Die Studie unterscheidet zwischen Buchmenschen, die sich ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen können (22 Prozent), Buchliebhabern, die eine ausgeprägte Beziehung zu Büchern haben (25 Prozent), Lesern, für die das Buch ein Freund ist (14 Prozent), informations-orientierten Buchfreunden, die auch eine emotionale Beziehung zum Buch haben (14 Prozent), in-formationsorientierten Buchnutzern, für die das Buch nur ein Instrument ist (13 Prozent), Konsumlesern, für die Lektüre unverbindlich bleibt (21 Prozent), unlustigen Lesern, die nur als Verlegenheitsbeschäftigung lesen (27 Prozent), und Buchgeschenk-Käufern, die selbst kaum lesen (7 Prozent).

Das heißt also, daß für eine bemerkenswert große Anzahl von Menschen Lesen keinen besonderen Stellenwert hat — das bekommen die Verlage zu spüren. Die Studie widerlegt außerdem frühere Prognosen, daß mit steigender Schulbildung die Wertschätzung für Bücher steigt — gerade immer mehr jüngere Buchkäufer mit höherer Schulbildung zählen zu den Konsumlesern, zu den unlustigen Lesern. Der richtige Buchmensch hat in den letzten zwölf Monaten laut Studie durchschnittlich 17 Bücher gekauft, der unlustige Leser und der Buch-Schenker durchschnittlich nur fünf.

Weder verfügbares Einkommen noch Bildungsabschluß bestimmen das Nachfrage-Verhalten der Buchkäufer, sondern ein positives Buch-Wertbewußtsein. Positives Buch-Wertbewußtsein oder, einfacher ausgedrückt, Lesefreude müsse, so meint Gerhard Prosser, aber bereits in der Erziehung der Kinder und Jugendlichen grundgelegt werden.

Um die Anzahl der verkauften Buchexemplare zu erhöhen, haben die Verlage - nach anfänglichem Mißtrauen - die Zusammenarbeit mit den Buchgemeinschaften gesucht. Der Erfolg zeigt sich etwa an den Auflagen von Hugo Portisch' „Österreich I” (120.000 Auflage) und „Österreich II” (60.000 Auflage), die in den Buchgemeinschaften Donauland und Bertelsmann erschienen sind. Die seit den Tagen Gerd Bachers gute Zusammenarbeit mit dem ORF — Fernsehen und Hörfunk — bringe, so der Buchhandels-Generalsekretär Prosser, ebenfalls ein gesteigertes Käuferinteresse im Falle von Buchverfilmungen im TV oder von einschlägigen TV-Programmen.

Einer Erhöhung der Auflagenzahlen durch den Buchverkauf per Ladenkette („Libro-Markt”) oder in Kaufhäusern sei anfänglich heftiger Widerstand yon seriösen Buchhändlern entgegengebracht worden, mittlerweile würden sie, unter anderem auch als Abbauer der Schwellenangst bei unerfahrenen Buchkäufern, geschätzt. Hohe Restauflagen, vor allem von Kunstbüchern, haben zur Installierung jener Händler für Sonderangebote und Restauflagen geführt, bei denen Bücherfreunde gut ausgestattete Kunstbände nicht selten um den halben Ladenverkaufspreis erstehen können.

Prosser selbst baut zur Steigerung der Auflagezahlen vor allem auf die Qualität — die inhaltliche, die formale, gestalterische. Die Qualität der verlegten Bücher, der Autoren sei aber nicht unabhängig zu sehen von der Qualität der Verleger selbst, deren Liebe zum Buch, deren Fürsorglichkeit und Anteilnahme für ihre Autoren und nicht zuletzt deren eigene Erfahrungen als Buchmacher eine Gewähr bilden müßten für die „kleine Ware Buch”, die den Gesetzlichkeiten des Marktes eben nur bedingt unterworfen werden könne.

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